Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Impfstart – Landrat kritisiert Ärzteverband
Stephan Pusch beklagt einen schleppenden Impfstart im Kreis Heinsberg. Verantwortlich dafür ist seiner Meinung nach die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein. Die KVNo sei mit der Organisation völlig überfordert.
„Wie soll das erst gehen, wenn das Erkelenzer Zentrum startet?“Stephan Pusch Landrat
ERKELENZER LAND Deutlich schleppender als erwartet und erhofft lief nach Ansicht von Landrat Stephan Pusch der Start der Impfungen gegen das Coronavirus im Kreis Heinsberg. „Bis zum 2. Januar waren erst 832 Personen geimpft, laut Planung hätten es zu diesem Zeitpunkt schon 1960 sein müssen“, erklärt Pusch. Der Landrat übt in diesem Zusammenhang deutliche Kritik an der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo), die vom Landesgesundheitsministerium mit der Organisation der Impfaktion betraut worden und nach Meinung von Landrat Pusch im Kreis Heinsberg damit völlig überfordert ist. Pusch: „Es rumpelt hat allen Ecken und Enden.“Die KVNo weist die Kritik des Landrats zurück.
Mit den Impfungen gegen das Coronavirus war landesweit am Sonntag, 27. Dezember, begonnen worden. 180 Impfdosen standen zur Verfügung. Der Kreis Heinsberg hatte der für die Impfungen zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung eine Prioritätenliste vorgelegt. Demnach sind die mobilen Impfteams zunächst in Alten- und Pflegeheimen unterwegs, um Menschen aus der Hochrisikogruppe zu impfen, die demenzkrank, psychisch krank oder geistig behindert sind und in Pflegeeinrichtungen leben. Die Impfungen in den Pflegeheimen können nur erfolgen, wenn Einverständniserklärungen der Bewohner
vorliegen.Die ersten Impfdosen im Kreis Heinsberg waren am 27. Dezember ausschließlich in Einrichtungen der Katharina Kasper ViaNobis GmbH in Gangelt verabreicht worden, die früher als Gangelter Einrichtungen bekannt waren.
Dass nach einer Woche erst die Hälfte der geplanten Impfdosen im Kreis Heinsberg verabreicht worden sind, macht Landrat Pusch sauer. Für die Verzögerungen macht er die KVNo verantwortlich. Offenkundig sei man dort bislang nicht dazu in der Lage, einen reibungslosen Ablauf der Impfungen im Kreis Heinsberg zu gewährleisten. „Wir bekommen beispielsweise aus den Altenheimen zu hören, dass die Kommunikation mit der KVNo eine Katastrophe ist und Ankündigungen viel zu kurzfristig erfolgen“, berichtet Pusch. Heidrun Schößler, Leiterin des Gesundheitsamtes des Kreises Heinsberg, habe bereits mehrfach versucht, mit der Kassenärztlichen Vereinigung Kontakt aufzunehmen und ihre Hilfe bei der Organisation der Impfungen in den Pflegeheimen anzubieten. Mit einer dezentralen Unterstützung in den Städten und Gemeinden vor Ort könnte mit Blick auf die Impfungen viel schneller und besser gehandelt werden. Doch die Kassenärztliche Vereinigung sei auf dieses Angebot nicht eingegangen. „Ehrlich gesagt habe ich manchmal den Eindruck, die Kassenärztliche Vereinigung behandelt das Thema als geheime Kommandosache“, sagt Pusch. Was den Landrat auch ärgert: Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein sei händeringend dabei, Ärzte zu suchen, und dabei offensichtlich bereit, unanständig hohe Saläre zu zahlen. Pusch: „Das geht aus meiner Sicht gar nicht.“Vor dem Hintergrund des offenkundigen Personalmangels hat der Landrat Sorge, dass das Impfzentrum in Erkelenz erst in einigen Monaten seinen Betrieb aufnehmen kann. „Und wenn es jetzt mit den wenigen Fällen bereits derartige Probleme gibt, wie soll das dann erst im Massenbetrieb
aussehen, wenn das Erkelenzer Impfzentrum seine Arbeit aufgenommen hat?“, fragt Pusch.
Bei der KVNo hat man kein Verständnis für die Generalabrechnung des Landrats. Bis einschließlich 6. Januar seien im Kreis Heinsberg in sieben Einrichtungen 1160 Dosen verimpft worden. Eine starre Vorabplanung
mit festen Impfvorgaben für einzelne Tage könne es nicht geben. „In Summe hängen die Impfungen daher vom erfolgreichen Zusammenspiel vieler Akteure ab, die KV ist eine davon. Es ist ein Marathon, kein Impfsprint, bei dem um jeden Preis schnellstmöglich Einsätze koordiniert werden müssen“, sagt KVNo-Sprecher Christopher Schneider.
Seinen Frust im Zusammenhang mit dem schleppenden Impfstart im Erkelenzer Land hat Landrat Pusch nach eigenen Angaben am Montag Staatssekretär Edmund Heller aus dem Landesgesundheitsministerium telefonisch übermittelt. Dabei habe er auch ausdrücklich um eine bessere Kommunikation gebeten, berichtet Stephan Pusch, „das klappt nämlich hinten und vorne nicht.“Inzwischen hat der Kreis Heinsberg erfahren, dass zurzeit ein Musterschreiben von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann auf Landesebene in Vorbereitung ist.