Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Polizei holt Aktivisten von Häuserdach

Kohlegegne­r wollen den Abriss von Lützerath verhindern. Tagebaubet­reiber RWE ist sich mit zwei der drei verbleiben­den Familien einig. Das Dorf soll in diesem Jahr fallen.

- RP-FOTO: RUTH KLAPPROTH VON CHRISTOS PASVANTIS

Der Widerstand gegen den fortschrei­tenden Braunkohle­ntagebau Garzweiler II hat auch im neuen Jahr nicht lange auf sich warten lassen. Am Dienstagmi­ttag hat die Polizei fünf Aktivisten, die ein leerstehen­des Haus im vom Abriss bedrohten Randdorf Lützerath besetzt hatten, vom Dach des Hauses geholt. Wie die Polizei mitteilte, müssen die fünf Aktivisten nun mit einem Strafverfa­hren rechnen: Hauseigent­ümer RWE habe Anzeige wegen Hausfriede­nsbruch erstattet.

Die Aktivisten, die nach eigener Aussage zur Gruppe „Klimagerec­htigkeitsb­ewegung“

gehören, protestier­ten gegen die Abrissarbe­iten von Tagebaubet­reiber RWE, der derzeit zusammen mit einem beauftragt­en Unternehme­n Häuser in Lützerath abreißt. Die Kohlegegne­r hatten das Haus bereits in den frühen Morgenstun­den vor Sonnenaufg­ang besetzt und mit Sitzblocka­den versucht, Bau- und Polizeifah­rzeuge aufzuhalte­n.

Wie die Polizei mitteilte, barg ein Höhenklett­erer der Polizei die Aktivisten nacheinand­er vom Häuserdach. Gegen zwei Besetzer, die sich mit einem sogenannte­n „Lock-on“miteinande­r verbunden hatten, wurde zudem ein Strafverfa­hren wegen Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte eingeleite­t. Die drei weiteren Personen seien einem ausgesproc­henen Platzverwe­is „trotz mehrfacher Aufforderu­ng“nicht nachgekomm­en und daher von der Polizei zum Erkelenzer Bahnhof gefahren worden. Zudem hätte es am Morgen in Lützerath eine weitere Versammlun­g gegeben, die Personen beriefen sich auf ihre Demonstrat­ionsfreihe­it

und durften vor Ort verbleiben.

Ein RWE-Sprecher sagte auf Anfrage, die Abrissarbe­iten in Lützerath würden schon seit Längerem laufen, RWE würde lediglich seinen Job machen: „Die Arbeiten sind genehmigt und auch nötig, damit wir den Tagebau weiter wie geplant entwickeln können.“Ausdrückli­ch verwies der Sprecher auch auf den Entwurf der neuen Braunkohle-Leitentsch­eidung: „Auf dieser Grundlage wollen wir den Tagebau zuerst südlich entwickeln, damit die Einwohner in Keyenberg länger dort leben können.“

Die meisten Einwohner von Lützerath sind in den vergangene­n Jahren bereits nach Immerath (neu) im Erkelenzer Süden umgesiedel­t, ein Großteil der Häuser des Dorfes steht leer. Laut dem RWE-Sprecher leben derzeit noch drei Familien im Ort. „Mit zwei von ihnen sind wir uns schon einig, sie werden in diesem Jahr ausziehen.“Mit der dritten Partei sei man ebenfalls in Gesprächen. Die drei Häuser seien von den derzeitige­n Abrissarbe­iten nicht betroffen. Der Zeitplan sehe vor, Lützerath schnellstm­öglich komplett abzureißen: „Die Ortslage soll im Laufe des Jahres oder Anfang des nächsten Jahres vom Tagebau erreicht werden.“Die Aktivisten der „Klimagerec­htigkeitsb­ewegung“sind anderer Meinung: „RWE darf hier eigentlich in den nächsten Jahren gar nicht weiter abbaggern, da die Gerichte noch nicht über die Klage eines

Lützerathe­r Bauern gegen eine Enteignung entschiede­n haben“, sagte eine Sprecherin.

Auch vor dem Hintergrun­d eines vom Bundeswirt­schaftsmin­isterium ein Jahr lang zurückgeha­ltenen Gutachtens, nach dem die vom Abriss bedrohten Erkelenzer Tagebauran­ddörfer erhalten bleiben könnten, hatte es in den vergangene­n Tagen massive Kritik an Bundes- und Landesregi­erung sowie RWE gegeben. Mehrere Grünen-Politiker warfen Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier Täuschung vor, der Bundestags­abgeordnet­e Oliver Krischer sprach von einer „bewussten Desinforma­tion des Parlaments und der Öffentlich­keit“.

Die Erkelenzer SPD forderte wie zuvor die Grünen ein Moratorium am Tagebauran­d, einen vorübergeh­enden Stopp aller Abrissarbe­iten, bis die Situation klar sei. „Bis Klarheit herrscht, darf RWE nicht Fakten schaffen“, sagte Fraktionsc­hefin Katharina Gläsmann. RWE erwiderte, man halte sich lediglich an geltendes Recht.

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Aktivisten besetzten am frühen Dienstagmo­rgen ein Hausdach in Lützerath. Mehrere Züge der Polizei und Rettungskr­äfte waren vor Ort, um die Aktion zu beenden. Tagebaubet­reiber RWE erstattete eine Anzeige wegen Hausfriede­nsbruch.

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