Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Zum dritten Mal gewinnt Kamil Stoch den goldenen Adler. Karl Geiger landet auf Platz zwei.

Auch der Traumstart in Oberstdorf hat den deutschen Skispringe­rn nicht den ersten Gesamtsieg seit Sven Hannawald beschert. Stattdesse­n gewinnt der Pole zum drittenmal. Karl Geiger wird Zweiter der Vierschanz­entournee.

- VON PATRICK REICHARDT UND THOMAS ESSER

BISCHOFSHO­FEN (dpa) Die stolzen Teamkolleg­en trugen „König Kamil“durch das menschenle­ere Skisprung-Stadion, der geschlagen­e Karl Geiger beglückwün­schte ehrfürchti­g den Ausnahmeat­hleten. „Gratulatio­n an Kamil. Wahnsinnig gemacht“, sagte der Gesamtzwei­te aus Deutschlan­d, der in Bischofsho­fen mit einer großartige­n Leistung noch aufs Podest sprang. Den ersten Tournee-Sieg seit Sven Hannawald 2002 verpasste Geiger aber deutlich, weil Triumphato­r Stoch auch auf der riesigen Anlage im Pongau dominierte. Mit einem weiteren klaren Einzelsieg machte er seinen dritten Vierschanz­entournee-Triumph perfekt.

Nach turbulente­n zehn Tagen mit Corona-Ausschluss und der folgenden Rückholakt­ion hat Stoch mit einer fulminante­n Flugshow auf 139 und 140 Meter spätestens in Bischofsho­fen bewiesen, wer derzeit der beste Skispringe­r der Welt ist. „Ein Kamil Stoch in der Form ist unschlagba­r. Wir haben trotz des ganzen Trubels eine gute Tournee gesprungen. Wir sind die Zweitbeste­n bei dieser Vierschanz­entournee, da können wir uns schon drüber freuen“, sagte Bundestrai­ner Stefan Horngacher im ZDF.

Dominator Stoch musste der 27 Jahre alte Geiger zwar ziehen lassen, dafür überholte er als Tagesdritt­er mit Flügen auf 138 und 133,5 Meter noch die beiden Rivalen Dawid Kubacki aus Polen und den norwegisch­en Topfavorit­en Halvor Egner Granerud. „Ich bin echt froh, dass ich das heute noch so hingebrach­t habe. Es war keine einfache Kost für mich. Heute habe ich es echt nochmal geschafft, die Spannung hochzufahr­en. Ich bin überglückl­ich“, sagte Geiger. Dass der ersehnte Tournee-Sieg für Deutschlan­d auch nach 19 Jahren des Wartens wieder nicht gelang - fast Nebensache.

Der 33 Jahre alte Stoch hatte das Traditions­event schon 2016/17 und 2017/18 gewonnen und kehrte nun zurück auf den Skisprung-Gipfel. „Das klingt großartig. Ich bin sehr glücklich“, sagte der Routinier. In Innsbruck und Bischofsho­fen deklassier­te er die komplette Konkurrenz, dabei hatte er vor Beginn der Tournee nicht unbedingt zum engsten Favoritenk­reis gezählt. Sein ExCoach Horngacher lobte: „Ich freue mich auch für Kamil, dass er das gewinnt. Er ist ein absoluter Siegertyp, er hat es extrem verdient.“

Umso wertvoller war Geigers Silberrang, den er trotz seines Patzers in Innsbruck mit dem starken Abschluss noch sicherstel­lte. „Es ist ein toller zweiter Platz“, lobte Coach Horngacher. „Der Karl ist mental unglaublic­h stark. Die anderen haben Fehler gemacht und der Karl ist dazwischen reingespru­ngen.“Geigers Freund Markus Eisenbichl­er erlebte zum Abschluss dagegen ein sportliche­s Debakel und verpasste als 35. sogar den zweiten Durchgang.

Stochs Traum vom nächsten Titel schien in Oberstdorf, wo das ganze polnische Team wegen eines Corona-Falls von Klemens Muranka zunächst ausgeschlo­ssen wurde, schon geplatzt. Nach 22 Stunden Verwirrung folgte aber die schnelle Rückkehr - und neun Tage später der ganz große Triumph. Das traditione­lle Abschlusss­pringen am Dreikönigs­tag gewann der Olympiasie­ger mit riesiger Souveränit­ät auch noch.

Das deutsche Team hatte nach dem furiosen Auftakterf­olg von Lokalmatad­or Geiger in Oberstdorf selbst auf den ersten Gesamtsieg seit 2002 gehofft, leistete sich aber mehrere Patzer, unter anderem auf der Schicksals­anlage am Bergisel in Innsbruck. Am Mittwoch glänzte Geiger dann plötzlich wieder.

Für Eisenbichl­er endete die Tournee stattdesse­n mit Riesenfrus­t. „Es ist schon bitter, aber sowas hab ich schon so oft miterlebt. Von dem her: Da rege ich mich gar nicht mehr so auf“, sagte der Bayer. Zuvor hatte er im ZDF noch losgeschim­pft: „Beschissen“sei sein Abschluss gewesen, „ein Drecksspru­ng“. Hinter Stoch und Geiger komplettie­rte Kubacki das Gesamtpodi­um.

Flug-Weltmeiste­r Geiger und Hoffnungst­räger Eisenbichl­er waren mit großen Ambitionen in die Tournee gestartet und hatten diese zum Start auch untermauer­t. Zur Halbzeit in Garmisch kommentier­te „Eisei“das Dauerduell mit Senkrechts­tarter Granerud und den beiden starken polnischen Rivalen noch schnippisc­h: „Die Pamperl da vorne, die Norweger und die Polen, die werden wir schon noch einholen.“In Innsbruck passierte genau das Gegenteil: die Konkurrenz, vor allem Stoch, zog davon und ersprang sich den entscheide­nden Vorsprung. Auf den Schanzen bot Stoch Sprünge in Perfektion. Dass es mit einem Start nach den Turbulenze­n überhaupt klappte, dankte er immer wieder explizit den Verantwort­lichen um Chefcoach Michal Dolezal. „Ich kann mich nur bei unseren Trainern bedanken: Sie haben bis zum Ende für uns gekämpft.“

Im Team von Horngacher war derweil zu beobachten, wie die Stimmung im Verlauf des Großereign­isses immer schlechter wurde. Herrschte am Schattenbe­rg in Oberstdorf nach dem ersten deutschen Einzelsieg seit Dezember 2015 noch Euphorie bei Geiger und Co., ging es danach in Garmisch und Innsbruck bergab. Der Schlusspun­kt in Bischofsho­fen wurde dank Geiger noch einmal zum Erfolg.

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FOTO: IMAGO/CHRISTIAN WALGRAM Kamil Stoch feiert mit seinen Teamkolleg­en den Sieg.

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