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Weiterer Corona-Impfstoff zugelassen
Die EU-Arzneimittelbehörde gibt grünes Licht für das Präparat von Moderna.
AMSTERDAM (ap/dpa) Als zweiter Corona-Impfstoff ist nun auch das Mittel des US-Herstellers Moderna in der EU zugelassen. Dies entschied die EU-Kommission am Mittwoch auf Empfehlung der Arzneimittelbehörde Ema, wie Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf Twitter mitteilte. „Diese Impfung versorgt uns mit einem weiteren Instrument, um die gegenwärtige Notlage zu überwinden“, sagte Ema-Direktorin Emer Cooke am Mittwoch in Amsterdam. Die zweite Zulassung eines Corona-Impfstoffs binnen kurzer Zeit sei ein Zeichen für den Einsatz und das Engagement aller Beteiligten. Bislang war in der EU nur der Impfstoff des deutschen Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer zugelassen.
Die Zulassungsempfehlung fällt in eine Zeit, in der die rasche Ausbreitung des Virus in zahlreichen EU-Staaten für Turbulenzen sorgt. Zugleich gibt es Kritik an nationalen Impfprogrammen – zuletzt etwa an Frankreichs niedriger Impfquote innerhalb der ersten sechs Tage nach Start der Kampagne. Oder an dem im Vergleich zu den übrigen EU-Ländern um zwei Wochen verzögerten Impfstart in den Niederlanden.
Wie im Fall von Biontech und Pfizer verlangt auch das Moderna-Vakzin die Vergabe zweier Impfdosen, um volle Wirkung zu entfalten. Bislang hat die EU 80 Millionen Dosen des Impfstoffs bestellt, Optionen gibt es für weitere 80 Millionen. Empfohlen wird das Mittel für Menschen ab 18 Jahren. Vorkommende Nebenwirkungen sind nach Angaben der Ema in der Regel mild bis moderat. Meist handele es sich um leichte Schmerze oder eine Schwellung an der Einstichstelle, Müdigkeit, geschwollene Lymphknoten im Bereich der Achseln, Übelkeit oder Muskelschmerzen.
Erste Ergebnisse laufender Studien legen eine hohe Wirksamkeit sowohl des Moderna- als auch des Pfizer-Biontech-Impfstoffs nahe. Der Moderna-Impfstoff ist leichter zu verarbeiten, er muss zum Beispiel nicht so kalt gelagert werden wie das Präparat von Biontech und Pfizer, das minus 70 Grad Celsius erfordert. Geimpft wird in der EU offiziell seit dem 27. Dezember.
CAMBRIDGE Am Anfang stand eine Vision: Was wäre, wenn man den Zellen im Körper befehlen könnte, sich selbst zu heilen? Dann könnte Krebs besiegt werden. Die menschlichen Zellen könnten lernen, mit anderen schweren Krankheiten fertigzuwerden. Die Befehle könnten dazu führen, dass Kranke genesen und Menschen länger leben.
Es ist eine große Vision, doch an ihrer Umsetzung arbeiten viele Forscher weltweit. In Mainz sind es die Biontech-Gründer Ugur Sahin und Özlem Türeci, in den USA Menschen wie Noubar Afeyan. Der gebürtige Libanese gründete vor knapp 20 Jahren Flagship Pioneering, eine Art Brutkasten für Start-ups. Mit Risikokapital und Expertise werden hier speziell Biotechnologie-Firmen aufgebaut. Eine von ihnen: Moderna, dessen Corona-Impfstoff nun in der EU zugelassen ist.
2010 wurde das Unternehmen in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts gegründet. Dass dieses Projekt zehn Jahre später eine Lösung zur Bekämpfung einer weltweiten Pandemie hervorbringen würde, ahnte damals niemand. Denn zunächst gab es nicht mehr als ein paar Thesen, den Wunsch mit Boten-RNA (mRNA) die Medizin zu verändern, und einen Projektnamen: LS18. Afeyan und sein Partner Doug Cole bauten ein Team aus Wissenschaftlern auf – und aus LS18 wurde Moderna. Aus einer vagen Idee schuf der zum Geschäftsführer ernannte Franzose Stéphane Bancel ein Unternehmen.
In den folgenden Jahren konnte das Unternehmen Millionenbeträge an Kapital einsammeln – unter anderem durch Fördergelder von der Darpa, dem Forschungsarm des US-Militärs, oder der Bill & Melinda-Gates-Stiftung und durch Kooperationen mit Pharmakonzernen wie Astrazeneca und Merck.
Der Aufbau solcher Unternehmen ist mit hohem Risiko für Investoren verbunden, die Erfolgschancen sind schwer zu berechnen, die Kosten angesichts benötigter Labore extrem hoch. Gleichzeitig braucht es speziell im Biotechnologie-Bereich oft viele Jahre, bis klar wird, ob sich ein Investment auszahlt.
Im Fall von Moderna hat sich die Geduld der Investoren ausgezahlt: Am 16. März 2020 hatte erstmals ein Freiwilliger in den USA den Moderna-Impfstoff mRNA-1273 testweise injiziert bekommen. Knapp neun Monate später wurde die designierte US-Vizepräsidentin Kamala Harris damit geimpft. Denn inzwischen hatte der Impfstoff des Unternehmens in den USA die Zulassung bekommen und wird bald auch in der Europäischen Union eingesetzt. Die Europäische Arzneimittelbehörde Ema gab am Mittwoch grünes Licht für den Einsatz des Vakzins, das damit nach dem Impfstoff von Biontech der zweite in der EU zugelassene Impfstoff ist. Die finale Entscheidung über die Zulassung hat wenig später die Europäischen-Kommission gefällt.
Weltweit wurden mehr als 120 Impfstoff-Projekte angeschoben, nachdem sich das Coronavirus zur Pandemie entwickelte. Doch im Laufe der Zeit zeigte sich, dass es vor allem zwei bis dahin vergleichsweise kleine Unternehmen sein würden, die dabei die Nase vorn haben würden: das deutsche Unternehmen Biontech und eben Moderna.
Die Aktie des US-Herstellers ist im vergangenen Jahr um mehr als 400 Prozent im Wert gestiegen. An der Börse ist das Unternehmen inzwischen umgerechnet rund 35 Milliarden Euro wert. Der Kursanstieg resultierte dabei vor allem aus dem Covid-19-Impfstoff, denn weitere Projekte des Unternehmens werden zwar bereits in klinischen Studien erprobt, haben jedoch noch nicht die entscheidende Phase III der Tests erreicht, wie beispielsweise Impfstoffe gegen das Virus H7N9 („Vogelgrippe“) oder das Zika-Virus. Auch zu zwei Krebs-Impfstoffen laufen bereits klinische Studien.
Die EU hat zunächst 80 Millionen Dosen des Impfstoffs bestellt, dessen Wirksamkeit bei gut 94 Prozent liegen soll. Biontech und Pfizer hatten die Wirksamkeit ihres Vakzins auf 95 Prozent beziffert. Beide Impfstoffe basieren auf der sogenannten Boten-RNA (mRNA), die den menschlichen Zellen die Information zur Produktion von Proteinen und damit zur Bekämpfung der Krankheitserreger vermitteln soll. Die Vision von Noubar Afeyan wird langsam Wirklichkeit.