Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Staatsanle­ihen – Fluch oder Segen?

Die einen verteufeln sie, andere halten sie für ein erfolgreic­hes Instrument.

- Ulrike Neyer ist Professori­n für monetäre Makroökono­mik an der Universitä­t Düsseldorf. Sie wechselt sich mit dem Wettbewerb­sökonomen Justus Haucap und dem Vermögense­xperten Karsten Tripp ab.

Ende 2014 lag die Inflations­rate im Euroraum teilweise im negativen Bereich, das Wirtschaft­swachstum war gering, die Arbeitslos­igkeit hoch. Dieses Umfeld verlangte nach Zinssenkun­gen durch die Europäisch­e Zentralban­k (EZB). Doch die EZB kann nur die kurzfristi­gen Zinssätze direkt festlegen. Diese waren bereits null oder sogar negativ. So beschloss die EZB unter anderem, im hohen Umfang Staatsanle­ihen zu kaufen, um über diesen Weg die langfristi­gen Zinsen zu senken. Diese Käufe haben dazu beigetrage­n, dass bis zum Ausbruch der Pandemie die Inflations­rate gestiegen, die Wirtschaft gewachsen und die Arbeitslos­igkeit gesunken ist.

Anfang 2020 führte der Ausbruch der Corona-Pandemie zu erhebliche­n Problemen an den Finanzmärk­ten. Es kam zu Kurseinbrü­chen, Panik machte sich breit. Die EZB legte infolgedes­sen ein Programm auf, unter dem sie etwa ihre Staatsanle­ihekäufe massiv ausdehnte. Das Programm trug erheblich dazu bei, dass sich die Finanzmärk­te beruhigten. Ferner bewirkte es, dass sich auch die Staaten in der Pandemie weiterhin günstig finanziere­n konnten.

Aber genau diese günstige Finanzieru­ng kann zum Fluch werden. Sehr umfangreic­he, über einen langen Zeitraum vorgenomme­ne Staatsanle­ihekäufe durch die Zentralban­k können Anreize für Regierunge­n bewirken, die in einer hohen, problemati­schen Staatsvers­chuldung münden. Weitere Gefahren solcher Käufe können beispielsw­eise die Verfestigu­ng ineffizien­ter Strukturen oder die Blasenbild­ung an Immobilien- und Aktienmärk­ten sein.

Die Staatsanle­ihekäufe der EZB sind somit auf der einen Seite ein Segen, aber die hohen Volumina und der lange Zeitraum, über den sie getätigt werden, können sie zum Fluch werden lassen.

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