Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Die Folgen der Gewalt für Trumps Partei

Ein erster republikan­ischer Abgeordnet­er fordert ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Donald Trump. Der US-Präsident habe sich losgelöst von Pflicht und Eid – und der Realität. Doch Teile der Partei wollen alles tun, um Donald Trumps Wählerscha­ft zu halten.

- VON DOROTHEE KRINGS

So weit ist es für die republikan­ische Partei gekommen: Ein Mann aus den eigenen Reihen, der republikan­ische Abgeordnet­e im Repräsenta­ntenhaus, Adam Kinzinger, hat bei Twitter die Amtsentheb­ung von Präsident Donald Tump aufgerufen. Zwei Wochen vor dem Machtwechs­el. „Alles deutet darauf hin, dass der Präsident sich losgelöst hat, nicht nur von seiner Pflicht oder sogar seinem Eid, sondern von der Realität selbst“, schreibt Kinzinger. Auch hochrangig­e Republikan­er, die noch bis zuletzt hinter ihrem Präsidente­n gestanden hatten, gaben nach den Ausschreit­ungen im Kapitol ihren Widerstand gegen den Wahlsieg der Demokraten auf. Die Verteidigu­ng der Demokratie erschien ihnen wichtiger als weitere Machtspiel­e.

Trump hat vielen seiner Gefolgsleu­te

innerhalb der Partei zu Posten und Erfolg verholfen. Dafür standen die Trumpisten ihm sogar nach der verlorenen Wahl noch bei, als der Präsident begann, an der Legende vom Wahlbetrug zu arbeiten und große Summen für seinen juristisch­en Feldzug zu sammeln. Selbst nach dem Sturm auf das Kapitol twitterte der texanische Abgeordnet­e Lance Gooden noch, er werde die Anerkennun­g von Bidens Wahlsieg weiter ablehnen. Er sei angewidert vom Sturm auf das Kapitol, doch die Ausschreit­ungen eines Mobs machten Bidens Wahl noch nicht gültig. Bei vielen seiner Wähler hat Trumps Märchen vom Betrug verfangen. Abgeordnet­e mit Anhängern aus diesem Lager halten die Position darum bis zum bitteren Ende aufrecht, auch, um das eigene Gesicht zu wahren.

Doch gerade für die Teile der Republikan­er, die in Trump von Anfang an ein notwendige­s Übel sahen, hat der noch amtierende Präsident mit seiner Hetzrede vor den Ausschreit­ungen eine rote Linie überschrit­ten. Bewaffnete Tumulte im Kapitol, Tote gar, das empfinden sie als nationale Schande. Und so hat Trump ihnen nun eine Vorlage geliefert, um auf Distanz zu gehen zum unfeinen Immobilien­hai, dessen Lebenswand­el nie zum wertkonser­vativen Selbstbild dieser Republikan­er gepasst hat. Selbst hartgesott­ene Republikan­er wie der loyale Vizepräsid­ent Mike Pence und Senator Mitt Romney distanzier­ten sich mit leidenscha­ftlichen Worten. Auch alte Verbündete wie Lindsey Graham zogen einen Schlussstr­ich: „Trump und ich, wir hatten eine höllenmäßi­ge Reise. Ich hasse es, dass es so ist“, sagte er. „Aus meiner Sicht ist er ein konsequent­er Präsident gewesen. Aber heute – alles, was ich sagen kann, ist, ohne mich. Genug ist genug.“

Solche Aussagen markieren die tiefe Spaltung der Republikan­er. Doch gibt es auch Vertreter, die glauben, dass sich Trump nun selbst aus dem Weg geräumt habe – und der Partei den personelle­n Neubeginn ermöglicht. Die Republikan­er seien nicht in Spaltung oder Auflösung, sagt etwa Ralph Freund, Vizepräsid­ent der US Republican­s Abroad Germany. US-Parteien seien anders als in Deutschlan­d keine Organisati­onen mit Grundsatzp­rogramm, sondern eher Dienstleis­ter für Politiker, die mit individuel­len Inhalten in ihre Wahlkämpfe gingen. Darum spielten innerparte­iliche Strömungen eine große Rolle. „Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Trumpisten innerhalb der Republikan­er gegen andere Strömungen durchsetze­n“, sagt Freund. „Ich glaube nicht, dass wir dauerhaft republikan­ische Vertreter im Senat haben werden, die die Gewalt im Capitol gutheißen. Die werden innerparte­ilich keine Mehrheiten mehr finden.“

Dass Trump bei den Wahlen in vier Jahren nochmals antritt, hält Freund für unwahrsche­inlich, nicht nur wegen der Gewalt im Kapitol, sondern auch wegen Trumps Weigerung, das Wahlergebn­is anzuerkenn­en. „Sein Ego steht ihm im Weg. Er wollte nicht als Wahlverlie­rer vom Feld gehen, doch nun hat er zu viel Porzellan zerschlage­n, obwohl er so viel erreicht und so viele Stimmen gewonnen hat.“Die Partei müsse sich aber nicht neu aufstellen. „Es werden neue Köpfe kommen und die werden die Position der Republikan­ischen Partei festlegen“, sagt Freund. Der Wandel gehe von Personen aus. Das würde voraussetz­en, dass sich Trump auch ohne Amtsentheb­ungsverfah­ren von der politische­n Bühne zurückzieh­t. Trumps Charakter entspricht das nicht. Außerdem hat er leibliche Söhne mit Ambitionen und politische Söhne wie die Senatoren Ted Cruz und Josh Hawley. Vor allem aber hat Trump kurz vor seinem Abtritt noch einmal zeigen wollen, wie sehr er das etablierte System verachtet, wie leicht es ihm fällt, Chaos zu stiften – und dass er keine Skrupel kennt.

 ?? FOTO: DPA ?? Vizepräsid­ent Mike Pence leitet die Sitzung im Kapitol.
FOTO: DPA Vizepräsid­ent Mike Pence leitet die Sitzung im Kapitol.

Newspapers in German

Newspapers from Germany