Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Die Folgen der Gewalt für Trumps Partei
Ein erster republikanischer Abgeordneter fordert ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump. Der US-Präsident habe sich losgelöst von Pflicht und Eid – und der Realität. Doch Teile der Partei wollen alles tun, um Donald Trumps Wählerschaft zu halten.
So weit ist es für die republikanische Partei gekommen: Ein Mann aus den eigenen Reihen, der republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus, Adam Kinzinger, hat bei Twitter die Amtsenthebung von Präsident Donald Tump aufgerufen. Zwei Wochen vor dem Machtwechsel. „Alles deutet darauf hin, dass der Präsident sich losgelöst hat, nicht nur von seiner Pflicht oder sogar seinem Eid, sondern von der Realität selbst“, schreibt Kinzinger. Auch hochrangige Republikaner, die noch bis zuletzt hinter ihrem Präsidenten gestanden hatten, gaben nach den Ausschreitungen im Kapitol ihren Widerstand gegen den Wahlsieg der Demokraten auf. Die Verteidigung der Demokratie erschien ihnen wichtiger als weitere Machtspiele.
Trump hat vielen seiner Gefolgsleute
innerhalb der Partei zu Posten und Erfolg verholfen. Dafür standen die Trumpisten ihm sogar nach der verlorenen Wahl noch bei, als der Präsident begann, an der Legende vom Wahlbetrug zu arbeiten und große Summen für seinen juristischen Feldzug zu sammeln. Selbst nach dem Sturm auf das Kapitol twitterte der texanische Abgeordnete Lance Gooden noch, er werde die Anerkennung von Bidens Wahlsieg weiter ablehnen. Er sei angewidert vom Sturm auf das Kapitol, doch die Ausschreitungen eines Mobs machten Bidens Wahl noch nicht gültig. Bei vielen seiner Wähler hat Trumps Märchen vom Betrug verfangen. Abgeordnete mit Anhängern aus diesem Lager halten die Position darum bis zum bitteren Ende aufrecht, auch, um das eigene Gesicht zu wahren.
Doch gerade für die Teile der Republikaner, die in Trump von Anfang an ein notwendiges Übel sahen, hat der noch amtierende Präsident mit seiner Hetzrede vor den Ausschreitungen eine rote Linie überschritten. Bewaffnete Tumulte im Kapitol, Tote gar, das empfinden sie als nationale Schande. Und so hat Trump ihnen nun eine Vorlage geliefert, um auf Distanz zu gehen zum unfeinen Immobilienhai, dessen Lebenswandel nie zum wertkonservativen Selbstbild dieser Republikaner gepasst hat. Selbst hartgesottene Republikaner wie der loyale Vizepräsident Mike Pence und Senator Mitt Romney distanzierten sich mit leidenschaftlichen Worten. Auch alte Verbündete wie Lindsey Graham zogen einen Schlussstrich: „Trump und ich, wir hatten eine höllenmäßige Reise. Ich hasse es, dass es so ist“, sagte er. „Aus meiner Sicht ist er ein konsequenter Präsident gewesen. Aber heute – alles, was ich sagen kann, ist, ohne mich. Genug ist genug.“
Solche Aussagen markieren die tiefe Spaltung der Republikaner. Doch gibt es auch Vertreter, die glauben, dass sich Trump nun selbst aus dem Weg geräumt habe – und der Partei den personellen Neubeginn ermöglicht. Die Republikaner seien nicht in Spaltung oder Auflösung, sagt etwa Ralph Freund, Vizepräsident der US Republicans Abroad Germany. US-Parteien seien anders als in Deutschland keine Organisationen mit Grundsatzprogramm, sondern eher Dienstleister für Politiker, die mit individuellen Inhalten in ihre Wahlkämpfe gingen. Darum spielten innerparteiliche Strömungen eine große Rolle. „Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Trumpisten innerhalb der Republikaner gegen andere Strömungen durchsetzen“, sagt Freund. „Ich glaube nicht, dass wir dauerhaft republikanische Vertreter im Senat haben werden, die die Gewalt im Capitol gutheißen. Die werden innerparteilich keine Mehrheiten mehr finden.“
Dass Trump bei den Wahlen in vier Jahren nochmals antritt, hält Freund für unwahrscheinlich, nicht nur wegen der Gewalt im Kapitol, sondern auch wegen Trumps Weigerung, das Wahlergebnis anzuerkennen. „Sein Ego steht ihm im Weg. Er wollte nicht als Wahlverlierer vom Feld gehen, doch nun hat er zu viel Porzellan zerschlagen, obwohl er so viel erreicht und so viele Stimmen gewonnen hat.“Die Partei müsse sich aber nicht neu aufstellen. „Es werden neue Köpfe kommen und die werden die Position der Republikanischen Partei festlegen“, sagt Freund. Der Wandel gehe von Personen aus. Das würde voraussetzen, dass sich Trump auch ohne Amtsenthebungsverfahren von der politischen Bühne zurückzieht. Trumps Charakter entspricht das nicht. Außerdem hat er leibliche Söhne mit Ambitionen und politische Söhne wie die Senatoren Ted Cruz und Josh Hawley. Vor allem aber hat Trump kurz vor seinem Abtritt noch einmal zeigen wollen, wie sehr er das etablierte System verachtet, wie leicht es ihm fällt, Chaos zu stiften – und dass er keine Skrupel kennt.