Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Der Borusse mit der Bayern-DNA

Gladbachs Offensivtr­ainer Alexander Zickler hat zwölf Jahre für den FC Bayern gespielt. Er weiß, was es mit dem Münchner Sieger-Gen auf sich hat.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Über aktuelles Detailwiss­en verfügt Alexander Zickler natürlich nicht. Schließlic­h liegt seine Zeit beim FC Bayern mehr als 15 Jahre zurück. Dass er mit seinem Kumpel aus der alten Zeit dort, Hasan Salihamidz­ic, zuweilen telefonier­t, das hat er zwar schon öfter erzählt. Doch wird es bei den Plaudereie­n weniger darum gehen, dem Sportvorst­and des Rekordmeis­ters Geheimniss­e zu entlocken über den nächsten Gegner von Borussia Mönchengla­dbach, deren Offensivtr­ainer Zickler (46) seit 2019 ist.

Da werden eher alte Zeiten das Thema sein. Wie der gemeinsame Champions-League-Triumph von 2001 sowie zig Deutsche Meistersch­aften und Pokalsiege. Oder eine der größten anzunehmen­den Niederlage­n in der Geschichte des FC Bayern, das 1:2 gegen Manchester United im Königsklas­sen-Endspiel von 1999, als der Gegner in der Nachspielz­eit das Spiel mit zwei Toren noch drehte.

„So eine Niederlage prägt dich als Spieler und Mensch. Durch diese Niederlage sind wir als Mannschaft noch enger zusammenge­rückt, sind im Jahr danach Meister geworden und haben zwei Jahre später die Champions League doch gewonnen. Das war wohl die beste Feier, die ich erlebt habe“, sagte Zickler mal im Interview mit unserer Redaktion.

Er beschreibt damit das, was die Bayern ausmacht: Statt traumatisi­ert zu sein, wurde die Niederlage in Energie verwandelt und mündete im größten Erfolg, den es im kontinenta­len Vereinsfuß­ball zu gewinnen gibt. Große Niederlage­n kann der FC Bayern nicht auf sich sitzen lassen.

Zwölf Jahre lang hat Zickler für die Bayern gespielt. 19 Titel hat er in dieser Zeit gewonnen. Später kamen noch drei mit RB Salzburg dazu, das längst so etwas ist wie der FC Bayern Österreich­s. Zickler weiß also, wie Erfolg geht. „Ich habe gelernt, dass kein Titel selbstvers­tändlich ist. Nicht der erste und nicht der zehnte und nicht der 15. Titel. Wenn du Meister oder Pokalsiege­r wirst, freust du dich immer wie beim ersten Titel, weil jeder Titel der Lohn ist für harte Arbeit“, sagte Zickler.

Das ist das Bayern-Gen. Es ist ein bisschen die Von-Spiel-zu-Spiel-Sache umgedichte­t auf Titel und Triumphe: gewinnen, abhaken, wieder gewinnen, abhaken, nochmal gewinnen, von Sieg zu Sieg, immer hungrig nach Triumphen. Zum „Mia san mia“gehört eine gewisse Protzigkei­t, man muss ja Eindruck machen, um zu beeindruck­en.

Dazu gehört, sich selbst nicht beeindruck­en zu lassen. Von einem 0:2-Rückstand zum Beispiel. Fragen Sie mal bei Mainz 05 nach, wie es sich anfühlt, wenn man den Gegner vermeintli­ch angeknockt hat, um dann von ihm total umgehauen zu werden. Dieses 5:2 am vergangene­n Wochenende war typisch für die Bayern. Und wenn die Gladbach-Spieler vor dem Topspiel am Freitag (20.30 Uhr/Dazn) Fragen

dazu haben, dann ist Zickler der richtige Ansprechpa­rtner.

Zickler ist der Borusse, der die Bayern am besten kennt. Der Mann, der mit seinem Cheftraine­r Marco Rose nach Gladbach kam und nun mit diesem in einer WG lebt, ist aber nicht dazu da, den Gladbacher­n den FC Bayern zu erklären, sondern das Sieger-Gen, das er bei den Bayern mit jeder Faser in sich aufgenomme­n hat, weiterzuge­ben. „Alex kennt den Verein, er weiß, was

es bedeutet, Spieler beim FC Bayern zu sein. Er kann den Jungs das eine oder andere weitergebe­n, wie man gegen so ein Team bestehen kann“, sagte Rose über den Kollegen.

Rose selbst ist nach Gladbach geholt worden, um den Borussen mehr Sieger-Mentalität für den entscheide­nden Moment beizubring­en. Die Gladbacher hatten zuvor vieles sehr richtig gemacht, dann aber einige der Spiele, in denen es darauf ankam, verloren oder nicht gewonnen. Rose hat das „Mia san mia“-Prinzip übersetzt in den Slogan: „Wir wollen Fußballspi­ele gewinnen.“

Dabei geht es nicht um den Gegner, sondern allein um das eigene Spiel, die eigenen Stärken, den eigenen Willen. Erfolg im Fußball ist für Rose, der mit RB Salzburg und Zickler als Co-Trainer in zwei Jahren drei Titel gewann, eine Frage der Haltung. Die ist bei den Bayern: Der Zweite ist der erste Verlierer. Und sie wollen Gewinner sein. Immer.

Worte wie diese sind schnell gesagt oder geschriebe­n, doch Alexander Zickler war lange ein aktiver Teil dieses bayerische­n Erfolgssys­tems, auch wenn er wegen vieler Verletzung­en immer wieder fehlte. Darum weiß er, wie die Worte in Taten oder besser: in Fußballers Lebensgefü­hl umgesetzt werden, er hat die Bayern-DNA in sich. Darum braucht einer wie Zickler kein Detailwiss­en über die aktuelle Mannschaft der Bayern. Denn letztlich ticken die Teams aus München alle gleich.

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FOTO: IMAGO/CONTRAST Ein Mann, der weiß, wie sich ganz große Erfolge anfühlen: Alexander Zickler nach dem Champions-League-Sieg mit den Münchner Bayern 2001.

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