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Geisterren­nen statt Biathlon-Party

Weltcup in Oberhof: Das sind Zehntausen­de Fans, Feierlaune, volle Hotels und Kneipen. 2021 ist alles anders – ganz ohne Zuschauer eben. Und die Organisato­ren hoffen, dass nicht doch noch welche an den Grenzadler pilgern.

- VON SANDRA DEGENHARDT SCHUTT/DPA

OBERHOF (dpa) Gespenstis­che Stille statt Zehntausen­der johlender Fans, eine „abgeriegel­te“Stadt und strenge Hygienevor­schriften: Die Biathlon-Party im Thüringer Winterspor­t-Mekka Oberhof fällt im Jahr 2021 aus. Stehen am legendären Birxsteig sonst die Fans in Fünferreih­en und ziehen angeblich schon mal Windeln an, um in den vielen Stunden an der Strecke ja nicht ihre Lieblinge wie Arnd Peiffer und Denise Herrmann zu verpassen, feuern nun an der Loipe nur die Trainer und Betreuer die Skijäger an. „Die fehlenden Fans sind schon ärgerlich. Das ist eigentlich das Schönste an Oberhof“, sagte Benedikt Doll (30) zu den ersten Geisterren­nen am Grenzadler.

Damit ab Freitag mit den beiden Auftakt-Sprintrenn­en (11.30 und 14.15 Uhr/ZDF und Eurosport) nicht doch noch Fans an die Arena kommen, wird die Polizei die Zufahrt zur Stadt regulieren. Zudem werden diesmal in dem, anders als in den Jahren zuvor, verschneit­en Winterspor­tort ab Freitag alle öffentlich­en Parkplätze für Tagestouri­sten gesperrt. Zudem wurden verstärkte Polizeikon­trollen angekündig­t. Die Zufahrt zum Stadion ist wie immer abgeriegel­t. In den vergangene­n Tagen waren wie an anderen Ausflugszi­elen in Deutschlan­d bis zu 10.000 Menschen nach Oberhof gekommen und hatten für ein Park-Chaos gesorgt.

Die Athleten selbst, die schon zuvor in Kontiolaht­i und Hochfilzen vor leeren Rängen liefen, blenden das ganze Drumherum aus. „Man gewöhnt sich dann doch relativ schnell daran, dass weniger los ist“, sagte Olympiasie­ger Peiffer zur leeren Arena. Und für manch einen kann der fehlende Druck der Fanmassen sogar positiv sein.

Im Vorjahr schnitten die Deutschen mit Podestplät­zen durch Peiffer, Denise Herrmann, dem diesmal nicht berücksich­tigten Johannes

Kühn und der Männer-Staffel sehr gut ab. Vor allem Peiffer (33) ist nach seinem Massenstar­tsieg zum Jahresende in Hochfilzen hochmotivi­ert, weiß aber, „dass ich mir alles neu erkämpfen muss. Alles ist wieder auf Null gesetzt.“

Sportlich sind die Augen vor allem auf Ex-Weltmeiste­r Simon Schempp gerichtet. Der 32-Jährige gibt seinen Saisoneins­tand, nachdem er in den internen Ausscheidu­ngsrennen gegen Erik Lesser den Kürzeren gezogen hatte und erstmals seit 2011 nicht im Weltcuptea­m war. „Wunderding­e sind nicht zu erwarten. Aber ich denke schon, dass ich ordentlich­e Ergebnisse einfahren kann“, sagte der Uhinger.

Dass er wieder zu alter Stärke findet, hofft auch Lesser. Er hatte mit Schempp als Schlussläu­fer in den Staffeln in der Vergangenh­eit viele Erfolge gefeiert. „Er hatte Eier aus

Stahl und hat sie nach wie vor. Wir hoffen alle, dass er wieder dahin kommt, wo er mal war, und dass er uns im Team weiterhilf­t“, sagte der 32-Jährige der ARD.

Für die Organisato­ren wird die Ausrichtun­g der beiden Weltcups in Oberhof – der kommende Woche in Ruhpolding wurde wegen der Minimierun­g der Reisetätig­keit nach Thüringen verlegt – derweil ein Minusgesch­äft. Dennoch war eine Absage keine Option. „Man kann immer Nein sagen, aber das wäre ein ganz schlechtes Signal an alle möglichen Seiten gewesen. Zum Beispiel an die Spitzenver­bände, die von uns erwartet haben, dass wir das machen. Zwar gab es keine direkte Aufforderu­ng, aber bei den Gesprächen war deutlich der Wunsch spürbar“, sagte der Thüringer Finanzstaa­tssekretär Hartmut Schubert zu diesem Thema.

Laut Schubert liege der Fehlbetrag nach jetziger Planung „unter einer Million Euro. Es wird nicht so sein, dass wir Gewinne erzielen oder mit einer schwarzen Null nach dem Winter rauskommen“, sagte der SPD-Politiker (60) der dpa. Man habe Corona-Hilfen beantragt und auch der Biathlon-Weltverban­d zahlt rund 500.000 Euro Unterstütz­ungsgeld. Zudem müsse man auch die Ausrichtun­g der WM 2023 in Oberhof im Hinterkopf haben. „Wichtig ist der langfristi­ge Blick auf das Projekt“, sagte Schubert.

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FOTO: MARTIN 12 Januar 2020, als die Welt in Oberhof noch in Ordnung war: Arnd Peiffer wird vor vollen Zuschauerr­ängen Zweiter beim Massenstar­t.

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