Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
EX-DROGENSÜCHTIGER
Mit 14 Jahren nimmt er zum ersten Mal Drogen. Danach ist er 26 Jahre süchtig. Heute hat Sascha Schallenburger es aus der Abhängigkeit geschafft. Und will ein Vorbild sein.
Ein steiniger Weg aus der Abhängigkeit
MÖNCHENGLADBACH Sascha Schallenburger hat es geschafft. Nach 26 Jahren Drogensucht, Therapie, Rückfällen und erneuten Versuchen ist er nun seit fast drei Jahren clean. Ein schwerer Weg, der noch lange nicht zu Ende ist, sagt der 43-Jährige. Ganz am Boden war er nie – jedenfalls nicht auf existenzieller Ebene. „Ich hatte immer ein Dach über dem Kopf, war arbeiten.“Er ist stolz, es geschafft zu haben. Heute hilft er anderen Menschen, die unter ihrer Sucht leiden, will ein Vorbild sein, zeigen, dass er es geschafft hat, dass auch andere es schaffen können. Deshalb erzählt er seine Geschichte.
Sascha Schallenburger beginnt mit 14 Jahren, Cannabis zu rauchen. Für ihn eine Flucht vor der zerrütteten Situation zu Hause. Er fühlt sich allein, auf sich selbst gestellt gerät er in die falschen Freundeskreise. Zwei Jahre später greift er zu härteren Drogen, schluckt auf Partys Ecstacy, nimmt Amphetamine, bleibt dabei. „Ich habe die Schule nach Klasse neun abgebrochen, die zehn Jahre hatte ich durch eine Ehrenrunde voll“, sagt Sascha Schallenburger. „Aber zu dem Zeitpunkt war ich eh nicht mehr wirklich da. Es hat ja niemand auf mich aufgepasst, die Eltern arbeiten, ich konnte tun was ich wollte.“Der heute 43-Jährige hat damals eine persönliche Krise, findet keinen Halt. „Ich habe gemerkt, dass ich mit den Drogen meine Probleme unterdrücken kann. Das war einfacher, als an mir zu arbeiten.“
Immer wieder wechselt der Stoff, der ihm Stück für Stück sein Leben zerstört, ohne dass er es wirklich richtig merkt. Der Mönchengladbacher rutscht tiefer in die Abhängigkeit, arbeitet in Zeitarbeitsfirmen, schafft es sogar bis zur Standortleitung in einer Firma. Tagsüber arbeitet er, verdient Geld für seine Wohnung und Essen. Nachts treibt er sich in der Drogenszene herum, gibt dem Druck nach, schießt sich ins Aus.
„Bei der Arbeit ist es nie aufgefallen. Es war aber ein höllischer Druck, sich nie was anmerken zu lassen.“Zugleich hat er Jahre gebraucht, um aufhören zu wollen. „Ich war lange nicht so weit. Es ist ja auch schön, den Tag zugedröhnt vorbeiziehen zu lassen, anstatt sich dem echten Leben zu stellen. Aber dann fehlt das Geld, man möchte ja auch was essen oder mal Kleidung kaufen, ich musste arbeiten.“
Seine Beziehungen scheitern, auch für seine Kinder kann er nicht richtig da sein. Wirklich bewusst ist ihm das damals nicht, sagt der 43-Jährige heute. Auf der Straße habe er nie gelebt, sagt Sascha Schallenburger. Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem es Klick macht. Er gerät in eine Situation, die rechtlich ernsthafte Konsequenzen für ihn bedeuten kann, die fatale Auswirkungen auf sein Leben hätte. „Das war der Punkt an dem ich wusste: So kann es nicht weitergehen.“Schallenburger sucht sich Hilfe, beginnt eine Langzeittherapie. „Das war vor sieben Jahren.“Schallenburger ist von seinem eigenen Mut überrascht, doch die Entscheidung steht. „Ich hatte Angst, ich wusste nicht, was auf mich zukommt, und der Haufen an Problemen
war so groß geworden, dass ich das Gefühl hatte, ich komme niemals damit klar.“
Während der Therapie kann Schallenburger seine Kinder nicht sehen, merkt zum ersten Mal, in welchen Zustand er eigentlich war. „Es ist hart, wenn man in der Therapie zu sich kommt und versteht, dass man die Familie nicht mehr um sich hat. Ich habe mir Vorwürfe gemacht, dass es so weit gekommen ist. Dass ich nicht da war für die Leute, die ich liebe“, sagt der 43-Jährige. „Es ist ein heftiger Punkt, sich mit der Realität auseinanderzusetzen.“
Die Probleme sind schließlich noch immer da, auch wenn sie vorher verschwommen waren, sagt Schallenburger. „Ich musste lernen, anders damit umzugehen, eine bessere Lösung zu finden als davor wegzulaufen. Von der Therapie aus bin ich wieder nach Hause zurück und bin regelmäßig zur Drogenberatung gegangen, um weiter an mir zu arbeiten.“In der Therapie hat er zwei Wochen lang Schweißausbrüche,
kann nicht schlafen, bekommt Wutanfälle anderer Patienten mit. „Nach drei Wochen hatte ich das Schlimmste hinter mir und habe gemerkt, wie gut es tut, mal durchzuschlafen.“Schallenburger soll in der Therapie in die Kreativgruppe, bastelt Weihnachtskränze, verliert die Beherrschung, als die Therapeutin seine Farbauswahl kritisiert. „Ich bin laut geworden, habe das als persönlichen Angriff gesehen. Ich musste erst lernen, sachliche Kritik anzunehmen.“
Von seinem Selbstbewusstsein haben die Drogen nicht viel übrig gelassen. „Ich war immer für andere da, in der Szene hilft man sich ja. Aber ich habe mich nie um mich selbst gekümmert.“In der Therapie geht es Schallenburger gut, er macht Fortschritte, kann bald entlassen werden. „Dann kommt der schwierigste Teil“, sagt er. „In der Therapie ist man im geschützten Raum, das ist wie unter einer Käseglocke.“Er habe ein-, zweimal die Woche nach Hause gedurft, kämpfte mit sich. „Man weiß genau, da wohnt der, da wohnt der, da sitzt der und konsumiert – das triggert. Man muss die persönlichen Kontakte abbrechen, sonst funktioniert es nicht.“
2017 ist der Druck zu hoch, Schallenburger rutscht noch einmal ab, sucht sich erneut Hilfe. „Von der Sucht loszukommen, ist ein langer Prozess. Dazu gehören auch Rückfälle, aber man darf sich dadurch nicht entmutigen lassen“, betont Schallenburger. Inzwischen ist er seit knapp drei Jahren clean. „Je länger man abstinent ist, umso stärker wird man auch“, erklärt er. „Ich habe keinen Suchtdruck mehr, wenn ich etwas rieche, stinkt es für mich. Ich weiß ja, was es mit mir macht.“Er träume auch nicht mehr vom Rausch, geht auch Alkohol aus dem Weg. „Selbst im Essen, sonst wäre man schneller bereit, wieder was zu nehmen.“Wie viel Geld er für Drogen ausgegeben hat, kann Sascha Schallenburger nicht sagen. „Das waren 26 Jahre. Komme ich noch mit einer fünfstelligen Summer hin? Ich weiß es nicht.“
Schallenburger fühlt sich gefestigt, hat sein Leben wieder im Griff. Heute steht er kurz vor dem Abschluss seiner Ausbildung zum Speditionskaufmann, holt damit seinen Schulabschluss nach, hilft anderen abhängigen Mönchengladbachern, von den Drogen wegzukommen. Er macht eine Fortbildung zum Gruppenleiter, ist in Selbsthilfegruppen aktiv. „Seit diesem Jahr bin ich Fachbereichsleiter im jungen Kreuzbund“, sagt Schallenburger stolz. „Ich kann anderen zeigen, dass es geht, dass es sich lohnt, den Versuch zu wagen.“Für Sascha Schallenburger hat es sich gelohnt – nicht nur für sich selbst. Seine vier Kinder sehe er jetzt jeden Tag. „Endlich kann ich ihnen voll und ganz zeigen, wie sehr ich sie liebe.“Er hat es geschafft.