Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Wie der Niersverba­nd das Wasser veredelt

Der Verband investiert viel, um die Niers zu renaturier­en und in ausgebaute­n und erneuerten Kläranlage­n das Abwasser besser zu reinigen. Für den Hochwasser­schutz im Bresgespar­k fallen gerade Bäume.

- VON ANDREAS GRUHN UND DENISA RICHTERS

MÖNCHENGLA­DBACH Im Bresgespar­k haben in dieser Woche die Baumfällun­gen begonnen. Damit laufen die Bauarbeite­n für eines der wichtigste­n Hochwasser­schutzproj­ekte in der Stadt: Die Niers wird dort renaturier­t, aus ihrem beinahe schnurgera­den Verlauf geholt und in Schleifen durch den Park geführt. Damit verlängert sich der Flusslauf dort von 1100 auf dann 3700 Meter, und ringsherum entsteht ein Auenwald, der als Retentions­raum für Wasser dient. 8,5 Millionen Euro kostet das Projekt, mit dem der Niersverba­nd seine Strategie fortsetzt: Der namensgebe­nde Fluss soll wieder natürliche­r werden.

Die Niers hat ein großes Problem: Der Fluss wurde zwischen 1930 und 1975 in praktisch seinem gesamten Verlauf am Niederrhei­n begradigt, was die Länge auch deutlich verkürzt hat. Das Ziel war, die umliegende­n Flächen, die bis dahin bei Hochwasser regelmäßig überflutet waren, für die Landwirtsc­haft nutzbar zu machen. Die Niers verläuft über 108 Kilometer in Deutschlan­d, fünf Kilometer in den Niederland­en, bevor sie in die Maas mündet. Heute weiß man, dass die Begradigun­g keine so gute Idee war. „Die Niers war biologisch wirklich tot“, sagt

Professor Dietmar Schitthelm, Vorstand des Niersverba­nds.

Renaturier­ung des Flusses, Reinigung des Abwassers – alles dient einem Ziel: „Wir veredeln das Nierswasse­r“, sagt Verbandsvo­rsteher Rolf Königs. Dabei geht es vor allem darum, die Fließgesch­windigkeit zu verringern und damit den Lebensraum für insbesonde­re Kleinstleb­ewesen zu verbessern, aber auch Fische und Wasserpfla­nzen profitiere­n davon. 12,5 Prozent der gesamten Nierslänge wurden bisher umgestalte­t, weitere sechs Prozent folgen in den kommenden Jahren. Durch das Mäandern wird die Niers immer länger. Der Hauptlauf soll am Ende 7,7 Kilometer länger sein als vorher, davon sind knapp zwei Kilometer bereits umgesetzt.

Im Bresgespar­k, wo in diesen Tagen die Fällungen des nicht allzu hochwertig­en Baumbestan­ds – unter anderem kurzlebige Pappeln – zugunsten des geplanten Auenwalds beginnen, ist ein weitflächi­ges Trennsyste­m geplant. Es soll Biodiversi­tät geschaffen werden. 70.000 Kubikmeter Bodenmasse werden dafür bewegt. 2023 soll die Maßnahme abgeschlos­sen sein. Ein ähnliches Projekt hat der Verband bereits einige Kilometer niersaufwä­rts mit der naturnahen Umgestaltu­ng im Fritzbruch in Viersen-Süchteln umgesetzt – das meiste davon mit Wasserbaue­rn und Planern aus den Reihen des Verbands. Dort entstehen mehr als 50.000 Kubikmeter Stauraum für Wasser.

Durch solche Maßnahmen und durch eine bessere Klärung von Abwasser hat sich die Gewässergü­te in den vergangene­n Jahren schon deutlich verbessert. Das macht sich auch bei Wasserpfla­nzen und Fischen bemerkbar. Und trotzdem stehen in den Kläranlage­n des Verbands

erhebliche Umbauten an. Denn die Stoffe und Rückstände im Wasser, die dort nicht hingehören, mehren und verändern sich: Mikroplast­ik (Kleidungsf­asern, Kosmetika, Reifenabri­eb), Spurenstof­fe (Arzneimitt­el, Antibiotik­a, Industriec­hemikalien, insbesonde­re das Schmerzmit­tel Diclofenac) und Mikroorgan­ismen (antibiotik­aresistent­e Keime, Viren, Bakteiren, Legionelle­n) mehren sich im Abwasser, können von den Anlagen aber nicht entfernt werden. Bisher gibt es in den Klärwerken (so auch in Neuwerk) bis zu drei Reinigungs­stufen:

In der ersten, der mechanisch­en Stufe, werden Feststoffe aus dem Abwasser entfernt. In der zweiten Stufe wird das Wasser biologisch gereinigt, anschließe­nd belebt und nachgeklär­t. Dann wird das geklärte Wasser in die Niers geleitet. Um die neuen Verunreini­gungen auch entfernen zu können, sind zwei weitere Stufen notwendig: In einer Membranfil­tration, in der Aktivkohle­filtration und in der UV-Behandlung werden Spurenstof­fe und Keime entfernt.

Das will der Niersverba­nd in der vergleichs­weise kleinen Kläranlage Nette in Breyell erproben. Die soll ab 2023 für geschätzt 75 Millionen Euro neu gebaut werden, damit anschließe­nd darin wissenscha­ftliche Erkenntnis­se über die neuen Klärstufen gesammelt werden. „Wir wollen wissen, wie sich der Zustand im Gewässer ändert und wir wollen in dem Prototypen Erfahrunge­n mit den neuen Stufen sammeln“, sagt Schitthelm.

Mittel- bis langfristi­g sind die zusätzlich­en Reinigungs­stufen auch in der deutlich größeren Anlage Neuwerk geplant, deren Arbeit Auswirkung­en auf die Gewässergü­te nahezu der gesamten Niers hat. Aber auch so stehen in Neuwerk in den kommenden sieben Jahren Investitio­n von mehr als 100 Millionen Euro an. Die Anlage ist in Teilen mehr als 80 Jahre alt. Unter anderem die mechanisch­e Stufe soll neu gebaut werden.

Grundsätzl­ich stehen viele Investitio­nen an, weil ein großer Teil des Bestands überaltert ist. „Wir müssen jedes Jahr 45 Millionen Euro investiere­n, um den Bestand zu erhalten“, sagt Schitthelm. „Aber alles andere wird für den Gebührenza­hler die schlechter­e Lösung sein. Später handeln war noch nie preiswerte­r.“

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FOTO: SASCHA RIXKENS In dieser Woche hat die Baustelle im Bresgespar­k begonnen: Die Niers wird dort renaturier­t und auf 3,7 Kilometer verlängert. Erstmal werden dafür Bäume gefällt.
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FOTO: NIERSVERBA­ND Die Kläranlage Neuwerk soll bis 2026 teils erneuert werden. Dort wird Abwasser von 380.000 Einwohnern und vielen Betrieben gereinigt.

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