Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Eltern machen es sich oft zu einfach“

Kinder brauchen beim Lernen eines Instrument­s Unterstütz­ung – nicht nur vom Lehrer.

- SILKE JÜNGERMANN-SCHNETTLER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Wer Klavier, Posaune oder Geige spielen möchte, muss dafür möglichst regelmäßig üben. Das fällt Kindern nicht immer leicht. Gerade im Lockdown brauchen sie ihre Eltern, weil sie sonst keine Kontakte haben. Musikschul­leiter Christian Malescov erklärt, warum es beim Üben nicht nur auf Lehrer und Schüler ankommt, sondern immer auch auf die Eltern.

Angenommen mein Kind mault und hat keine Lust zu üben. Sollte es dann besser kein Instrument lernen?

MALESCOV Ich habe in den letzten 35 Jahren kein Kind erlebt, das aus eigener Motivation regelmäßig geübt hat. Ein Instrument spielen macht Kindern große Freude. Zum Üben haben sie nicht immer genauso viel Lust. Aber das eine bedingt nun mal das andere.

Wie wichtig ist die Rolle der Eltern?

MALESCOV Nur in dem Dreieck Lehrer-Eltern-Kind kann ein Kind sinnvoll ein Instrument lernen. Meiner Erfahrung nach hängt es sogar zu je 35 Prozent vom Lehrer und den Eltern ab und nur zu 30 Prozent vom Kind.

Ist denn nicht die Begabung entscheide­nd?

MALESCOV Eine Begabung eines Kindes kann sich nur in einer guten Umgebung entfalten. Schauen sie bei Bach, Mozart, Beethoven oder jedem anderen Musiker: Immer waren Eltern im Hintergrun­d, die das Kind unterstütz­t haben. Khalil Gibran hat das schön formuliert: „Ihr seid die Bögen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschic­kt werden.“

Das bedeutet Arbeit für die Eltern?

MALESCOV Natürlich. Ein Kind beim Üben zu begleiten kostet Zeit und es ist manchmal anstrengen­d. Aber seinem Kind Zeit zu schenken, gehört zur Erziehung dazu. Oft denke ich: Es fehlt nicht dem Kind an Motivation, sondern wir Eltern machen es uns zu einfach. Wir haben immer so viele andere wichtige Dinge. Aber auf eine Art sind das Ausreden. Unsere Kinder brauchen uns.

Wie viel sollte ein Kind denn üben?

MALESCOV Anfangs reichen täglich 10 bis 15 Minuten, am besten zusammen mit einem Erwachsene­n, auch wenn er das Instrument nicht spielt. Der Vater oder die Mutter kann auch in den Unterricht mitkommen.

Sollen Kinder nicht selbststän­dig sein?

MALESCOV Alles zu seiner Zeit. Das wird in der Pubertät wichtig. Kinder brauchen Führung. Das gibt ihnen Halt. Sie haben noch keinen Überblick. Wenn die Eltern konsequent sind, gibt es auch keine langen Diskussion­en.

Eltern sollen also auch Disziplin verlangen ?

MALESCOV Selbstvers­tändlich. Wir haben zu Disziplin ein unentspann­tes Verhältnis. Nennen wir es Konsequenz. Zu viel Strenge ist nicht gut, aber völliges Laissez-faire auch nicht.

Haben Sie selbst als Kind gerne geübt?

MALESCOV Natürlich fand ich es als Achtjährig­er doof, wenn ich erst eine Stunde Klavier üben musste, bevor ich Fußball spielen durfte. Später war ich meiner Mutter sehr dankbar für ihre Klarheit.

Dürfen Eltern auch Druck machen?

MALESCOV Vorwürfe halte ich für fatal. Es tut dem Selbstwert des Kindes nicht gut, wenn die Eltern enttäuscht sind. Aber ich habe kein Problem damit, dass das Handy

einkassier­t wird, wenn ein Kind seine Aufgaben nicht erledigt. Zugespitzt gesagt: Erziehung ist immer auch ein bisschen Erpressung. Aber im Sinne des Kindes. Ich habe schon oft von Erwachsene­n gehört, dass sie ihren Eltern im Rückblick dafür dankbar sind, dass sie ihnen wenn nötig Dampf gemacht haben. Manche hätten sich das sogar mehr von ihren Eltern gewünscht.

Was motiviert Kinder wirklich?

MALESCOV Kein Kind übt, weil es Beethoven oder Mozart toll findet. Sondern weil der Lehrer an es glaubt und weil es so groß sein möchte, wie der Lehrer es sieht. Nur ein Lehrer, der für etwas brennt, kann ein Feuer entfachen.

Was sollten Eltern tun, wenn es Stress beim Üben gibt?

MALESCOV Dann ist wichtig, das Gespräch mit dem Lehrer zu suchen. Man sollte bloß nicht gleich das Handtuch werfen. Sie glauben nicht, wie oft ich schon von Erwachsene­n gehört habe: In der Pubertät habe ich mit dem Instrument aufgehört. Heute bereue ich es.

Zu welchen Maßnahmen greifen Sie, wenn es mit dem Üben nicht läuft?

MALESCOV Ich habe schon Schüler täglich zum Üben in die Musikschul­e bestellt. Das ist meist sehr wirkungsvo­ll. Manchen Kindern hilft es, wenn sie Übepläne schreiben. Andere halten mich über Handy-Nachrichte­n auf dem Laufenden.

Sind Sie eigentlich streng?

MALESCOV Ich würde sagen nein, ich habe eine sehr gute Beziehung zu meinen Schülern. Aber ich fordere auch etwas von ihnen. Das sind sie mir wert.

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FOTO: ILGNER Keine Lust aufs Üben? So wie Elisa geht es jedem Kind manchmal. Der Musikschul­leiter gibt Motivation­s-Tipps.
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FOTO: DETLEF ILGNER Christian Malescov in der Musikschul­e.

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