Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Zeigt den Bayern, dass ihr Kerle seid!
Der Ex-Borusse schreibt über die Sieger-Gene des FC Bayern München und sagt, wie Borussia gegen den Rekordmeister etwas ausrichten kann.
Als ich 1988 vom TSV Milbertshofen zum FC Bayern kam, war mir sofort klar: ,Wenn du hier spielst, musst du das Miasan-mia-Denken haben, sonst bist du falsch.’ Dazu gehört, dass du in jede Saison gehst mit dem Ziel, Meister zu werden. Etwas anderes kommt gar nicht in Frage. Das wird dir in jüngster Jugend an der Säbener Straße eingebläut und irgendwann hast du das einfach verinnerlicht. Genau so gehst du dann auch auf den Platz: Du willst immer gewinnen und sonst nichts. Das treibt dich an. Nehmen wir Thomas Müller. Der hat schon zig Titel gewonnen und will immer noch mehr und mehr. Dieser Kerl personifiziert das Sieger-Gen des FC Bayern.
Dass für die Bayern Erfolg zur Selbstverständlichkeit geworden ist, liegt daran, dass der Klub seinen Standard über 50 Jahre gehalten hat. Die Qualität ist gigantisch. Als ich dort gespielt habe, hatten wir 16 Nationalspieler. So etwas macht dich besser, weil man sich an denen oben orientiert. Eine Trainingseinheit an der Säbener Straße war manchmal schwerer als ein Spiel am Samstag, weil die Gegenspieler einfach besser waren.
Der Siegeswille der Bayern hat sich jetzt auch gegen Mainz gezeigt: 0:2 zur Pause und dann fünf Tore in einer Halbzeit, da muss ich nicht mehr viel erklären. Wenn die Bayern so spielen wie da, wenn sie derart ins Rollen kommen, können sie jeden Gegner abschießen. Aber das Spiel gegen Mainz hat auch gezeigt, dass die Bayern anfällig sind, wenn man sie attackiert und mutig ist. Das ist der Fehler der meisten Teams, die gegen den FC Bayern spielen: Sie kommen und hoffen, nicht zu sehr auf die Mütze zu kriegen. Falsch! Ich kann nur sagen: Zeigt den Bayern, dass ihr Kerle seid!
Borussia muss ich das eigentlich nicht erklären, sie ist ja in den vergangenen Jahren eine Art Angstgegner der Bayern. Vergangene Saison war ich beim 2:1-Sieg im Stadion. Wenn es da 4:0 für die Bayern zur Pause gestanden hätte, hätte niemand etwas sagen können. Aber dann hat Borussia das Ding noch gedreht, weil die Bayern ein paar Prozent nachgelassen haben und Borussia plötzlich die Bayern attackierte.
Wichtig ist: Du darfst dich nicht zu sehr beeindrucken lassen und möglichst nicht zu schnell und zu hoch in Rückstand geraten. Dass der Faktor Glück in den Spielen gegen die Bayern eine Rolle spielt, ist klar. Aber man muss es sich verdienen.
So oder so: Es wird eine Riesenaufgabe.
Vor allem wegen Robert Lewandowski. Wahnsinn, was der spielt, der macht im Moment aus zwei Chancen drei Tore. Er ist absolut zu Recht Spieler des Jahres 2020 geworden. Da sind Matthias Ginter und Nico Elvedi gefordert, ich bin gespannt, wie sie das hinkriegen. Es ist wie bei Romelu Lukaku. Da haben sie ein Riesenspiel gemacht und am Ende hatte er zwei Tore erzielt.
Klar ist: Borussia muss gegen die Bayern ganz anders auftreten als zuletzt in den Heimspielen. Letzte Saison hat Gladbach zu Hause extrem stark gespielt und die Basis für Platz vier gelegt. Auf dem Level ist Marco Roses Team noch nicht wieder in dieser Saison. Was mir aufgefallen ist: die Probleme bei den Standards. Wenn die Bälle in den Strafraum fliegen, mache ich jedes Mal die Augen zu, weil es lichterloh brennt. Daran muss Rose arbeiten. Dringend.
Generell fehlen in meinen Augen im Vergleich zur vergangenen Saison noch zehn bis 15 Prozent. Das macht sich vor allem bei den Punkten bemerkbar. Wenn Borussia aber Leistungen wie in der Champions League in Mailand oder Madrid bringt, kann sie viel schaffen. Auch, am Freitagabend die Bayern zu ärgern.
Thomas Kastenmaier kam 1990 vom FC Bayern nach Gladbach. Er machte von 1990 bis 1998 insgesamt 209 Spiele für Borussia (47 Tore). Er betreibt eine Fußballschule und ist Mitglied der Weisweiler Elf. Der 54-Jährige gehört zum Kolumnisten-Kreis unserer Redaktion, der sich exklusiv mit Themen rund um Borussia beschäftigt.