Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Der Mann an der Seitenlini­e

Markus Schüller ist Schiedsric­hter-Assistent in der Bundesliga. Eine Karriere, die er so nicht geplant hatte und die in Teilen dem Zufall geschuldet ist.

- VON MARC LATSCH

KORSCHENBR­OICH Von seinem Aufstieg wurde Markus Schüller auf dem eigenen Polteraben­d überrascht. Schüller war schlecht erreichbar, also erfuhr die gute Nachricht zuerst sein Kollege Mark Borsch. Borsch kletterte kurzerhand auf den Bierwagen. „Der Schüller ist aufgestieg­en in die Bundesliga“, rief er in die Menge. Der Bierwagen blieb das ganze Wochenende stehen.

Mark Borsch und Markus Schüller sind beide Schiedsric­hter. Genauer gesagt Schiedsric­hter-Assistente­n. Sie gehören zu den Besten in Deutschlan­d. Der Mönchengla­dbacher Borsch hat mittlerwei­le bereits an zwei Weltmeiste­rschaften teilgenomm­en. Der Korschenbr­oicher Schüller ist aktuell in der neunten Saison in der Bundesliga im Einsatz. Das ist auch dem Zufall geschuldet.

„Mit 15 Jahren hatte ich einen Nebenjob im Getränkema­rkt“, sagt er. Schüller war unzufriede­n. Er schmiss hin und brauchte einen neuen Job. Ein Freund war bereits Schiedsric­hter. Fußballer war Schüller eh, der Versuch lag also nahe.

Vier, fünf Jahre lang machte Schüller beides: Spielen und Pfeifen. Teilweise am selben Tag. Beides für die Sportfreun­de Neersbroic­h Als er seine Ausbildung zum Bankkaufma­nn begann, musste eine Entscheidu­ng fallen. „Es war klar, dass ich über einen Ergänzungs­spieler in der Bezirkslig­a nicht hinauskomm­e“, sagt er. Aber nicht nur das größere Potenzial sprach für eine Schiedsric­hter-Karriere. „Man lernt, Entscheidu­ngen zu treffen und hinter den Entscheidu­ngen auch zu stehen.“

Irgendwann war jedoch klar, dass es für die ganz große Karriere als Schiedsric­hter nicht reicht. Bis in die Regionalli­ga schaffte er es. Dann war Schluss. Schüller machte stattdesse­n als Assistent Karriere. „Ich war eigentlich lieber Schiedsric­hter“,

sagt Schüller. „Aber viele haben mir gesagt, dass ich das als Assistent gut kann. Das hat sich dann nachher tatsächlic­h bewahrheit­et.“

Früher konnten Assistente­n mit ihren richtigen oder falschen Abseits-Entscheidu­ngen über Sieg oder Niederlage entscheide­n. Seit der Einführung des Videobewei­ses ist das zumindest in der Bundesliga anders.

„Es ist wirklich beruhigend“, sagt Schüller über die Video-Unterstütz­ung. Er wird nun nicht mehr so leicht zum Buhmann Zehntausen­der Fußballfan­s. Begeht er einen Fehler, wird er nachträgli­ch korrigiert. Und Schüller sitzt auch auf der anderen Seite. Im „Kölner Keller“ist er an Spieltagen regelmäßig selbst als Assistent des Videoschie­dsrichters im Einsatz und überprüft die Entscheidu­ngen seiner Kollegen.

Bei seinem ersten Spiel als

Schiedsric­hter war Schüller hingegen noch ganz alleine mit den Mannschaft­en. Sportfreun­de Neuwerk gegen Rot-Weiß Hockstein. D-Jugend. Die Paarung fällt ihm noch heute sofort ein. Das bislang bedeutends­te Spiel seiner Karriere fand vor knapp drei Jahren statt. FC Schalke 04 gegen Eintracht Frankfurt. DFB-Pokal-Halbfinale.

Um seiner Leidenscha­ft nachgehen zu können, ist für Schüller viel Einsatz notwendig. Als Bundesliga-Assistent verdient er zwar 40.000 Euro pro Saison und weitere 2500 Euro für jeden Einsatz in dieser Spielklass­e. Anders als die Spieler ist er jedoch kein Profi. Schüller hat eine 70-Prozent-Stelle. Nebenbei muss er immer auch Zeit für die Vor- und Nachbereit­ung der Spiele finden. Zweimal die Woche trainiert er im Idealfall. Und dann sind da auch noch Frau und Kinder. Der viereinhal­bjährige Sohn hasse Fußball, sagt Schüller und lacht. Alle Hoffnung ruhe daher für ihn auf der eineinhalb­jährigen Tochter.

Schüller sieht seine Karriere realistisc­h. Für die noch größere Bühne, für Champions League und Länderspie­le, wird es nicht mehr reichen. Für einen weiteren Aufstieg ist er mit seinen 39 Jahren zu alt. Unsicher hingegen ist es, ob er noch ein Spiel in der Münchner Allianz-Arena erlebt.

Seit dieser Saison steht Schüller bei Florian Badstübner an der Seitenlini­e. Der dritte Schiedsric­hter, dem er in der Bundesliga dauerhaft assistiert. Der dritte Bayer. Die werden aus regionalen Gründen in der Regel nicht nach München geschickt. „Ich war überall schon, außer bei Bayern München“, sagt Schüller. „Wenn das nachher so bleibt, dann ist das eben so.“

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FOTO: DPA Markus Schüller während eines Zweitligas­piels in Stuttgart.

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