Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Man sieht sich!
In der Pandemie ist alles stillgelegt. Alles? Nein. Einige unbeugsame Händler, Gastronomen und Kreative zeigen Durchhaltewillen. Wir sollten sie unterstützen, um sie zu behalten.
Neulich bin ich durch die Gladbacher Innenstadt gelaufen. Vom Sonnenhausplatz auf die Hindenburgstraße. Es war früher Nachmittag an einem Wochentag – und es wirkte wie an einem Sonntagmorgen im trüben Herbst. Gähnende Leere, wo sonst viele Menschen unterwegs sind. In den meisten Schaufenstern kleben zwar Rabatt-Plakate, doch dahinter brennt kein Licht. Die Türen sind verschlossen. Das Minto hat nur in Teilen geöffnet. Hier ein Kiosk, dort ein Optiker. Ansonsten nichts.
Doch je genauer ich hinschaute, desto mehr entdeckte ich schließlich: Die Buchhandlung an der Friedrichstraße, vor der eine Desinfektionsstation aufgebaut ist und deren Inhaberin mit ihrem Team zuvor bestellte Bücher an die Kunden herausgibt. Es laufe ganz gut, sagte sie. Die Konditorei gegenüber war geöffnet. Der Spielwarenladen einige Häuser weiter gab ebenfalls Ware zum Abholen heraus. Und im Restaurant daneben holten sich Hungrige Essen „to go“ab.
Auf dem kurzen Weg wurde vieles deutlich: Die Pandemie und der jetzt noch verlängerte Lockdown schießen uns alle quasi auf einen anderen Planeten. Unsere gewohnte Umgebung wirkt wie fremd. Und doch blitzt das auf, was unsere Stadt zu etwas Besonderem macht: Durchhaltewillen und Kreativität, ohne sich von der Schwere der Situation und der Existenzangst aus der Bahn werfen zu lassen. Auf der anderen Seite Treue und Wertschätzung, weil vielen Menschen klar ist – vielleicht auch erst durch die Pandemie bewusst geworden ist –, was sie in ihrer Stadt wertschätzen und keinesfalls missen möchten.
So findet die Kultur über digitale Formate, Auftritte und Botschaften unter freiem Himmel Wege zu ihren Fans. Chöre singen, ohne sich zu sehen, Kabarettisten geben sich virtuell das Mikro in die Hand. Vom Karneval wird in der Hochphase der pandemisch angepassten Session auch noch einiges zu erwarten sein.
Hunderte Gastronomen stadtweit kochen seit Monaten zum Mitnehmen. Damit machen sie nur einen Bruchteil des Umsatzes normaler Zeiten, aber der Kontakt zu ihren Gästen bleibt. Man sieht sich. Und vergisst sich nicht.
Auch die Politik tickt anders. Der neue Oberbürgermeister Felix Heinrichs bleibt mangels Terminen für viele seiner Bürger nur virtuell sichtbar. Was dem nach der Wahl im September noch spektakulär scheinendem Wechsel an der Rathaus-Spitze nun etwas Fiktionales verleiht. Verstärkt wird der Eindruck, weil den üblichen politischen Scharmützeln die Bühne fehlt. Selbst in den wenigen Präsenz-Sitzungen geht es bei reduzierter Teilnehmerzahl und geschrumpfter Tagesordnung friedlich zu. Alles wird kürzer und effizienter. Man könnte sich daran gewöhnen, aber nur für den Augenblick. Denn die Reibung unterschiedlicher Positionen ist unverzichtbare Zutat der Demokratie.
Es ist eine anstrengende Zeit für uns alle. Und das ganze Ausmaß der Pandemie – gesundheitlich und wirtschaftlich – wird sich erst noch zeigen. Doch es gibt Lichtblicke, Zusammenhalt, Kreativität, den Wirt unseres Vertrauens, die Händlerin, den Künstler, die Sänger, die unser Leben doch auch leicht machen. Unterstützen wir sie! Und nicht vergessen: Auch ein bisschen Spaß muss sein.