Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Vorhang zu“im Alt Eicken

Nach 22 Jahren haben Rolf und Marita Zingsem ihre Kneipe für immer geschlosse­n. Bei aller Wehmut ist es doch eine Befreiung für das Paar.

- VON ANIKA RECKEWEG FOTOS: ANIKA RECKEWEG

Von außen lässt nichts erkennen, welche schwere Entscheidu­ng Rolf und Marita Zingsem hinter den Türen des Alt Eicken getroffen haben. Nach 22 Jahren haben sie das Alt Eicken zum Lockdown ein letztes Mal abgeschlos­sen. Schon 2016 sei der Versuch gescheiter­t, das Lokal mithilfe eines Pächters fortbesteh­en zu lassen. Das habe nicht so funktionie­rt, wie sich die Gastronome­n das vorgestell­t hatten. Aus gesundheit­lichen Gründen fiel Zingsem damals aus, seine Frau Marita übernahm das Geschäft allein von der Pächterin zurück. „Ohne die Unterstütz­ung unserer Freunde und Vereine, die hier immer zu Besuch waren, wäre das nicht möglich gewesen“, betont Zingsem. „Damals hat man gemerkt, wie froh die Leute waren, dass wir zurückkame­n. Am ersten Abend war es so rappelvoll, als gäbe es Freibier.“

Lange suchten die Zingsems nach einem Nachfolger, sprachen mit verschiede­nen Brauereien – ohne Ergebnis. „Wir haben so viel Herzblut ins Lokal gesteckt, da wollten wir es guten Gewissens übergeben.“Dann, endlich, fand sich der richtige Nachfolger. Doch Corona machte dem Plan einen Strich durch die Rechnung, er sprang wieder ab. „Am Ende hat Corona die Entscheidu­ng für uns getroffen, wir

hatten aber wenigstens gehofft, noch eine kleine Abschiedsf­eier machen zu können.“Immerhin habe es ja 2016 schon einmal eine gegeben.

Zingsem blickt sich wehmütig in seinem Lokal um. „Bis zum Umzug in den Nordpark waren wir hier in der Einflugsch­neise für die Fans von Borussia Mönchengla­dbach“, so Zingsem. An seinen Tischen unterschri­eben Spieler ihre Verträge, feierten mit ihren Fans, entstanden

Freundscha­ften fürs Leben. „Wir haben hier sehr viele Menschen kennengele­rnt.“Gern erinnert er sich an die Zeit zurück, als die Fans beim Spiel gegen Liverpool kurz vor Feierabend noch einmal richtig Stimmung ins Lokal brachten. Als das Prinzenpaa­r im vergangene­n Jahr mit großem Trara und Tamtam das Ende der Karnevalst­age feierten. Als unzählige lokale Künstler ihre Vernissage bei ihm abhielten. „Ich wollte dafür nie bezahlt werden, aber immer ein Ausstellun­gsstück“, sagt Zingsem. Entspreche­nd groß und vielfältig sei seine Sammlung. Ein Exemplar liegt ihm besonders am Herzen: Das Gemälde der Kinder aus dem Montessori-Kindergart­en, den das Alt Eiken regelmäßig mit Sachspende­n unterstütz­t hat. „Die Idee entstand, als wir eine Figur, einen dicken Koch mit einer Pfanne, auf der Theke stehen hatten und da abends ein paar Münzen drin fanden.“

Es sind unzählige Geschichte­n, die sich im Alt Eicken abspielten. Doch nun heißt es: Vorhang zu. Das Haus ist verkauft, er selbst ist seit Anfang des Jahres Mieter. So lange, bis er möglichst viel von seiner Einrichtun­g in gute Hände gegeben hat. Einiges hat er schon abgegeben. Die großen Borussia-Bilder etwa, die künftig im Mana Mana am Alten Markt hängen werden. Doch vieles wartet noch auf eine E-Mail von Interessen­ten.

Zingsem hat die Entscheidu­ng nicht gern getroffen, blickt aber der kommenden Zeit optimistis­ch entgegen. „Wir sind jetzt frei, können mit der Familie wieder enger zusammenrü­cken, sonst mussten wir zum Beispiel an Feiertagen immer arbeiten“, so der 63-Jährige. „Das Alt Eicken ist Geschichte. Aber vielleicht gibt es ja irgendwann mal ein Neu Eicken.“

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FOTO: DETLEF ILGNER Die Tische und Stühle im großen Saal sind schon hochgestel­lt. Rolf Zingsem schließt den Vorhang der Bühne. Die Geschichte­n werden sich die Leute aber noch lang erzählen, ist er sicher.
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FOTO: JANA BAUCH An den geschlosse­nen Anblick haben sich die Leute schon durch Corona gewöhnt. Die Türen des Alt Eicken bleiben aber auch nach dem Lockdown zu.
 ??  ?? Selbst in den Fenstern steckt Geschichte, sagt Rolf Zingsem. Die Elemente hat er eigens anfertigen lassen – mit Mönchengla­dbacher Bezug.
Selbst in den Fenstern steckt Geschichte, sagt Rolf Zingsem. Die Elemente hat er eigens anfertigen lassen – mit Mönchengla­dbacher Bezug.
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Das Kaminzimme­r hat Rolf Zingsem umgebaut.

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