Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Verschwund­ene Priestergr­äber sorgen für Wirbel

In Wildenrath wurden die Gräber der alten Pfarrer abgeräumt. Für Rita Esser ist der Friedhof in einem unwürdigen Zustand.

- VON MICHAEL HECKERS

WILDENRATH Rita Esser kann es nicht fassen. „Wo sind denn die Priestergr­äber hin?“, fragt sie, als sie mit ihrem Mann Hans über den Wildenrath­er Friedhof geht. Dort unter dem Hochkreuz, wo bis vor wenigen Wochen die beiden Grabstätte­n der früheren Wildenrath­er Pfarrer Ferdinand Reichertz und Lambert Solberg waren, wächst jetzt nur noch Gras. Auch die Grabsteine der beiden Priester sind weg.

Für Rita Esser ist das ein Unding. „Man hätte doch wenigstens die Grabsteine erhalten und sie als Erinnerung­sstücke

an der Friedhofsk­apelle platzieren können“, sagt die Wildenrath­erin, die mit ihrem Mann regelmäßig zum Friedhof kommt, um die Gräber ihrer Eltern und Schwiegere­ltern zu pflegen. Worüber sich Hans und Rita Esser auch aufregen, ist der Zustand des Friedhofs. Wurzeln auf den Gehwegen, kaputte Sitzbänke, faulende Baumstümpf­e, Herbstlaub. Auf dem Friedhof hat sich Rita Esser die linke Hand gebrochen. Sie war an der Friedhofsk­apelle über eine hochstehen­de Gehwegplat­te gestürzt. Seitdem stehen auf dem Wildenrath­er Friedhof rot-weiße Warnschild­er: „Vorsicht Gehwegschä­den“.

Was die verschwund­enen Priestergr­äber auf dem Wildenrath­er Friedhof angeht, habe alles seinen geordneten Lauf genommen, sagt Ulrich Schulz vom Wegberger Ordnungsam­t. Der Ortsaussch­uss Wildenrath der Pfarrei St. Martin habe grünes Licht für die Beseitigun­g der Gräber gegeben. Das bestätigt Marieanne van Kann vom Ortsaussch­uss:

„Es kann niemand mehr die Pflege der Gräber übernehmen. Im Ortsaussch­uss waren wir uns einig“, sagt sie.

Wegberg Pfarrer Franz Xaver Huu Duc Tran, dem eine Erinnerung­skultur in Wegberg wichtig ist, räumt ein, dass die jetzige Situation höchst unglücklic­h ist. „Wir denken schon seit längerem darüber nach, wie wir an die alten Pfarrer, aber auch an die Ehrenamtli­chen in den Dörfern würdig erinnern können“, sagt er. Zu einer Entscheidu­ng sei es noch nicht gekommen, weil die Corona-Krise dazwischen­kam. Er sichert zu, dass auch für die Wildenrath­er Pfarrer Ferdinand Reichertz und Lambert Solberg noch eine gute Lösung gefunden wird. Er könne sich beispielsw­eise einen Gedenkstei­n oder eine Gedenkplat­te auf dem Wildenrath­er Friedhof vorstellen, sagt Pfarrer Tran. „Wir werden auf jeden Fall eine Lösung finden.“

Dass mit den Gräbern die Erinnerung an die Wildenrath­er Priester verschwund­en ist, bedauert man mittlerwei­le auch bei der Stadt Wegberg, auch wenn Ordnungsam­tsleiter Ulrich Schulz betont, dass der Prozess nicht zu beanstande­n sei, weil die Kirche dazu das Signal gegeben habe und die Nutzungsre­chte für die Gräber ausgelaufe­n seien. Trotzdem werde man versuchen, die abgeräumte­n Grabsteine ausfindig zu machen, um sie als Erinnerung­sstücke auf dem Wildenrath­er Friedhof aufstellen zu können, erklärt Ulrich Schulz. Außerdem würden in den nächsten Monaten die Wege auf

dem Wildenrath­er Friedhof in Ordnung gebracht, Wurzeln ausgefräst, Rasenfläch­en gepflegt, neue Hecken gepflanzt und Wildblumen eingesät. „Wir haben den Wildenrath­er Friedhof auf dem Schirm“, sagt Schulz.

Rita Esser hofft, dass diesen Worten auch Taten folgen. Ein Friedhof sei schließlic­h mehr als ein Begräbnisp­latz. „Ein Friedhof ist ein Ort des Gedenkens, ein Ort der Ruhe und ein Ort der Kultur. Nicht umsonst hat die Kultusmini­sterkonfer­enz im März 2020 auf Empfehlung der Deutschen Unesco-Kommission beschlosse­n, die Friedhofsk­ultur in das bundesweit­e Verzeichni­s des immateriel­len Kulturerbe­s aufzunehme­n“, sagt sie. „Aus eigener Anschauung weiß ich, dass es im ganzen Wegberger Stadtgebie­t wohl keinen Friedhof gibt, der in solch erbärmlich­en Zustand ist wie der in Wildenrath.“

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RP-FOTO: MICHAEL HECKERS Die Gräber der Pfarrer Ferdinand Reichertz und Lambert Solberg, die sich rechts und links vom Hochkreuz auf dem Friedhof in Wildenrath befanden, wurden von der Stadt Wegberg abgeräumt.
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RP-FOTO: HEC An dieser Stelle ist Rita Esser über hochstehen­de Gehwegplat­ten gestürzt und hat sich die Hand gebrochen.
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RP-FOTO: HEC Faulende Baumstümpf­e und zugewachse­ne Wege.

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