Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Verschwundene Priestergräber sorgen für Wirbel
In Wildenrath wurden die Gräber der alten Pfarrer abgeräumt. Für Rita Esser ist der Friedhof in einem unwürdigen Zustand.
WILDENRATH Rita Esser kann es nicht fassen. „Wo sind denn die Priestergräber hin?“, fragt sie, als sie mit ihrem Mann Hans über den Wildenrather Friedhof geht. Dort unter dem Hochkreuz, wo bis vor wenigen Wochen die beiden Grabstätten der früheren Wildenrather Pfarrer Ferdinand Reichertz und Lambert Solberg waren, wächst jetzt nur noch Gras. Auch die Grabsteine der beiden Priester sind weg.
Für Rita Esser ist das ein Unding. „Man hätte doch wenigstens die Grabsteine erhalten und sie als Erinnerungsstücke
an der Friedhofskapelle platzieren können“, sagt die Wildenratherin, die mit ihrem Mann regelmäßig zum Friedhof kommt, um die Gräber ihrer Eltern und Schwiegereltern zu pflegen. Worüber sich Hans und Rita Esser auch aufregen, ist der Zustand des Friedhofs. Wurzeln auf den Gehwegen, kaputte Sitzbänke, faulende Baumstümpfe, Herbstlaub. Auf dem Friedhof hat sich Rita Esser die linke Hand gebrochen. Sie war an der Friedhofskapelle über eine hochstehende Gehwegplatte gestürzt. Seitdem stehen auf dem Wildenrather Friedhof rot-weiße Warnschilder: „Vorsicht Gehwegschäden“.
Was die verschwundenen Priestergräber auf dem Wildenrather Friedhof angeht, habe alles seinen geordneten Lauf genommen, sagt Ulrich Schulz vom Wegberger Ordnungsamt. Der Ortsausschuss Wildenrath der Pfarrei St. Martin habe grünes Licht für die Beseitigung der Gräber gegeben. Das bestätigt Marieanne van Kann vom Ortsausschuss:
„Es kann niemand mehr die Pflege der Gräber übernehmen. Im Ortsausschuss waren wir uns einig“, sagt sie.
Wegberg Pfarrer Franz Xaver Huu Duc Tran, dem eine Erinnerungskultur in Wegberg wichtig ist, räumt ein, dass die jetzige Situation höchst unglücklich ist. „Wir denken schon seit längerem darüber nach, wie wir an die alten Pfarrer, aber auch an die Ehrenamtlichen in den Dörfern würdig erinnern können“, sagt er. Zu einer Entscheidung sei es noch nicht gekommen, weil die Corona-Krise dazwischenkam. Er sichert zu, dass auch für die Wildenrather Pfarrer Ferdinand Reichertz und Lambert Solberg noch eine gute Lösung gefunden wird. Er könne sich beispielsweise einen Gedenkstein oder eine Gedenkplatte auf dem Wildenrather Friedhof vorstellen, sagt Pfarrer Tran. „Wir werden auf jeden Fall eine Lösung finden.“
Dass mit den Gräbern die Erinnerung an die Wildenrather Priester verschwunden ist, bedauert man mittlerweile auch bei der Stadt Wegberg, auch wenn Ordnungsamtsleiter Ulrich Schulz betont, dass der Prozess nicht zu beanstanden sei, weil die Kirche dazu das Signal gegeben habe und die Nutzungsrechte für die Gräber ausgelaufen seien. Trotzdem werde man versuchen, die abgeräumten Grabsteine ausfindig zu machen, um sie als Erinnerungsstücke auf dem Wildenrather Friedhof aufstellen zu können, erklärt Ulrich Schulz. Außerdem würden in den nächsten Monaten die Wege auf
dem Wildenrather Friedhof in Ordnung gebracht, Wurzeln ausgefräst, Rasenflächen gepflegt, neue Hecken gepflanzt und Wildblumen eingesät. „Wir haben den Wildenrather Friedhof auf dem Schirm“, sagt Schulz.
Rita Esser hofft, dass diesen Worten auch Taten folgen. Ein Friedhof sei schließlich mehr als ein Begräbnisplatz. „Ein Friedhof ist ein Ort des Gedenkens, ein Ort der Ruhe und ein Ort der Kultur. Nicht umsonst hat die Kultusministerkonferenz im März 2020 auf Empfehlung der Deutschen Unesco-Kommission beschlossen, die Friedhofskultur in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen“, sagt sie. „Aus eigener Anschauung weiß ich, dass es im ganzen Wegberger Stadtgebiet wohl keinen Friedhof gibt, der in solch erbärmlichen Zustand ist wie der in Wildenrath.“