Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Frust bei Händlern im Lockdown
Manche Unternehmen in Korschenbroich haben Umsatzrückgänge bis zu fast 100 Prozent. Die Kritik an der Politik nimmt zu, weil die Überbrückungshilfen nicht anlaufen und die bürokratischen Hürden zu hoch sind.
Manche Unternehmen haben Umsatzrückgänge bis zu 100 Prozent. Die Kritik an der Politik nimmt zu, weil Überbrückungshilfen nicht anlaufen.
KORSCHENBROICH Der erneute Lockdown seit Mitte Dezember macht den Korschenbroicher Einzelhändlern teilweise extrem zu schaffen. Umsatzrückgänge bis zu 100 Prozent sind keine Seltenheit, wie eine Umfrage bei einigen Unternehmen ergab. Die Händler haben zwar Verständnis für die Corona-Maßnahmen, einige fühlen sich aber von der Politik im Stich gelassen. Denn Anträge zu den Überbrückungshilfen können noch nicht gestellt werden. Zudem seien die Bestimmungen, die bislang bekannt sind, zu bürokratisch und würden viele Händler ausschließen, so die Kritik.
„Ich habe einen Umsatzrückgang von nahezu 100 Prozent“, erzählt Hans-Willy Eßer, Inhaber des gleichnamigen Sportgeschäfts in der Sebastianusstraße. „Ich hatte gerade mal zwei Kunden in den vier Wochen.“Besonders bitter: Insbesondere die Woche vor Weihnachten sei normalerweise die umsatzstärkste Zeit des Jahres.
Um seine Existenz müsse er zwar nicht fürchten, so Eßer. Denn er arbeitet zudem als Lehrer an der Gesamtschule Rheydt-Mülfort. „Sollte dieser Lockdown aber noch drei Monate andauern, wird es eng.“Deshalb hofft er, sein Geschäft, das seit 25 Jahren fester Bestandteil des Korschenbroicher Einzelhandels ist, im Februar, spätestens März, wieder öffnen zu können.
Von der Politik fühlt er sich ähnlich alleingelassen wie Bernhard Eßer, Inhaber des Modehauses Steigels. „Ich bin schwer enttäuscht darüber, was an Hilfen geplant ist“, sagt Eßer, der 1999 den Familienbetrieb von seinen Schwiegereltern übernommen hat und in diesem Jahr das 75-jährige Jubiläum des Modehauses feiern möchte.
Nach einem Gespräch mit seinem Steuerberater hatte er den Eindruck, die Politik habe die Zahlen bewusst so angesetzt, dass nur wenige Selbstständige etwas von den geplanten Überbrückungshilfen sehen werden. Hinzukomme, dass die Antragsverfahren offenbar erneut sehr aufwändig seien und wieder „prüfende Dritte“– also Steuerberater – hinzugezogen werden müssen. Diese würden bereits Pauschalen von 2000 Euro für Beratungen ansetzen, so Eßer. Um seine Existenz müsse er zwar nicht fürchten, sagt er, doch das Eigenkapital werde zusehends aufgezehrt. „Wir haben ein sechsstelliges Minus, aber kaputtgehen werden wir nicht.“
Diese Zuversicht hat auch Christoph Kamper, Inhaber des gleichnamigen Schuhhauses. Der Familienbetrieb ist seit 1878 im Ortskern auf der Steinstraße ansässig. Da seine Fixkosten überschaubar seien, „bin ich auch nicht existenziell bedroht“. Vielen seiner Kollegen gehe es anders: Laut einer Umfrage einer Fachzeitschrift fühlen sich 82 Prozent der Schuhhändler stark bedroht. „Dieser erneute Lockdown trifft uns aber auch massiv.“
Dabei können Schuhe, Kleidung und andere Artikel derzeit sehr wohl gekauft werden. Wie andere Einzelhändler auch, berät Kamper seine
Kunden per Anruf oder Mail. Ware könne geordert, kontaktlos übergeben und bezahlt werden. Anprobiert wird zu Hause. Wenn die Ware nicht gefällt, kann sie zurückgebracht werden. Diese Angebote nehmen jedoch nur wenige in Anspruch.
Andere Erfahrung macht dagegen Buchhändler Ansgar Barbers. „Im Gegensatz zum ersten Lockdown ist ja jetzt eine kontaktlose Abholstation und Ausliefern erlaubt.“Das würden seine Kunden nutzen. Deshalb seien seine Umsatzrückgänge „verschmerzbar“. Zwar würden Artikel wie Karten derzeit nicht gekauft, dafür aber umso mehr Bücher. Barbers: „Die Menschen lesen mehr.“