Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Die EM-Chancen der Borussen beim DFB
Drei Gladbach-Profis kamen 2020 in der deutschen Nationalmannschaft zum Einsatz, theoretisch bieten sich noch mehr an für das große Turnier im Sommer. Kramer, Ginter und Stindl haben unter Bundestrainer Löw sogar schon Titel gewonnen.
Drei Gladbach-Profis kamen 2020 in der deutschen Nationalmannschaft zum Einsatz, theoretisch bieten sich noch mehr an für das Turnier.
Für die Nationalmannschaft war das Jahr 2020 erneut ein enttäuschendes, mit dem 0:6 in Spanien als Tiefpunkt am Ende. Nur acht Länderspiele konnte das DFB-Team aufgrund der Corona-Pandemie absolvieren. Und trotz der schwierigen Gesamtlage war 2020 aus Sicht von Borussias und ihrer Profis ein verblüffend versöhnliches in Sachen DFB.
Matthias Ginter manifestierte seinen Stammspieler-Status, Florian Neuhaus und Jonas Hofmann debütierten. So viel Gladbach war lange nicht angesagt beim DFB-Team. Das geht inzwischen so weit, dass Marco Rose Fragen gestellt bekommt, ob in Kapitän Lars Stindl nicht weiterer Borusse einen Anruf von Bundestrainer Joachim Löw verdient hätte. Und dann wäre da ja noch Christoph Kramer, der mit knapp 30 ein spätes Karriere-Hoch erlebt. „Wenn ich könnte, würde ich alle meine Jungs in die Nationalmannschaft singen“, sagte Rose nach dem 3:2-Erfolg gegen den FC Bayern. „Aber ich glaube, das ist nicht in ihrem Sinne, sondern sie wollen mit Leistung überzeugen.“
2021 ist nun das Jahr der Europameisterschaft, der Profifußball zieht sein Programm so unbehelligt von Corona durch, wie es irgendwie geht. Die EM dürfte weitgehend oder komplett ohne Zuschauer über die Bühne gehen, aber möglicherweise mit viel Gladbach-Beteiligung im deutschen Kader. Wir schätzen die EM-Chancen der fünf Kandidaten
ein, die gegen die Bayern alle in Borussias Startelf standen.
Matthias Ginter (100 Prozent EM-Wahrscheinlichkeit) Nach Platz eins im Jahr 2019 wählten die Fans Borussias Abwehrchef kürzlich auf Platz drei der „Nationalspieler des Jahres“(hinter Manuel Neuer und Serge Gnabry vom FC Bayern). Ginter ist neben Timo Werner die Konstante im DFB-Team, die nicht bei den Bayern unter Vertrag steht. 35
Länderspiele hat der 26-Jährige inzwischen absolviert. Im Sommer wird es passieren: Ginter wird nicht nur für sein drittes großes Turnier nominiert, sondern wird auch erstmals zum Einsatz kommen. Bislang spielte er nur beim Confed-Cup, den er 2017 gewann.
Florian Neuhaus (70 Prozent) Toni Kroos, Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Ilkay Gündogan – dass Neuhaus hinter diesem prominenten wie hochpreisigen Quartett folgt in der Mittelfeld-Hierarchie des DFB, ist bereits eine herausragende Leistung. Die Konkurrenz hinter ihm im Ranking, wie Dortmunds Emre Can, hat Neuhaus aktuell locker in der Tasche. Dank Gladbachs starker Leistungen in der Champions League inklusive Achtelfinal-Einzug kann der 24-Jährige auch international auf sich aufmerksam machen. Das EM-Ticket könnte eine sichere
Nummer sein, wenn Neuhaus sein Leistungsniveau hält. Doch ein gewisser Unberechenbarkeits-Faktor bei Löw drückt die Prozentzahl ein wenig.
Jonas Hofmann (50 Prozent) Er ist der viertbeste deutsche Scorer in der Bundesliga, obwohl er verletzungsbedingt nur neun von 15 möglichen Spielen gemacht hat. Hofmann spielt die bislang beste Saison seiner Karriere und hat den Verletzungs-Rückschlag auf beeindruckende Weise weggesteckt. Drei Tage nach dem EM-Finale wird er 29 Jahre alt, der Allrounder wäre ein Spätberufener bei einem großen Turnier. Aber warum nicht? Seine Konkurrenz vorne besteht unter anderem aus Serge Gnabry, Leroy Sané, Kai Havertz, Marco Reus, Timo Werner, Julian Brandt, Luca Waldschmidt. Die müssen alle erst mal gesund sein im Juni. Womit Hofmann zusätzliche Argumente liefert: Er überzeugt dieses Jahr ebenfalls in der Königsklasse, er kann von der Sechs bis zum Stürmer alles spielen und keiner würde murren, am wenigsten er selbst, wenn er nominiert würde, dann aber doch nicht zum Einsatz kommt.
Lars Stindl (20 Prozent) Er ist nie offiziell aus der Nationalmannschaft zurückgetreten, war nach seinen beiden schweren Verletzungen in den Jahren 2018 und 2019 aber nie mehr dabei. Körperlich sind Stindl weder diese Rückschläge noch seine 32 Jahre anzumerken. Er war im vergangenen Jahr der beste deutsche Torschütze und ist nach Thomas Müller sogar der zweitbeste
deutsche Scorer der Liga, doch genau das schmälert seine Chancen. Sollte Löw zur EM einen aus der Ü30-Fraktion zurückholen, wäre das – sofern er zusagen würde – wohl zuerst Müller. Niemand kann allerdings absehen, wie die Nationalspieler körperlich durch die spezielle Saison kommen. Abgefahren ist der EM-Zug für Stindl deshalb noch auf keinen Fall. Ein Trostpreis könnte als „Elder Statesman“das olympische Fußballturnier sein.
Christoph Kramer (5 Prozent) Für Olympia wurde Borussias Sechser bereits 2020 gehandelt, die Chance besteht nach wie vor. Dagegen sind nennenswerte Rufe nach Kramers Nationalmannschafts-Rückkehr nicht zu vernehmen, obwohl Rose ihm mehrmals „Weltmeister-Form“bescheinigte. Kramer beteuert bei jeder Nachfrage, das Thema „nicht abgehakt“zu haben, warum auch? Von allen deutschen Stammspielern in Borussias Kader sind seine EM-Chancen am geringsten, dabei sein dürfte er trotzdem: als Experte im ZDF.