Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Polizisten gegen 15-Kilometer-Radius
NRW setzt eine Bewegungsbeschränkungen für vier Hotspot-Kreise in Kraft. Die Oberbürgermeister besonders betroffener Städte lehnen dies ab – auch die Polizei ist skeptisch.
DÜSSELDORF Die Landesregierung will auch weiterhin die Landräte und Oberbürgermeister von Hotspot-Regionen mitentscheiden lassen, ob sie die Bewegungseinschränkungen von 15 Kilometern einführen wollen. Das sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Dienstag bei einer Sondersitzung des Landtags. Er verwies darauf, dass die drei SPD-geführten Städte Gelsenkirchen, Bottrop und Bielefeld eine solche Maßnahme abgelehnt hätten.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in NRW, Michael Mertens, hält nichts von der Bewegungseinschränkung. „Wir bekommen jetzt eine Regionalverordnung, die sich tagesaktuell ändern kann, wenn weitere Kommunen dazukommen oder rausfallen“, sagte Mertens. Das habe mit Klarheit nichts zu tun. „Und auf dieser Grundlage sollen die Kollegen dann Zwangsmaßnahmen verfügen? Am Ende hat uns die Politik einen juristischen Eiertanz beschert, den wir inmitten der Pandemie
wahrlich nicht gebrauchen können.“Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) verteidigte, dass ihre Stadt sich gegen das Instrument ausgesprochen hatte. Es gehe nicht darum, die gemeinsame Krisenbewältigung zwischen Bund, Land und Kommunen infrage zu stellen, aber jede Maßnahme müsse wirksam sein. „Und das ist sie dann, wenn ich sie angemessen kontrollieren kann.“Welge sieht dafür jedoch „wenig Chancen“: „In der
Verordnung gibt es so viele Ausnahmeregelungen – wer ein Schlupfloch sucht, der findet eins.“
So dürfen die Betroffenen beispielsweise weiterhin längere Wege zur Arbeit fahren, für ehrenamtliche Tätigkeiten unterwegs sein und Schulen oder Kitas jenseits des 15-Kiometer-Radius besuchen. Auch weiter entfernte Verwandten-, Arztund Pflegeheimbesuche sind weiter möglich, ebenso „Fahrten aus ähnlich gewichtigen Gründen“.
Für Gelsenkirchen gibt es Welge zufolge keine Indikatoren dafür, dass die hohen Infektionszahlen durch Bewegungen über die Stadtgrenzen hinaus verursacht worden seien. Die Stadt reagiert stattdessen mit Schwerpunktkontrollen in Parkanlagen und hat Senioren- und Pflegeeinrichtungen mit rund 60.000 FFP-2-Masken ausgestattet. Besucher kommen nur mit einem negativen Corona-Test in die Häuser.
Andreas Pläsken, Sprecher des Bottroper Krisenstabs, verwies darauf, dass die dortigen Infektionen offenbar auf zwei Senioren- und Pflegeheime zurückzuführen seien.
Bottrop hat ein weiteres Problem: Bei einem Mann, der beruflich in Südafrika war, sei eine der hochansteckenden Virusmutationen festgestellt worden. Auch Bielefeld beruft sich darauf, dass es dort kein diffuses Infektionsgeschehen gebe und sich dieses ebenfalls auf Pflegeeinrichtungen konzentriere.
Klang es bei Laschet noch so, als hätten die betroffenen Kreise die Einführung der Regelung selbst gefordert, hörte sich das im Kreis Höxter anders an. Landrat Michael Stickeln erklärte, man sei am Montag „erst wenige Stunden vor der öffentlichen Bekanntgabe“über die neue Maßnahme informiert worden. „Die Regionalverordnung ist so plötzlich und schnell erlassen worden, dass die Bürger bei uns im Kreis keine Möglichkeit hatten, sich rechtzeitig zu informieren und darauf vorzubereiten“, sagte Stickeln. Noch am Montag hatte der Landrat gesagt, eine Einschränkung des Radius sei „weder geeignet noch verhältnismäßig“. Auch die Kontrolle könnte schwierig werden.