Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Borussia ist aus dem Tief gelaufen
Bei der Laufleistung galt vor der Saison: Mehr bringt mehr. Jetzt heißt es bei den Fohlen: Viel hilft viel.
Bei der Laufleistung der Spieler galt vor der jetzigen Saison: Mehr bringt mehr. Jetzt heißt es bei den Fohlen: Viel hilft viel.
Die letzten wichtigen Meter beim Sieg gegen den FC Bayern gingen auf Patrick Herrmanns und Stefan Lainers Konto. Gemeinsam eroberten sie in der fünften Minute der Nachspielzeit gegen Kingsley Coman den Ball, Herrmann schoss ihn weit nach vorne, Schiedsrichter Harm Osmers pfiff ab – und Borussias Kilometerzähler stoppte in diesem Moment bei 123,1. Das bedeutete nicht nur einen Saisonbestwert für die Fohlen, sondern auch mit Abstand den Top-Wert des 15. Spieltages. Union Berlin landete als zweitbester Klub bei 119,5 Kilometern. Es gibt weitere Zahlen, die verdeutlichen: Borussia hat sich zu Jahresbeginn aus dem Tief gelaufen, in dem sie vor Weihnachten steckte.
Laufdaten sind wie ein Gewürz, das ein komplettes Gericht verderben kann, wenn man es falsch oder zu viel einsetzt, mit der richtigen Portionierung wirkt es jedoch Wunder. Bei Borussia hatten die Kilometer, Sprints und intensive Läufe besonders im ersten Jahr unter Trainer Marco Rose eine ungemein hohe Aussagekraft. Die Zahlen korrelierten häufig mit dem Ergebnis, Rose selbst sah auch eine Kausalität: „Ich kann den Jungs mit Statistiken auch mal auf die Nerven gehen“, berichtete er im „Kicker“und nannte als Beispiel: „Sind wir in einem Spiel mehr und mit einer höheren Intensität gelaufen als der Gegner, haben wir auch mehr Punkte geholt. Das hat die Statistik sehr deutlich veranschaulicht.“
Über den Daumen gepeilt, ließ sich lange sagen: Mehr brachte mehr. In Spielen, in denen Borussia einfach nur mehr Kilometer zurücklegte als der Gegner, punktete sie doppelt so gut. Das hat sich gewandelt, seit der langen Corona-Unterbrechung im vergangenen Frühjahr und vor allem seit dieser Saison gilt: Viel hilft viel. Vor dem ersten Lockdown war Borussias Laufleistung in 18 von 25 Bundesligaspielen unter Rose besser als die des Gegners, seitdem nur noch in 4 von 24. Bestand früher also doch kein kausaler Zusammenhang?
Zum zweiten Mal in dieser Bundesligasaison knackte Gladbach gegen Bayern die 120-Kilometer-Marke, zum ersten Mal seit dem 3:4 gegen Bayer 04 Leverkusen am 8. November. Nach der damals folgenden Länderspielpause waren die Fohlen regelrecht abgestürzt: Von knapp 118 Kilometern gegen den FC Augsburg fiel die Laufleistung auf nur noch 111,6 gegen Eintracht Frankfurt. Die 112 gegen die
TSG Hoffenheim kurz vor Weihnachten, ab der 79. Minute in Unterzahl, bedeutete auch keinen nennenswerten Aufwärtstrend.
Doch schon nach der kurzen Winterpause zeigte Borussia bei Arminia Bielefeld ein anderes Gesicht: Mit 119,8 Kilometern lag sie nur 400 Meter hinter der Arminia, trotz einer eigenen Ballbesitzquote von 58 Prozent. Schaut man sich den Verlauf der kompletten Saison an, kristallisiert sich die 118 als magische Marke heraus. Sechsmal lief Gladbach mehr, fünf Siege gab es, dazu das 3:4 gegen Leverkusen, bei dem Roses Team ergebnismäßig auch zu schlecht weggekommen war angesichts seiner 2,5 Expected Goals im Vergleich zu Bayers 1,6.
Auf der anderen Seite hat Borussia nur eines der neun Ligaspiele gewonnen, in denen sie weniger als 118 Kilometer zurücklegte. Nur einen Punkt holte sie im Schnitt aus diesen Partien. Schon unterhalb der Marke von 116 Kilometer sieht es noch schlechter aus: kein Sieg, drei Unentschieden, zwei Niederlagen, ein Punkteschnitt von 0,6. Man darf am Samstag gegen den VfB Stuttgart (18.30 Uhr/Sky) also mal neugierig auf den Kilometerzähler schauen, ob sich der Trend fortsetzt. Ausgeruht sollten die Borussen sein. Nach dem Kraftakt gegen Bayern regenerierten sie am Samstag und hatten am Sonntag und Montag frei.