Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Eine Pflicht für das Homeoffice?
Die Infektionszahlen in Deutschland sind weiterhin zu hoch. Doch viele Arbeitnehmer fahren noch immer jeden Tag ins Büro. Die Bundesregierung setzt auf Freiwilligkeit der Arbeitnehmer.
Macht die Büros zu: Die Debatte um Homeoffice und mobiles Arbeiten hat in den vergangenen Tagen an Fahrt aufgenommen – zu Recht. Die Infektionszahlen sind weiter dramatisch. Das macht es notwendig, Kontakte noch drastischer zu reduzieren, als dies mit dem Teil-Lockdown im November gelungen ist. Seit Dezember sind die Geschäfte geschlossen. Das neue Jahr startet mit neuen Kontaktbeschränkungen und erneuten Schließungen oder starken Einschränkungen bei Schulen und Kitas. Einmal mehr sind es die Kinder, die besonders unter den Einschränkungen zu leiden haben.
Ja, es ist notwendig, Kontakte weiter zu reduzieren, um die Ausbreitung des Virus zu verringern. Aber die Maßnahmen müssen realitätstauglich, lebbar und wirksam sein. Es ist richtig, dass die Landesregierung die Kontaktregelungen mit Blick auf die Kinder angepasst hat. Kinder brauchen auch in der Pandemie andere Kinder. Gerade kleine Kinder können sich nicht ohne Erwachsene auf dem Spielplatz verabreden.
Völlig unverständlich bleibt aber, warum das Arbeitsleben in den Büros scheinbar fast wieder so weitergeht wie vor der Pandemie. Waren im Frühjahr laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung noch 27 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Homeoffice, so waren es im November nur noch 14 Prozent. Dabei können Homeoffice oder mobiles Arbeiten einen signifikanten Beitrag zur Senkung der Infektionszahlen leisten. Richtigerweise
müssen Kontakte im privaten Bereich reduziert werden. Aber diese Bemühungen werden konterkariert, wenn sich dann alle im Großraumbüro drängen. Warum sollte das Virus ausgerechnet einen Bogen um unsere Arbeitsplätze machen? „Stay at home“muss auch für die Arbeitswelt gelten.
Die Appelle der vergangenen Wochen allein reichen erkennbar nicht aus. Wir brauchen jetzt ein Recht auf mobiles Arbeiten, wo es möglich ist, und eine Corona-Arbeitsschutzverordnung, die das verbindlich regelt – hier muss der Bund endlich tätig werden. Natürlich können nicht alle Tätigkeiten von zu Hause aus verrichtet werden. Für alle, die in Präsenz arbeiten müssen, muss der Gesundheitsschutz über Hygieneregeln, Abstände und Schutzmaßnahmen gelten. Auch der öffentliche Dienst ist gefragt. Laut BöcklerStudie waren hier im November zwei Drittel der Beschäftigten überwiegend im Büro. Das Land kann mit gutem Beispiel vorangehen. Doch bislang fehlt eine einheitliche Homeoffice-Strategie, fehlen einheitliche Vorgaben.
Die Pandemie verlangt uns viel Solidarität ab, wir erleben ein hohes Maß an gemeinschaftlicher Verantwortung und Fürsorge in der Gesellschaft. Auch Homeoffice und mobiles Arbeiten leisten hier einen wichtigen solidarischen Beitrag. Denn alle, die von zu Hause arbeiten, schützen andere Menschen.
Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Er sollte Eingriffe in die unternehmerische Freiheit minimieren. Einem Unternehmer vorzuschreiben, wo seine Mitarbeiter arbeiten sollen, wäre ein solcher unnötiger Eingriff. Denn Unternehmer haben ein ureigenes Interesse, dass ihre Mitarbeiter gesund und zufrieden sind. In Unternehmen der Wissensökonomie verlassen Mitarbeiter die Firma, wenn die Arbeitsbedingungen nicht akzeptabel sind.
Bei uns arbeiten 45 Personen an zwei Standorten. Wir haben bereits vor Corona in die Gesundheit und Zufriedenheit unserer Mitarbeiter investiert. Jeder Mitarbeiter hat beispielsweise einen höhenverstellbaren Tisch, es gibt einen Fitnessraum und ein Koch sorgt für gesundes Essen.
Aufgrund der Pandemie haben wir dieses Engagement verstärkt und Luftfilteranlagen für jeden Raum angeschafft. Darüber hinaus gilt Maskenpflicht, Besprechungen finden digital statt. Die Mitarbeiter haben Einzelbüros, die Bürofläche beträgt umgerechnet auf jeden anwesenden Mitarbeiter 30 Quadratmeter – das ist mehr, als bei Supermärkten pro Kunde gilt.
Daher sind wir überzeugt, bestmögliche und sichere Arbeitsbedingungen zu bieten. Die meisten unserer Mitarbeiter
haben keine vergleichbaren Arbeitsbedingungen zu Hause. Auch weil es bis heute keine relevante Glasfasernetzabdeckung in Deutschland gibt.
Der Staat, der – obwohl Großaktionär der Telekom – bei der Sicherstellung der digitalen Infrastruktur versagt hat, der Staat, dessen Kosten-Nutzen-Abwägung bei der Bestellung von Impfdosen mehr als kritisch zu hinterfragen ist, dieser Staat will es besser wissen und Heimarbeit vorschreiben!?
Wir hatten bislang keinen CoronaFall im Unternehmen. Auch das Risiko der Anreise ist bei uns überschaubar, die meisten Mitarbeiter kommen mit dem Fahrrad, dem Auto oder zu Fuß. Wir glauben zudem daran, dass eine Trennung von Berufs- und Privatleben sowie soziale Kontakte (mit Maske!) für die mentale Gesundheit besser sind. Das Einstellen von neuen Mitarbeitern in Heimarbeit ist herausfordernd. In welchem Ausmaß Innovation in Heimarbeit entsteht, muss kritisch hinterfragt werden. Der Staat sollte sich auf seine Kernkompetenzen fokussieren. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass Planwirtschaft nicht funktioniert.
Arbeitsminister Hubertus Heil will einen gesetzlichen Anspruch auf Heimarbeit. Die Forderung gefährdet Arbeitsplätze in Deutschland. Wer Heimarbeit einführen muss, kann direkt Fernarbeit einführen. Wer Fernarbeit einführt, wird Englisch als Firmensprache erwägen. Als Folge rekrutieren auch kleine und mittlere Firmen global. Warum sollten sie dann den im Schnitt teureren Mitarbeiter aus Deutschland einstellen? Hier zu wohnen und Deutsch zu sprechen sind bei Fernarbeit keine Vorteile mehr.