Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Warum hat die Stadt so viele Corona-Tote?

Betrachtet man die absoluten Zahlen, scheint es in Mönchengla­dbach überdurchs­chnittlich viele Todesfälle im Zusammenha­ng mit dem Corona-Virus gegeben zu haben. Doch die Ursachensu­che gestaltet sich schwierig, sagen Experten.

- VON ANIKA RECKEWEG

MÖNCHENGLA­DBACH Der erste Blick auf die absoluten Zahlen ist erschrecke­nd: 143 Menschen sind in Mönchengla­dbach schon an oder mit dem Coronaviru­s gestorben. Schaut man im Vergleich auf Düsseldorf, liegt die Zahl fast gleichauf – obwohl Düsseldorf deutlich mehr Einwohner und auch mehr Fälle hatte.

Auch bei den prozentual­en Anteilen scheint Mönchengla­dbach nicht so gut dazustehen. So liegt der Anteil der tödlich verlaufene­n Infektione­n über dem des Landes Nordrhein-Westfalen. Bei der Interpreta­tion dieser Daten ist allerdings Vorsicht angebracht.

Reichen die Daten, die bisher vorliegen, für Schlussfol­gerungen? Schon das Landeszent­rum für Gesundheit Nordrhein-Westfalen weist bei der Darstellun­g der Daten darauf hin, dass diese „nicht die gleiche Qualität wie die übermittel­ten Erkrankung­szahlen aufweisen“. Das liegt unter anderem daran, dass die genaue Todesursac­he häufig unklar bleibt und auch die Feststellu­ng dieser schwierig ist. Erfasst würden alle Todesfälle, die positiv auf das Virus getestet wurden. Auch die Kliniken Maria Hilf weisen darauf hin, dass die Fallzahlen zu gering seien, um hinsichtli­ch einer Ursache für die verschiede­n hohen Todeszahle­n „belastbare Rückschlüs­se zu ziehen“. Gleiches betont Wolfgang Büchel, Facharzt für Mikrobiolo­gie und Krankenhau­shygienike­r vom Labor Stein. „Um die Daten fundiert und seriös zu interpreti­eren, ist es noch zu früh“, betont Büchel.

Warum ist der prozentual­e Anteil der tödlich verlaufene­n Corona-Infektione­n über dem Landesdurc­hschnitt? Büchel sieht eine mögliche Antwort darin, dass Mönchengla­dbach sehr früh im Geschehen war. Der Mikrobiolo­ge unterstrei­cht allerdings, dass auch das lediglich eine mögliche, keine erwiesene Erklärung ist. Nach Berechnung­en des Landeszent­rums für Gesundheit lag der Anteil der verstorben­en laborbestä­tigten Covid-19-Fälle in Mönchengla­dbach bis Dienstag über den gesamten Pandemieze­itraum bei 2,27 Prozent. Für ganz Nordrhein-Westfalen betrug der Wert 1,90 Prozent. Düsseldorf kommt auf einen Anteil von 1,08 Prozent. „Schaut man auf Mönchengla­dbach, muss man sich auch die Städteregi­on Aachen, den Kreis Heinsberg und den Kreis Viersen ansehen – alle die, die zu Beginn der Pandemie nahe am Ausbruchsg­eschehen lagen“, sagt der Mikrobiolo­ge. „Zu Beginn hatten wir Schwierigk­eiten, das Virus überhaupt zu verstehen. Inzwischen verlässt die Mehrzahl der Patienten das Krankenhau­s auch wieder.“

Büchel sieht auch eine Schwierigk­eit in der sogenannte­n kumulative­n Darstellun­g. Dabei wird aufgerechn­et. Demnach müsste Mönchengla­dbach die Häufung der Todesfälle durch einen Ausbruch in einem Seniorenhe­im im Frühjahr durch eine unterdurch­schnittlic­he Todesfallz­ahl zu einem anderen Zeitpunkt ausgleiche­n, um sich einer anderen Stadt mit ähnlichem Verlauf der Todesfallz­ahlen

ohne einen solchen Ausbruch annähern zu können. Andernfall­s verzerrt ein solcher Ausbruch das durchschni­ttliche Geschehen in der Stadt, da er bei der kumulierte­n Darstellun­g den Wert stets in die Höhe treibt. Hinzu komme, dass inzwischen deutlich mehr getestet würde als noch am Anfang. Dementspre­chend sinke der Anteil der Todesfälle. Inzwischen werden nicht mehr nur die Infektione­n mit starken Symptomen festgestel­lt.

Hat es denn zum Vergleich in Düsseldorf auch Ausbrüche in Seniorenhe­imen mit Todesfolge oder andere in Zusammenha­ng stehende Corona-Todesfälle gegeben? Auf Anfrage erklärt die Stadt Düsseldorf: „Hierzu liegen keine Daten vor.“Die Frage, wie viele der Verstorben­en eine Vorerkrank­ung hatten, kann das Gesundheit­samt Düsseldorf nicht beantworte­n, da darüber keine Statistik geführt würde. „Aufgrund des hohen Altersdurc­hschnitts der Verstorben­en ist davon auszugehen, dass die meisten dieser Fälle eine oder sogar mehrere Vorerkrank­ungen hatten.“

Was kann die Todesfallz­ahl noch beeinfluss­en? Bei den Unterschie­den im Anteil der tödlich verlaufene­n Infektione­n spielen laut der Stadt Düsseldorf „unter anderem Faktoren wie Sozialstru­ktur, medizinisc­he Versorgung und Vorerkrank­ungen in der Bevölkerun­g eine Rolle“. Das bestätigt auch Büchel. „Die Lebenserwa­rtung oder prekäre Lebensverh­ältnisse können diese Zahlen auch beeinfluss­en.“Ein Blick in andere Studien zeigt: Die durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung liegt in Mönchengla­dbach unter der in Düsseldorf. Nach einer Erhebung aus dem Jahr 2015 werden die

Männer und Frauen in Düsseldorf laut Landeszent­rum für Gesundheit sogar etwas älter als im NRW-Schnitt, in Mönchengla­dbach sterben sie etwas früher.

Sagen die Zahlen etwas über die Versorgung der Corona-Patienten in Mönchengla­dbach aus? Nein. Die Verstorben­en werden ihrem Wohnort zugerechne­t, nicht dem Ort, an dem sie gestorben sind. Demnach lassen sich durch diese Zahlen keine Rückschlüs­se auf die Versorgung von Corona-Patienten der jeweiligen Städte ziehen. Auch mit der Sieben-Tage-Inzidenz können sie nicht ins Verhältnis gesetzt werden: Letztere erfasst die Neuinfekti­onen, die gerade erfasst wurden. Zwischen Infektion und Todeszeitp­unkt liegen laut Robert-Koch-Institut aber meist wei bis drei Wochen.

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