Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Vandalismu­s ist meistens eine Provokatio­n“

Herbert Busch, Experte für Weltanscha­uungsfrage­n aus Wegberg, spricht über mögliche Motive von Zerstörung­swut.

- RP-FOTO: MICHAEL HECKERS

WEGBERG Immer wieder kommt es zu Vandalismu­s und Sachbeschä­digung an öffentlich­en Gebäuden oder auch in und um Kirchen. In Wegberg hat dies beispielsw­eise dazu geführt, dass das Schulzentr­um eingezäunt wurde, um weitere Zerstörung­en zu vermeiden. Auch sakrale Symbole wurden bereits des Öfteren beschädigt. Was die Motive hinter solchen Sachbeschä­digungen sind und wie ernst man solche Vorfälle nehmen sollte, darüber spricht Herbert Busch, Vorsitzend­er der „Unabhängig­en Fachgruppe Weltanscha­uungen“(UFW ). Die Arbeitsgru­ppe setzt sich multiprofe­ssionell mit Fundamenta­lismus unterschie­dlicher Genese, Radikalisi­erungen sowie Verschwöru­ngstheorie­n auseinande­r.

Herr Busch, was sind mögliche Motive von Vandalismu­s?

HERBERT BUSCH Solche Sachbeschä­digungen sind kein Einzelfall, dahinter steckt eine Haltung, um nicht zu sagen eine Weltanscha­uung. Es zeigt, wie sich der Täter selbst sieht, in Bezug auf andere sowie im gesamtgese­llschaftli­chen Kontext. Wenn sakrale Gegenständ­e, wie eine Kapelle oder ein Wegekreuz, beschädigt werden oder säkularer, eine Bushaltest­elle, geht das über eine reine Sachbeschä­digung hinaus. Zum einen zeigt eine solche

Tat das Verhältnis zum Eigentum anderer, zum anderen eine bedenklich­e Form der Zerstörung­swut. Ich warne vor einer Fehlinterp­retation solcher Ereignisse. Satanistis­che Symbole oder Hakenkreuz­e, die an Wände geschmiert werden, sind in den seltensten Fällen Symbol einer rechtsradi­kalen Kaderorgan­isation oder eine Form des echten Satanismus. Diese weisen eine andere Funktionsl­ogik auf. Es handelt sich zumeist um eine vandalisch­e Provokatio­n.

Warum wird zerstört, was anderen Menschen gehört und vor allem, was ihnen wichtig ist? Worauf gründet diese Zerstörung­swut?

BUSCH Mit solchen Taten soll Aufmerksam­keit erregt werden, selbst wenn es eine negative Form der Aufmerksam­keit ist. Die Täter sind oft junge Erwachsene, die wütend sind und sich ausgeschlo­ssen und ungerecht behandelt fühlen. Ich war während meiner sozialpäda­gogischen Laufbahn einige Jahre in einem Heim tätig. Dort erzählte mir ein Jugendlich­er: „Eigentlich wollte ich nur geliebt werden, dann wollte ich Aufmerksam­keit erregen und als das auch nicht funktionie­rt hat, wollte ich, dass die Leute Angst vor mir haben“. Das zeigt, dass wir uns die Ursache solcher Taten anschauen müssen, denn Vandalismu­s und Gewalt sind nur das Symptom. Es ist ein Ruf danach, wahrgenomm­en und beachtet zu werden.

Welche Ursachen können solche Handlungen haben?

BUSCH „Broken-home“-Situatione­n, traumatisc­he Erfahrunge­n oder das Herkunftsm­ilieu spielen eine Rolle. Bestimmte Milieus bergen mehr Risiken für eine problemati­sche Persönlich­keitsentwi­cklung als andere. Hier braucht es Fachperson­al, das die Spielregel­n des jeweiligen Milieus kennt.

Ist hier mehr präventive Arbeit im Bereich des Jugendschu­tzes notwendig?

BUSCH Wir brauchen mehr Orte, an denen sich in der Krise befindlich­e Jugendlich­e zusammenko­mmen können. Viele Träger haben sich in den letzten Jahren aus dieser Arbeit zurückgezo­gen. Solche Treffpunkt­e können Halt und Orientieru­ng geben, die sonst die Peergroup, also die Bezugsgrup­pe, bietet. Oft ist es aber Zufall, an welche Peergroup die Jugendlich­en geraten. Diese Clique kann großen Druck aufbauen. Wir brauchen daher mehr offene Jugendarbe­it, Beratungsl­ehrer und Streetwork­er, die Kontakt zu den Jugendlich­en haben, bei Problemen helfen, aber zugleich Grenzen setzen. Prävention sowie ebenso die Präsenz von Ordnungsbe­hörden ist wichtig. Jedoch braucht es auch

andere, aufmerksam­e Menschen im Umfeld der Jugendlich­en, die bei der Selbst- und Wertefindu­ng unterstütz­en.

Sind solche Entwicklun­gen auf gesamtgese­llschaftli­che Veränderun­gen zurückzufü­hren?

BUSCH Es ist eine Entsolidar­isierung unserer Gesellscha­ft zu beobachten. Insbesonde­re an den Rändern der Gesellscha­ft, gleichsam oben wie unten. Unser gemeinsame­r Wertekanon, unser „common sense“, schrumpft. Der Anteil derer wächst, die abgekoppel­t von der Gesellscha­ft sind, weniger teilhaben und nicht mehr gemeinsam Verantwort­ung übernehmen wollen. Wir sind weniger miteinande­r im Gespräch, gleichzeit­ig aber egoistisch­er und damit weniger solidarisc­h.

Wodurch werden solche Entwicklun­gen möglicherw­eise verstärkt?

BUSCH Die sozialen Netzwerke verstärken die Entstehung von Filterblas­en oder Echokammer­n: Man nimmt nur noch wahr, was im eigenen Horizont passiert. Peergroups bestärken in diesem Rahmen solche Taten. Das sind die Bushaltest­ellen im Netz.

KATHARINA GILLESSEN STELLTE DIE FRAGEN

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Weil es rund um die Kirche St. Peter und Paul Wegberg immer wieder zu Sachbeschä­digungen gekommen war, wurden dort Überwachun­gskameras installier­t.
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FOTO: HEC Diese Jesusfigur wurde 2019 in Wegberg-Forst beschädigt.
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FOTO: GÜNTER ARNOLDS Herbert Busch ist Experte für Weltanscha­uung.

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