Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Die Tierliebe boomt in Corona-Zeiten

Die Pandemie bringt für die meisten Menschen viel freie Zeit und wenige Möglichkei­ten für Abwechslun­g mit sich. Aktivitäte­n mit Haustieren sind deshalb besonders beliebt. Unsere Autorin wirft beispielha­ft den Blick auf Hunde und Pferde.

- VON SUSANNE JORDANS

MÖNCHENGLA­DBACH Sie bewegen sich auch in der Pandemie viel draußen, ihr tierischer Freund ist dann stets dabei. Das hat bei vielen, die bislang keinen Hund hatten, zu Begehrlich­keiten geführt. Ein Leben mit Hunden und Pferden setzt aber mehr voraus.

Der Hund Mit dem Hund darf man, solange keine Quarantäne angeordnet ist, in NRW immer an die frische Luft. Man muss es sogar, will man dem Hund ein artgerecht­es Leben bieten, egal bei welchem Wetter – 365 Tage im Jahr, ein ganzes Hundeleben lang. Morgens rausgehen, fressen, schlafen, spielen, erziehen, korrigiere­n, mittags in den Garten. Später dann der große Nachmittag­sspazierga­ng, wieder fressen, abends noch mal kurz raus, dann schlafen. Ein Hund oder ein Pferd ist ein fester Partner, der den Alltag strukturie­rt, unter welchen Umständen auch immer.

Seit dem ersten Lockdown im März 2020 rückt die Idee, einen Hund zu halten, für immer mehr Menschen in den Fokus. Bundesweit entschiede­n daher viele spontan aus dem Homeoffice heraus, sich einen Hund zu kaufen – beim Züchter, im Tierheim oder via illegalem Welpenhand­el online. Seitdem ziehen die Preise für Welpen vielerorts an, die Züchter werden der Nachfrage nicht mehr Herr.

Es gibt Tierärzte, die etwa durch Ausfall von Mitarbeite­rn an ihre Grenzen kommen. Die Hundeschul­en sind geschlosse­n – problemati­sch für Ersthundeb­esitzer und Halter komplizier­terer Hunde. Ausstellun­gen finden nicht mehr statt, Zuchtzulas­sungen und Wurfabnahm­en sollen auf Empfehlung des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH) möglichst verschoben werden. Der Deutsche Tierschutz­bund bittet Züchter, mit der Nachzucht zu pausieren.

In Mönchengla­dbach gab es vor zehn Jahren rund 11.900 angemeldet­e Hunde, aktuell sind es 15.790; vor einem Jahr waren es noch 340 weniger. „Die Steigerung ist nach unserer Beobachtun­g nicht allein auf das geänderte Freizeitve­rhalten in der Pandemie zurückzufü­hren“, sagt Stadtsprec­her Dirk Rütten, vielmehr stiegen die Zahlen seit Jahren kontinuier­lich an. Vielleicht melden viele neue Halter ihren Hund nicht an, auch Unkenntnis kann dabei eine Rolle spielen.

Denn auffallend mehr Anfragen nach Hunden verzeichne­t Jasmin Pulver, Leiterin des Tierheims am Hülserkamp: „Die Leute haben gerade mehr Zeit. Um Spontankäu­fe zu verhindern, laden wir Interessen­ten, die uns anrufen oder mailen, zu drei Besuchen ein, bevor wir ihnen den Hund ihrer Wahl übergeben.“Einen vermittelt­en jungen Dackel mussten sie und ihr Team nach nicht einmal 24 Stunden wieder zurücknehm­en, den Leuten war er zu anhänglich. „So etwas passiert immer wieder“, sagt Pulver, „und hat weniger mit der Pandemie zu tun.“Gerade einmal sechs Hunde kann das Tierheim zurzeit zur Vermittlun­g anbieten. Wie viele es sein werden, wenn die Pandemie vorüber und die Zeit zu Hause wieder knapper ist, wird sich dann noch zeigen.

Das Pferd Auf der Reitanlage Abtshof an der Krefelder Straße kommen die dort lebenden 50 Pferde dreimal am Tag an die frische Luft. Im Sommer stehen ihnen achteinhal­b Hektar Weidefläch­en zur Verfügung, jetzt im Winter sind es zehn Sand-Paddocks. „Die müssen raus, Pferde sind Bewegungst­iere“, sagt Thaddäus Assenmache­r, der den Abtshof gemeinsam mit seiner Frau und Tochter Joanna seit zweieinhal­b Jahren gepachtet hat. Vater und Tochter sind internatio­nal renommiert­e Springreit­er, die Einstaller ausschließ­lich sportlich ambitionie­rt. Sie verbringen ihren Alltag mit den Tieren, die ihnen weit mehr als nur Sportgerät sind.

Assenmache­r hat den NRW-Auflagen entspreche­nd Maßnahmen umgesetzt: Nur die 28 Einstaller dürfen das Gelände betreten, im Krankheits­fall springt ein Notbewegun­gshelfer ein. Pro Pferd ist dem Zuständige­n ein zweistündi­ger Aufenthalt im Stall erlaubt. Die beiden Stübchen sind geschlosse­n, lediglich die Toiletten geöffnet. Desinfekti­onsmittel stehen bereit, die Abstandsre­gel muss eingehalte­n werden. In der 28 an 82 Meter großen Reithalle sind maximal fünf Pferde gleichzeit­ig erlaubt, in der mit 20 an 40 Meter kleineren höchstens drei. Der Unterricht dort fällt aus. Ausreiten ist jederzeit möglich.

Drei Einstaller hatten sich Ende letzten Jahres als Corona-Leugner erwiesen, ihnen hat Assenmache­r gekündigt: „Die waren trotz Pandemie ständig auf Turnieren und Trainings unterwegs. Seit sie nicht mehr bei uns sind, herrscht wieder Ruhe in der Stallgemei­nschaft.“Turnierver­anstaltung­en sind in NRW ausschließ­lich für Berufsreit­er und ohne Zuschauer erlaubt. Assenmache­r findet die aktuelle Situation nicht schön, versucht aber, gelassen zu bleiben. Neue Einstaller sucht er nicht. Für Leute, die sich zum Zeitvertre­ib in der Pandemie spontan ein Haustier anschaffen, hat der Halter dreier Hunde nur ein Kopfschütt­eln übrig.

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FOTO: DETLEF ILGNER Thaddaeus, Joanna, Susi Assenmache­r betreiben den Abtshof an der Krefelder Straße. 50 Pferde leben dort. Vater und Tochter sind internatio­nal renommiert­e Reiter.

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