Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Vorreiter gegen die Tech-Riesen
Das neue deutsche Kartellrecht erleichtert Ansagen an Google und Co. – endlich!
Die Corona-Pandemie und ihre Folgen, die Länge und Tiefe des Lockdowns und die richtige Impfstrategie beherrschen auch die wirtschaftspolitischen Debatten. Dazu kommen die politischen Turbulenzen in Washington. Andere Ereignisse von bahnbrechender ökonomischer Bedeutung werden so dieser Tage leicht übersehen. Aber: Der Bundestag hat am Donnerstag, nach fast drei Jahren politischer Diskussionen, so etwas wie eine Revolution im Kartellrecht beschlossen – endlich! Durch die zehnte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen kann das Bundeskartellamt nun großen digitalen Plattformen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb – das sind primär die sogenannten Gafa-Konzerne Google, Amazon, Facebook, Apple – viel leichter klare Ansagen machen. Müssen bisher mühselig Markt für Markt die Wettbewerbsverhältnisse analysiert werden, um dann zu ermitteln, ob irgendwo ein Fehlverhalten der Plattform vorliegt, wird der Spieß nun umgedreht. Das Bundeskartellamt kann großen Plattformen wettbewerbswidrige Verhaltensweisen von vornherein untersagen. Sollte das Verhalten doch wettbewerbskonform sein, liegt es nun an der Plattform, den Gegenbeweis anzutreten. Das spart viel Zeit, und man muss nicht erst warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, um Rettungsaktionen einzuleiten. Mit dieser Modernisierung des Kartellrechts ist Deutschland Vorreiter, auch wenn wir sonst in vielen Bereichen der Digitalisierung hintendran sind. Die EU-Kommission hat erst im Dezember mit dem „Digital Markets Act“erste Vorschläge für ähnliche Änderungen des Europarechts vorgelegt. Bis die umgesetzt werden, dürften aber mindestens drei weitere Jahre vergehen. Daher ist es gut, dass Deutschland bei der Digitalisierung nun wenigstens im Kartellrecht vorangeht.
Unser Autor ist Professor für Wettbewerbsökonomie an der Uni Düsseldorf. Er wechselt sich hier mit der Ökonomin Ulrike Neyer und dem Vermögensexperten Karsten Tripp ab.