Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Du brauchst nicht zu lügen
Unser Autor beschäftigt sich mit dem Präsidentenwechsel in den USA.
MÖNCHENGLADBACH Erinnern Sie sich? Nach der Einführung von Donald Trump als Präsident der USA sprach seine Beraterin Kellyanne Conway plötzlich von „alternativen Fakten“. Wir dachten, wir hören nicht richtig: Obwohl wenige Menschen an der Amtseinführung teilgenommen hatten, seien es trotzdem sehr viele gewesen. Über diese Lüge haben wir uns damals kopfschüttelnd gewundert, nun ist aber daraus über vier Jahre ein Lügensystem entstanden, mit dem sogar der Machtübergang zum neugewählten Präsidenten Joe Biden ins Chaos geriet.
Das Erschrecken darüber kann uns Anlass sein, noch einmal kurz über etwas ganz Grundsätzliches nachzudenken: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden“lautet je nach Zählweise das achte beziehungsweise neunte der zehn Gebote in der Bibel. Schlicht, aber wichtig. Denn Lügen haben nicht immer kurze Beine, sie können das Denken verwirren, Vertrauen zerstören und die Hemmschwelle zur Gewalt senken.
Aus Angst vor einer komplizierten Welt flüchten manche in schlichtere Lügengebäude. Um eigene Macht zu gewinnen oder zu behalten, greifen manche zur Leugnung der Wirklichkeit. So erklären uns das die Psychologen. Eigentlich tragisch. Aber ein solches Verhalten kann unüberwindbare Gräben reißen und im schlimmsten Fall ganze Gesellschaften zerstören. Die Geschichte kennt diverse Beispiele.
„Du brauchst nicht zu lügen“. So könnte man das biblische Gebot auch einmal übersetzen. Gegen Ängste kann das Vertrauen auf Gott helfen, der sagt: „Fürchte dich nicht! Ich stärke dich, ich helfe dir auch.“( Jesaja 41,10). Niemand muss sich an die Macht klammern, denn von der Macht hängt unser Wert als Menschen ja nicht ab. Gott schenkt uns seine Wertschätzung, die uns wertvoll macht. Welche Chance, anders auf uns selbst und die Welt zu schauen!
Im Jahr 2021 stehen bei uns Landtagswahlen und die Bundestagswahl an. Es wird wichtig sein, dass wir uns auf faire Diskussionen verlassen können, darauf, dass nicht Lügen und wilde Behauptungen die Sinne vernebeln und andere Meinungen nicht sofort als Lügen diffamiert werden. Damit sich die in den Augen der Mehrheit geeigneteren Menschen und die besseren Ideen durchsetzen. Verantwortung muss in einer Demokratie fair verliehen werden. Solches Verhalten müssen wir von allen Parteien und Kandidatinnen und Kandidaten erwarten.
Am besten lassen wir uns von den grundlegenden zehn Geboten leiten – damit sie uns den Segensraum Gottes öffnen.
DER AUTOR IST EVANGELISCHER PFARRER IN RHEYDT.