Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Auch Mama braucht mal Pause
Bianca Krämer zeigt Müttern, wie sie dem „Mama-Burnout“entgehen können. Das Streben nach Perfektion und gesellschaftlicher Druck führen oft zu einem Gefühl der Überforderung.
MÖNCHENGLADBACH Mütter sind wahre Wunder: Sie schaffen einfach alles. Sie sind berufstätig, managen den Haushalt, haben die Terminkalender der Kinder im Kopf, holen sie vom Sport ab, sehen die Hausaufgaben nach, üben mit ihnen für die Klassenarbeit, basteln perfekte Martinslaternen und Schultüten selbst, haben immer pünktlich ein gesundes Essen auf dem Tisch oder ein Pausenbrot vorbereitet, lesen Gute-Nacht-Geschichten vor. Sie leben stets in einer aufgeräumten, gemütlichen Wohnung – und vor allem sagen sie niemals Nein, wenn noch etwas mehr von ihnen verlangt wird.
Dass das nicht gut gehen kann, wird selbst bei dieser eher unvollständigen Aufzählung mehr als deutlich. Die Vorstellung aber, dass das Leben eigentlich so sein sollte, spukt im Kopf vieler Mütter und führt zu einem Gefühl, das sich als „Mama-Burnout“umschreiben lässt.
Der Mama-Burnout ist nicht selten. „Es ist eine weitverbreitete Haltung, sich zu überfordern“, sagt Bianca Krämer. Die gelernte Erzieherin und Heilpädagogin leitet Elternkurse an der Familienbildungsstätte und für den Kinderschutzbund. Der Alltagsstress ist teils angelernt und teils selbst gemacht. Da sind die Werte, die schon Großeltern und Ur-Großeltern vermittelt wurden und die sie weitergaben: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“, „Ohne Fleiß kein Preis“, „Ordnung ist das halbe Leben“. Wenn Bianca Krämer in ihren Kursen diese Merksätze zitiert, erntet sie lächelndes Kopfnicken.
Ja, diese Sprüche kennen sie alle. Jede möchte die Erwartungen der anderen erfüllen und auch noch die eigenen. Wenn der Nachbar den Rasen mäht, wird der eigene auch gemäht. Wenn die Freundin zu Besuch kommt, wird vorher die Wohnung perfekt aufgeräumt. „Wir machen uns viel Stress, weil wir perfekt sein wollen“, sagt Bianca Krämer. Hinzu kommen die Anforderungen des Berufs und der volle Terminkalender der Kinder, der einen gut durchorganisierten „Mama-Taxi-Dienst“erfordert.
„Wenn sich Mütter dann ein bisschen Zeit nur für sich nehmen, haben sie auch noch ein schlechtes Gewissen“, weiß Krämer aus ihren Kursen. Und trotzdem sehnen sich die meisten im Alltagsstress genau danach: nach ein wenig Zeit und Ruhe, Zeit, die nur ihnen gehört.
Die Kursleiterin lässt ihre Teilnehmerinnen aufschreiben, was sie mit dieser Zeit tun würden, was sie glücklich macht. Spaziergänge werden dann genannt, ein Buch lesen, in Ruhe kochen, abends mit dem Partner essen gehen – und der bescheidenste, aber häufigste Wunsch von allen: ungestört eine Tasse Kaffee trinken. „Man kann diese Wunschaktivitäten in kurze Phasen wie die Tasse Kaffee, in mittlere wie einen Spaziergang und in längere wie wöchentlich Sport treiben oder einen Urlaub aufteilen“, erklärt Krämer. „Das sind dann die Tankstellen, an denen die Kraftreserven wieder aufgefüllt werden.“Man muss sie aber auch ansteuern, und das ist gar nicht so leicht. Denn alles aufzuschreiben, ist das eine, die Umsetzung im Alltag das andere. „Wir sind Gewohnheitstiere, Veränderungen sind schwer“, sagt Krämer. „So wie wir uns immer auf den gleichen Platz setzen, verfallen wir auf immer wieder in den gleichen Trott.“Sie rät ihren Kursteilnehmerinnen, soziale Netzwerke zur Entlastung aufzubauen, aber auch zu kleinen visuellen Ankern, einem Bild oder einem Spruch, der daran erinnert, mal Pause zu machen.
Aber lassen Kinder Pausen der Eltern überhaupt zu? Oder maulen sie so lange, bis Mama die Tasse Kaffee kalt werden lässt und ihnen wie gewünscht hilft? „Kinder sind sehr feinfühlig, sie akzeptieren das, wenn die Mutter wirklich dahinter steht und es ernst meint“, erklärt die Erzieherin. Es funktioniere natürlich nicht immer sofort. Es sei gut, die Pause vorzubereiten, zu erklären und zum Beispiel ein Puzzle für das Kind bereitzulegen. „Letztendlich tut es aber auch den Kindern gut, weil sie lernen, dass auch Eltern Wünsche und Bedürfnisse haben.“Ganz wichtig ist Bianca Krämer noch eins: „Wir beschäftigen uns so viel mit Negativem, mit dem, was nicht läuft. Es ist gut, auch mal auf das zu achten, was gut läuft.“Damit der Traum vom perfekten Familienleben nicht im Mama-Burnout endet.