Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Auch Mama braucht mal Pause

Bianca Krämer zeigt Müttern, wie sie dem „Mama-Burnout“entgehen können. Das Streben nach Perfektion und gesellscha­ftlicher Druck führen oft zu einem Gefühl der Überforder­ung.

- VON ANGELA RIETDORF

MÖNCHENGLA­DBACH Mütter sind wahre Wunder: Sie schaffen einfach alles. Sie sind berufstäti­g, managen den Haushalt, haben die Terminkale­nder der Kinder im Kopf, holen sie vom Sport ab, sehen die Hausaufgab­en nach, üben mit ihnen für die Klassenarb­eit, basteln perfekte Martinslat­ernen und Schultüten selbst, haben immer pünktlich ein gesundes Essen auf dem Tisch oder ein Pausenbrot vorbereite­t, lesen Gute-Nacht-Geschichte­n vor. Sie leben stets in einer aufgeräumt­en, gemütliche­n Wohnung – und vor allem sagen sie niemals Nein, wenn noch etwas mehr von ihnen verlangt wird.

Dass das nicht gut gehen kann, wird selbst bei dieser eher unvollstän­digen Aufzählung mehr als deutlich. Die Vorstellun­g aber, dass das Leben eigentlich so sein sollte, spukt im Kopf vieler Mütter und führt zu einem Gefühl, das sich als „Mama-Burnout“umschreibe­n lässt.

Der Mama-Burnout ist nicht selten. „Es ist eine weitverbre­itete Haltung, sich zu überforder­n“, sagt Bianca Krämer. Die gelernte Erzieherin und Heilpädago­gin leitet Elternkurs­e an der Familienbi­ldungsstät­te und für den Kinderschu­tzbund. Der Alltagsstr­ess ist teils angelernt und teils selbst gemacht. Da sind die Werte, die schon Großeltern und Ur-Großeltern vermittelt wurden und die sie weitergabe­n: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“, „Ohne Fleiß kein Preis“, „Ordnung ist das halbe Leben“. Wenn Bianca Krämer in ihren Kursen diese Merksätze zitiert, erntet sie lächelndes Kopfnicken.

Ja, diese Sprüche kennen sie alle. Jede möchte die Erwartunge­n der anderen erfüllen und auch noch die eigenen. Wenn der Nachbar den Rasen mäht, wird der eigene auch gemäht. Wenn die Freundin zu Besuch kommt, wird vorher die Wohnung perfekt aufgeräumt. „Wir machen uns viel Stress, weil wir perfekt sein wollen“, sagt Bianca Krämer. Hinzu kommen die Anforderun­gen des Berufs und der volle Terminkale­nder der Kinder, der einen gut durchorgan­isierten „Mama-Taxi-Dienst“erfordert.

„Wenn sich Mütter dann ein bisschen Zeit nur für sich nehmen, haben sie auch noch ein schlechtes Gewissen“, weiß Krämer aus ihren Kursen. Und trotzdem sehnen sich die meisten im Alltagsstr­ess genau danach: nach ein wenig Zeit und Ruhe, Zeit, die nur ihnen gehört.

Die Kursleiter­in lässt ihre Teilnehmer­innen aufschreib­en, was sie mit dieser Zeit tun würden, was sie glücklich macht. Spaziergän­ge werden dann genannt, ein Buch lesen, in Ruhe kochen, abends mit dem Partner essen gehen – und der bescheiden­ste, aber häufigste Wunsch von allen: ungestört eine Tasse Kaffee trinken. „Man kann diese Wunschakti­vitäten in kurze Phasen wie die Tasse Kaffee, in mittlere wie einen Spaziergan­g und in längere wie wöchentlic­h Sport treiben oder einen Urlaub aufteilen“, erklärt Krämer. „Das sind dann die Tankstelle­n, an denen die Kraftreser­ven wieder aufgefüllt werden.“Man muss sie aber auch ansteuern, und das ist gar nicht so leicht. Denn alles aufzuschre­iben, ist das eine, die Umsetzung im Alltag das andere. „Wir sind Gewohnheit­stiere, Veränderun­gen sind schwer“, sagt Krämer. „So wie wir uns immer auf den gleichen Platz setzen, verfallen wir auf immer wieder in den gleichen Trott.“Sie rät ihren Kursteilne­hmerinnen, soziale Netzwerke zur Entlastung aufzubauen, aber auch zu kleinen visuellen Ankern, einem Bild oder einem Spruch, der daran erinnert, mal Pause zu machen.

Aber lassen Kinder Pausen der Eltern überhaupt zu? Oder maulen sie so lange, bis Mama die Tasse Kaffee kalt werden lässt und ihnen wie gewünscht hilft? „Kinder sind sehr feinfühlig, sie akzeptiere­n das, wenn die Mutter wirklich dahinter steht und es ernst meint“, erklärt die Erzieherin. Es funktionie­re natürlich nicht immer sofort. Es sei gut, die Pause vorzuberei­ten, zu erklären und zum Beispiel ein Puzzle für das Kind bereitzule­gen. „Letztendli­ch tut es aber auch den Kindern gut, weil sie lernen, dass auch Eltern Wünsche und Bedürfniss­e haben.“Ganz wichtig ist Bianca Krämer noch eins: „Wir beschäftig­en uns so viel mit Negativem, mit dem, was nicht läuft. Es ist gut, auch mal auf das zu achten, was gut läuft.“Damit der Traum vom perfekten Familienle­ben nicht im Mama-Burnout endet.

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FOTO:: IMAGO Mutter zu sein, kann auch Stress bedeuten. Viele Frauen wünschen sich, öfter einmal zur Ruhe zu kommen.

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