Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Warum „ICH WILL GRÜN!“erzieheris­ches Handeln erfordert

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elche Rolle nehmen Großeltern ein, wenn sie ihre Enkel betreuen? Ist es die des KümWmerers?

Oder sind sie der verlängert­e Arm der Eltern, deren Aufgaben und Regeln sie widerspieg­eln? Es ist schwierig, auf diese Fragen überzeugen­de Antworten zu geben. Omas und Opas sind schließlic­h keine Erfüllungs­gehilfen, die nur das knallhart tun, was Eltern vorgeben. Der Reiz, den Großeltern aus der Sicht ihrer Enkel darstellen, liegt auch darin, dass man bei Oma und Opa Grenzen verändern kann. Kennen wir doch: Wenn normale Schlafensz­eit der Kinder im häuslichen Umfeld um 20 Uhr ist, verschiebt sich diese nach hinten, wenn darüber Großeltern bestimmen.

„Meine Kinder habe ich erzogen, meine Enkel verwöhne ich“, hat mir einmal eine Oma gesagt. Diese Aussage drückt nicht nur die besondere Situation zwischen Großeltern und ihren Enkeln aus, sie hat auch einen sehr wahren Kern. Aber schließt dies erzieheris­ches Handeln aus? Wohl kaum. Zumal Enkel wissen, wie das empathisch­e Binnenverh­ältnis funktionie­rt, und da munter und die eigenen Interessen immer im Blick auf der Verwöhn-Klaviatur spielen.

Sind unsere Enkelinnen bei uns, kommt irgendwann eine von ihren Top-Fragen: „Dürfen wir etwas Süßes?“Sowohl im Elternhaus als auch bei uns sind Süßigkeite­n nicht verpönt, die Regeln bei Mama und

Papa sind aber restriktiv­er. Klar doch, dass die Enkelinnen ausloten, ob sie diese Grenze bei Oma und Opa aufweichen können. Und dann beginnen harte Verhandlun­gen, die denen in der großen Politik ähneln – was, wann und wie viel, bis zu meiner Feststellu­ng: „Dann ist aber Schluss!“Wobei mein scheinbar endgültige­s „Schluss!“auf dem letzten Drücker immer noch ein klitzeklei­nes bisschen variiert wird und dann ein Mehr beinhaltet. Alles wäre einfacher, wenn wir eine Regelung wie die Schweden hätten: Süßigkeite­n gibt’s da nur samstags. Diese „Lördagsgod­is“haben ihren Ursprung in einer Kampagne gegen Karies aus den 1930er und 1940er Jahren. Aber auch die Schweden sind heute nicht mehr so streng.

Meine Frau ist da konsequent­er. Das liegt mit daran, dass sie dies aus ihrem schulische­n Alltag kennt und Abweichung­en von der vereinbart­en Regel selten zulässt. Sie hatte auch eine Idee, wie sie den Verhandlun­gsmarathon begrenzt: Sie stellte Schatzkist­en auf. Und zwar zwei, weil es zur Süßigkeite­n-Frage lange eine weitere gab, die auftauchte, wenn sich die Enkelinnen verabschie­deten. Irgendetwa­s aus unserem Haus musste jedes Kind mit nach Hause nehmen. „Kann ich mir das ausleihen?“, hieß es dann. Nun dürfen sie sich in einer Schatzkist­e bedienen. Entweder aus der Süßigkeite­n-Kiste oder ein Mitbringse­l, eine Art Kinder-Gadget aus der Wunder-Kiste. Die Süßigkeite­n-Frage ist damit geklärt, und Ausleihen ist auch kein Thema mehr.

Erzieheris­che Eingriffe sind vor allem dann gefordert, wenn es Krach unter den Enkelinnen gibt. So wie jüngst. Matilda (7) bekommt seit jeher beim Essen den Porzellan-Kindertell­er, den schon ihr Papa nutzte. Dieses ihr zustehende Recht stellte bisher niemand in Frage. Bis an jenem Mittag, als eine trotzige Elisa (4) ihren Kunststoff-Teller durch die Küche pfefferte, Matildas Teller mit beiden Händen umklammert­e und wegen seiner besonderen farblichen Gestaltung laut forderte: „ICH WILL GRÜN!“Matilda blickte ängstlich und hilflos. Meine Frau nahm den „Kampf der Giganten“an – und gewann. Dank der Verhandlun­gsmasse aus der Wunder-Schatzkist­e.

 ?? FOTO: DETLEF ILGNER ?? Kolumnist Dieter Weber ist Opa von Hannah (10), Matilda (7) und Elisa (4). An dieser Stelle berichtet er regelmäßig vom aufregende­n Opa-Leben.
FOTO: DETLEF ILGNER Kolumnist Dieter Weber ist Opa von Hannah (10), Matilda (7) und Elisa (4). An dieser Stelle berichtet er regelmäßig vom aufregende­n Opa-Leben.

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