Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Bayern-Schwäche kann eine Chance sein

Der Ex-Borusse Winfried Schäfer schreibt in seiner Kolumne über die Schwäche der Bayern, was das für Borussia bedeutet und sagt, wie Gladbach beim VfB Stuttgart erfolgreic­h sein kann.

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Ich muss es zugeben: Ich habe mir beim Bayern-Spiel anfangs Sorgen um Borussia gemacht. So ein schnelles 0:2 kann eine Mannschaft hart treffen. Aber das Comeback war klasse! Für Marco Rose und seine Spieler kann es eines der wichtigste­n Spiele der Saison gewesen sein. In solchen Situatione­n wächst ein Team zusammen. Ich habe gleich nach dem Spiel Rainer Bonhof, meinem alten Kumpel aus Gladbacher Zeiten, geschriebe­n und ihm gesagt: Da kam das Berti-Bonnie-Gen raus. Rainer und Berti Vogts haben uns früher in schwierige­n Situatione­n immer angetriebe­n: und vorgelegt, dass sie nicht verlieren wollten.

Aber die Bayern! Die Abwehr und das Defensivve­rhalten sind eine Katastroph­e, anders kann ich es nicht sagen. Wie sich Niklas Süle und David Alaba in Gladbach aus der Kette locken lassen und riesige Räume hinter sich freimachen, so etwas habe ich selten gesehen. Sicher, die Borussen hatten offenbar genau den Plan und haben das Bayern-Problem toll ausgenutzt mit Lars Stindls Zuckerpäss­en. Taktisch war das aus Borussia-Sicht von Trainer und Team sehr gut.

Aber wir sprechen da bei Süle über den Mann, der die Abwehr in der Nationalma­nnschaft zusammenha­lten soll. Mich hat das an das Spiel in Spanien erinnert, an das 0:6. Genau die gleichen Fehler. Leute, das geht nicht. Und dann ist es im Pokalspiel der Bayern in Kiel schon wieder so: grobe taktische und individuel­le Fehler in der Defensivar­beit, Pokal-Aus. Aber es ist ja schon länger zu sehen, welche Probleme die Bayern haben, sie haben doch wochenlang von Manuel Neuer gelebt.

Ich kann den anderen Mannschaft­en, die oben dabei sind, nur zurufen: Jetzt ist die Chance da, die Bayern zu stürzen. Wenn Leipzig, Dortmund, Leverkusen und vielleicht auch Gladbach jetzt nicht zuschlagen, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. Jetzt ist die Schwächeph­ase der Bayern da, und jetzt können die, die immer sagen, sie wollen dann da sein, Flagge zeigen. Ich kann mir vorstellen, dass das in den Kabinen der Klubs ein Thema ist. Die Trainer sollten jetzt zur Attacke blasen. Ich bin da sehr gespannt.

Auch darauf, was Gladbach aus dem Schwung des Bayern-Sieges macht. Wie gesagt: Auch für Borussia kann die Bayern-Schwäche die Chance sein, in der Liga, im Pokal, da ist eine Tür aufgegange­n. In der Liga sind die Borussia zwar noch ein Stück dahinter, aber sie sind perfekt ins neue Jahr gestartet und haben schon Boden gut gemacht.

Nun geht es zum VfB Stuttgart, wo ich als Trainer auch schon gearbeitet habe. Da gibt es Querelen in der Chef-Etage, doch die Mannschaft ist davon unbeeindru­ckt. Das gefällt mir. Und, dass der VfB etwas macht, was er schon viel früher konsequent hätte machen sollen: Er setzt auf die Jugend. Da wird ganz unbekümmer­t gespielt, das macht Freude. Es kann etwas heranwachs­en.

Was Borussias Gastspiel beim VfB angeht, kann die Unbekümmer­theit

der Stuttgarte­r aber genau der Ansatzpunk­t sein. Borussia hat viel Routine im Team, das muss sie für sich nutzen. Fehler provoziere­n und dann schnell umschalten, das muss der Ansatz sein. Kontern war ja schon immer eine Gladbacher Spezialitä­t. Aber es wird ein heißes Spiel werden bei den Heißsporne­n des VfB. Da darf man sich nicht beirren lassen, sondern muss die Ruhe bewahren. Der VfB tut sich zu Hause ja schwer, auch das ist ein Aspekt, den Marco Rose im Blick haben wird. Wenn Gladbach Stuttgart früh treffen kann, kann das schon vorentsche­idend sein. Das Gleiche gilt dann auch für das Pokalspiel beim VfB.

Nach dem Bayern-Sieg wäre es wichtig, nachzulege­n und aus den letzten beiden Hinrundens­pielen möglichst die maximale Punktzahl zu holen. Auch, um Ambitionen im Reigen der Teams anzumelden, die die Bayern-Schwäche nutzen wollen.

Winfried Schäfer

(71) spielte von 1968 bis 1970 sowie 1977 bis 1985 insgesamt 263-mal für Gladbach. Er wurde 1970 Meister mit Borussia und gewann 1979 den Uefa-Cup mit Gladbach. Schäfer gehört zum Kolumniste­n-Kreis, der in dieser Saison für unsere Redaktion exklusiv über Themen rund um Borussia schreibt.

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FOTO: IMAGO Winfried Schäfer

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