Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Er ist der letzte Kämpfer in Lützerath
Eckhard Heukamp will seine Heimat in Lützerath nicht kampflos aufgeben. Er ist der letzte Einwohner des Dorfes, das vom Tagebau bedroht ist.
LÜTZERATH Eckhard Heukamp schaut grimmig drein, wenn er an den 19. Januar denkt. Das ist der Tag, an dem der Grundabtretungsbeschluss gegen ihn vollstreckt werden soll. Der Beschluss würde ihn dazu zwingen, seinen Grund und Boden in Lützerath abzugeben, um RWE die uneingeschränkte Fortführung des Tagebaus Garzweiler II und den weiteren Abriss von Lützerath zu ermöglichen. Auf 87 Seiten begründet die Bezirksregierung ihre Entscheidung für die vorzeitige Besitzeinweisung zugunsten des Bergbautreibenden.
Heukamp wird dagegen angehen und fristgemäß rechtliche Schritte einleiten, so kündigt er an. Der 56-jährige Landwirt möchte nicht kampflos seine Heimat aufgeben, von der große Teile schon verwüstet, abgerissen oder weggebaggert sind. Lützerath ist nicht mehr der Ort, der er noch vor wenigen Monaten war: Bäume säumten das Dorf, die Häuser waren fast alle noch bewohnt, es herrschte vertrautes Leben. Das ist vorbei. Die Abbruchunternehmen haben ganze Arbeit geleistet, der Großteil der Bäume ist gerodet worden, einige Häuser gibt es nicht mehr, andere sind mit Brettern vor Fenster und Türen verbarrikadiert, Bauzäune umgeben sie. Ein Ordnungsdienst patrouilliert und schützt das Eigentum von RWE. Tagebaugegner haben an Ortsrand schon vor Monaten eine Mahnwache eingerichtet. Protestaktionen gegen den Abriss und für den Erhalt der Dörfer im Erkelenzer Osten finden in Lützerath regelmäßig statt, die Polizei ist im Dauereinsatz.
Heukamp ist der letzte Einwohner von Lützerath, der sich noch nicht mit dem Konzern geeinigt hat. „Ich bin kein Freund der Kohle“, sagt er, der ein Herz für die Aktivisten hat, die in Lützerath in Zelten und in drei Häusern wohnen.
Heukamp hat die Gebäude und die Grundstücke an sie vermietet. Er unterstützt die Tagebaugegner, die mit Hausbesetzungen, Straßenblockaden und Bannern immer wieder ihren Protest gegen den Klimakiller Braunkohle und das Gebaren von RWE deutlich machen. Heukamp kennt sich mit den Methoden von RWE aus. Er hat bereits einmal eine Umsiedlung eines landwirtschaftlichen Betriebs mitgemacht. In Borschemich musste er weichen und sich zurückziehen auf den Betrieb in Lützerath. Das war vor 15 Jahren. Von den ehemals 100 Hektar Ackerfläche sind ihm noch 35 geblieben. Inzwischen habe er „eine gewisse Routine“im Umgang mit RWE, sagt Heukamp. „Man will mich unter Druck setzen, damit ich gehe“, meint er und zeigt auf die verwüstete Nachbarschaft seines Bauernhauses. „Der Grundsatz, erst dann abzureißen, wenn alle Bewohner umgesiedelt sind, gilt für Lützerath nicht.“Heukamp kann von seinem Bauernhof auf sein Elternhaus blicken, einem schmucken Haus in einem großen Garten. Er selbst wohnt in einem historischen Gemäuer. Der älteste Teil stammt aus dem Jahr 1763. Das weiß getünchte Gebäude soll ebenso der Abrissbirne zum Opfer fallen wie schon viele Häuser bisher. Noch harrt Heukamp aus und kämpft mit rechtlichen Mitteln gegen die drohende Enteignung. Zwei materielle Punkte hat er zu bemängeln. RWE bietet ihm keine adäquate Alternative bei den Ackerflächen. „Außerdem wird der Verkehrswert der Gebäude viel zu gering angesetzt.“Auch ein immaterieller Aspekt gilt für den Landwirt: „Warum wird der Heimatverlust nicht entschädigt?“
In seiner Abneigung gegen die Braunkohlenutzung ist sich Heukamp einig mit den vielen Aktivisten, die in Lützerath heimisch geworden sind. „Die Politiker treffen heute Entscheidungen, die der Steuerzahler später bezahlen muss“, mahnt er. „Die Folgen, die die Allgemeinheit zu bezahlen hat, sind unabsehbar.“Statt auf die Kohle solle auf erneuerbare Energien gesetzt werden. Der Landwirt will in diesem Jahr seine Äcker wie in den Jahren zuvor bewirtschaften. Dass ihm bisweilen selbst bei Polizeisperren die Zufahrt zu seinem eigenen Hof verwehrt wird, ist dabei noch das kleinste Übel. Diese Probleme sind schnell zu beheben, das Verfahren um die vorzeitige Besitzeinweisung könnte viel länger dauern, wenn Heukamps Anwälte bis zum 19. Januar aktiv geworden sind.