Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Warum das Glasfasernetz ein Flickenteppich ist
Nur wenige Haushalte haben Glasfaser-Anschlüsse. Noch reichen Bandbreiten aus VDSL und TV-Kabel. Das könnte sich aber bald ändern.
MÖNCHENGLADBACH Die SchlossDyck-Straße in Schelsen ist eine hübsche Dorfstraße. Alte Fachwerkhäuser, Bauernladen, Gaststätte, Briefkasten, der einmal am Tag geleert wird, nur sonntags nicht. Die Besonderheit dieser Straße kann man aber nicht sehen: Die Anwohner haben als ganz wenige in Mönchengladbach die Wahl zwischen gleich mehreren bestmöglichen Internetverbindungen. Dort gibt es nicht nur das überall verlegte, aber vergleichsweise langsame VDSL-Netz der Telekom, sondern auch das TV-Kabelnetz, das heute zu Vodafone gehört, und Glasfaserleitungen der Deutschen Glasfaser.
Mit anderen Worten: Der Ort Schelsen ist neben Broich im Rheindahlener Land, einem Teil von Speick und sonst nur wenigen anderen Sprengseln in der Stadt gleich mit mehreren Hochgeschwindigkeits-Netzen ausgerüstet. Nirgendwo sonst sind sowohl Glasfaser als auch TV-Kabel verfügbar. Schneller geht’s nirgendwo auf die Datenautobahnen als auf dem Lande. Damit sind das die Vorzeigegebiete in der Stadt, die der Gigabit-Beauftragte der Wirtschaftsförderung, Benjamin Schmidt, gerne so weit wie möglich ausweiten würde.
Grundsätzlich steht Mönchengladbach bei der Breitbandversorgung im regionalen Vergleich gar nicht so schlecht da, wie aus dem
Breitbandatlas des Landes NRW hervorgeht. 70,2 Prozent der Haushalte haben theoretisch Zugang zu einer Anschlussqualität von mehr als 1000 Mbit pro Sekunde im Download. Das bezeichnet man gemeinhin als Gigabit-Infrastruktur. Nur die Ballungsräume Köln, Düsseldorf, Aachen und Teile des Ruhrgebietes kommen auf über 80 Prozent. 93 Prozent der Haushalte kommen in Gladbach auf mindestens 100 Mbit pro Sekunde. Die wenigen Flecken auf dieser Karte, auf denen Geschwindigkeiten von weniger als 30 Mbit möglich waren, sind oder werden gerade mit Fördermitteln vom Bund ans Glasfasernetz angeschlossen.
Allerdings kommt die Gigabitquote nur durch den Anschluss ans TV-Kabelnetz zusammen. Dabei wurden Bandbreiten im Download erhöht, im Upload bleibt es aber bei 50 Mbit pro Sekunde. „Das kann weiter das Nadelöhr sein“, sagt Schmidt. Zudem hängt die reale Geschwindigkeit sowohl im VDSL-Netz wie auch beim TV-Kabel von der Auslastung ab. Je mehr Nutzer im Netz sind, umso langsamer wird’s. In den Innenstädten beherrscht das TV-Kabel den Markt, da gibt es kaum Glasfaser.
Aus dem Glasfaser-Flickenteppich soll aber eine flächendeckende Versorgung werden. Einzelne weitere Ausbauprojekte stehen laut Schmidt in den Startlöchern, die Deutsche Glasfaser will etwa in Uedding zeitnah ein Vermarktungsprojekt
starten. „Perspektivisch sollen die Innenstädte mit Glasfaser ausgebaut werden, aber aktuell gibt es da bei den meisten wenig Bedarf“, sagt Schmidt. Die Stadt sammelt Bedarfsmeldungen auf der Webseite gigabitcity.mg, dort können Nutzer auch die Verfügbarkeit von Internetbandbreiten und Zugängen prüfen.
Das Ende der heute verfügbaren Bandbreite kann nämlich schnell erreicht sein: Wenn in einer vierköpfigen Familie die Eltern im Home Office arbeiten, ein Kind am Online-unterricht teilnimmt und ein anderes einen Film streamt, dann erreichen viele Anschlüsse schnell die Kapazitätsgrenze. Der Datenhunger ist schon vor Corona exponentiell gewachsen: 2019 lag der Monatsverbrauch im Durchschnitt in Deutschland bei 168,1 Gigabyte. Das war doppelt so viel wie noch 2016. Und Corona wird dafür sorgen, dass 2020 und 2021 neue Spitzenwerte erreicht werden. Den Menschen in Schelsen kann das am ehesten egal sein.