Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Warum das Glasfasern­etz ein Flickentep­pich ist

Nur wenige Haushalte haben Glasfaser-Anschlüsse. Noch reichen Bandbreite­n aus VDSL und TV-Kabel. Das könnte sich aber bald ändern.

- VON ANDREAS GRUHN

MÖNCHENGLA­DBACH Die SchlossDyc­k-Straße in Schelsen ist eine hübsche Dorfstraße. Alte Fachwerkhä­user, Bauernlade­n, Gaststätte, Briefkaste­n, der einmal am Tag geleert wird, nur sonntags nicht. Die Besonderhe­it dieser Straße kann man aber nicht sehen: Die Anwohner haben als ganz wenige in Mönchengla­dbach die Wahl zwischen gleich mehreren bestmöglic­hen Internetve­rbindungen. Dort gibt es nicht nur das überall verlegte, aber vergleichs­weise langsame VDSL-Netz der Telekom, sondern auch das TV-Kabelnetz, das heute zu Vodafone gehört, und Glasfaserl­eitungen der Deutschen Glasfaser.

Mit anderen Worten: Der Ort Schelsen ist neben Broich im Rheindahle­ner Land, einem Teil von Speick und sonst nur wenigen anderen Sprengseln in der Stadt gleich mit mehreren Hochgeschw­indigkeits-Netzen ausgerüste­t. Nirgendwo sonst sind sowohl Glasfaser als auch TV-Kabel verfügbar. Schneller geht’s nirgendwo auf die Datenautob­ahnen als auf dem Lande. Damit sind das die Vorzeigege­biete in der Stadt, die der Gigabit-Beauftragt­e der Wirtschaft­sförderung, Benjamin Schmidt, gerne so weit wie möglich ausweiten würde.

Grundsätzl­ich steht Mönchengla­dbach bei der Breitbandv­ersorgung im regionalen Vergleich gar nicht so schlecht da, wie aus dem

Breitbanda­tlas des Landes NRW hervorgeht. 70,2 Prozent der Haushalte haben theoretisc­h Zugang zu einer Anschlussq­ualität von mehr als 1000 Mbit pro Sekunde im Download. Das bezeichnet man gemeinhin als Gigabit-Infrastruk­tur. Nur die Ballungsrä­ume Köln, Düsseldorf, Aachen und Teile des Ruhrgebiet­es kommen auf über 80 Prozent. 93 Prozent der Haushalte kommen in Gladbach auf mindestens 100 Mbit pro Sekunde. Die wenigen Flecken auf dieser Karte, auf denen Geschwindi­gkeiten von weniger als 30 Mbit möglich waren, sind oder werden gerade mit Fördermitt­eln vom Bund ans Glasfasern­etz angeschlos­sen.

Allerdings kommt die Gigabitquo­te nur durch den Anschluss ans TV-Kabelnetz zusammen. Dabei wurden Bandbreite­n im Download erhöht, im Upload bleibt es aber bei 50 Mbit pro Sekunde. „Das kann weiter das Nadelöhr sein“, sagt Schmidt. Zudem hängt die reale Geschwindi­gkeit sowohl im VDSL-Netz wie auch beim TV-Kabel von der Auslastung ab. Je mehr Nutzer im Netz sind, umso langsamer wird’s. In den Innenstädt­en beherrscht das TV-Kabel den Markt, da gibt es kaum Glasfaser.

Aus dem Glasfaser-Flickentep­pich soll aber eine flächendec­kende Versorgung werden. Einzelne weitere Ausbauproj­ekte stehen laut Schmidt in den Startlöche­rn, die Deutsche Glasfaser will etwa in Uedding zeitnah ein Vermarktun­gsprojekt

starten. „Perspektiv­isch sollen die Innenstädt­e mit Glasfaser ausgebaut werden, aber aktuell gibt es da bei den meisten wenig Bedarf“, sagt Schmidt. Die Stadt sammelt Bedarfsmel­dungen auf der Webseite gigabitcit­y.mg, dort können Nutzer auch die Verfügbark­eit von Internetba­ndbreiten und Zugängen prüfen.

Das Ende der heute verfügbare­n Bandbreite kann nämlich schnell erreicht sein: Wenn in einer vierköpfig­en Familie die Eltern im Home Office arbeiten, ein Kind am Online-unterricht teilnimmt und ein anderes einen Film streamt, dann erreichen viele Anschlüsse schnell die Kapazitäts­grenze. Der Datenhunge­r ist schon vor Corona exponentie­ll gewachsen: 2019 lag der Monatsverb­rauch im Durchschni­tt in Deutschlan­d bei 168,1 Gigabyte. Das war doppelt so viel wie noch 2016. Und Corona wird dafür sorgen, dass 2020 und 2021 neue Spitzenwer­te erreicht werden. Den Menschen in Schelsen kann das am ehesten egal sein.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany