Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Lebenszeichen aus der Musikszene
Live-Auftritte sind für Bands in Corona-Zeiten zur Seltenheit geworden. Ihre Fans unterhalten sie weiterhin – auch mit neuem Material.
MÖNCHENGLADBACH Tote Hose! Treffender kann man bei andauernder Pandemie in unserer Region den Zustand der Live-Szenerie nicht betiteln. Frustiert beobachten die Akteure die kleinen, sprießenden Pflänzchen, mit denen manche Branche seit wenigen Tagen bei uns wieder auf sich aufmerksam macht. Erst die Friseure; Textil folgte dezent, Baumärkte vertreiben Heimwerkern endlich wieder die Langeweile, und Gärtner bekommen in teils schon frühlingshaftem Freiland gerade noch die Kurve. Selbst das Museum darf wieder.
Was „Systemrelevante“eh zu unser aller Wohl die ganze Zeit durchzogen, ist unseren Lieblings-Kulturschaffenden und mit ihnen dem gesamten Tross aus dem Backoffice lange schon verwehrt. Man darf gespannt sein, wer beim Neustart noch mit von der Partie ist. Immerhin verirrt sich in den sozialen Medien zwischen Hinweisen zur Lachyoga-Ausbildung und der „Talk & Learn“-Veranstaltung eines Kulturbüros auch schon wieder die ein oder andere Werbung für zukünftige Konzert-Termine wie Booster am 25. Juli beim Strandkorb Open Air im Sparkassenpark.
Die Musiker hören schon lange keinen Beifall bei ihrer Arbeit, versinken trotzdem nicht in Agonie. Irgendwann geht es weiter und dafür muss man gewappnet sein, wissen die Akteure. Und so pendeln sie zwischen der Arbeit im Proberaum, dem Tonstudio und Homeoffice mehr oder weniger öffentlichkeitswirksam hin und her.
„Wir haben die Zeit genutzt und unser Programm für die kommende Biergarten-Saison auf links gedreht“, berichtet Heinrich Verheyden, Sänger der Remember Band.
Die Coverband ist nach eigenen Angaben gut 40 Jahre im Geschäft, hat sich vor allem durch die vorweihnachtliche „Christmas Classics“-Serie in der Stadt einen Namen gemacht. Beim letzten Radio-Konzert hieß es, nach 18 Jahren Abschied von Thommes Weck zu nehmen. Zur Einarbeitung des neuen Bassisten Jonas Köpke kam die Pandemie eigentlich gelegen. „Das Programm steht, jetzt dürfte die Saison der Zeltfeste und in den Biergärten wieder beginnen“, hofft Verheyden. Sein Traum: „Mit der Remember Band beim Unges-Pengste-Fest in Korschenbroich auf der Bühne zu stehen.“
Gleich zu Beginn des Jahres sendete das Duo Rob & Paddy ein beeindruckendes Lebenszeichen via Facebook an seine Fans. Über Silvester schickte das Duo eine klangvolle Version von „The Power of Love“auf die Reise. Das weltberühmte Original stammt von der Band Frankie Goes to Hollywood. „Prima Böller-Alternative“, sagte Gitarrist Paddy Boy Zimmermann und freute sich mit Sänger Rob Collins über eine starke Resonanz im sozialen Netzwerk.
Pianist und Entertainer Sascha
Klaar („Teufel am Klavier“) juckt's schon lange wieder in den Fingern. Der Live-Star unzähliger Boogie-Woogie-Sessions auf großen und kleinen Bühnen im gesamten Show-Biz überraschte die Fans nach langer Pandemie-Pause vor wenigen Tagen via Facebook. Mit seiner Band spielte der gebürtige Mönchengladbacher ein öffentliches Stream-Konzert, bei dem er auf Zuruf die Lieblingslieder seiner Fans live spielte. Sein jüngster Coup: Live-Auftritte vor wenigen, ausgesuchten Gästen auf seiner Yacht im Düsseldorfer Hafen. „Ein Riesen-Spaß“, kommentierte Strahlemann-Klaar die gelungene Aktion.
Während die Electric-Rockband
Plexiphones dank erfolgreicher Internetpräsenz ihres Hit-Albums „Break in the Clouds“mit der ausgekoppelten Single „Fail in Love“in den Radios weltweit auch in Covid-19-Zeiten fleißig für sich arbeiten lässt und die Pandemie den Musikern der Alternative-Rocker von
The Wide Zeit gibt, sich im Proberaum neu zu erfinden, haben die Deutsch-Rocker der Band Astronaut vor wenigen Tagen unter dem Titel „Gelt“eine neue Scheibe veröffentlicht. Darauf zu finden: neun frühe Kompositionen. Klangvolle Sounds, authentisch und voller Sprachwitz. Nicht nur als Attribut an den Zeitgeist in Vinyl gepresst.
Der Titel „Gelt“steht für Geil und Alt. Ein weiteres Indiz für die vielfach gelungenen deutschen Texte bestätigen das Markenzeichen des Quartetts. Spitzfindige Wortakrobatik beschreibt oftmals Zweierbeziehungen mit einmaliger Selbstverständlichkeit, scheut Triviales nicht und ist voller Poesie. Die Songs stammen noch aus der Trio-Zeit von Alexander Cremer (Text, Gesang), Oliver Jansen (Gitarre, Keyboard, Drum-Programming) und Renè Blum (Bass, Keyboard, Drum-Programming). Sie klingen erstaunlich frisch.
Vor gut einem Jahrzehnt spielte sich das halbe Leben der Musiker im Proberaum ab. Für eine gute Idee jumpte man sogar in der Mittagspause schnell mal ins Studio und schmiss das Aufnahmegerät an. Live-Auftritte standen nicht auf dem Plan. Mangels Schlagzeuger wurden die Drums mit Rhythmusmaschinen eingespielt. Trotzdem ist Jetztzeit-Drummer Andreas Hülsen auf „Gelt“allgegenwärtig: Er besorgte das Mastering der Scheibe.
und es gibt einige Anspiel-Tipps: „König der Fläche“mit tanzbaren Beats und gelungenen NDW-Reminiszenzen, „Urlaub“weckt sehnsüchtige Reiselust, und „Mein bester Freund“ist eine Hymne an die Freundschaft. „Mal wieder auf der Bühne stehen und vor Publikum zu musizieren, das wär's“sagt Bandsprecher Hülsen und seufzt.
Ein Manko der Vinylscheibe: Die Credits auf dem Cover sind allzu mager ausgefallen. Angaben zu Musikern und Instrumenten fehlen; Songtitel stehen nur auf dem Label-Etikett der Platte.
Dafür gibt es für die Käufer von „Gelt“einen tollen „Astronando“-Lieferservice. Unter post@astronaut.nrw lässt sich die Scheibe für 19,95 bestellen. Ausgeliefert wird durch die Musiker per pedes. Mit jedem Erwerber schießt der Musikerlieferant ein Selfie, das abschließend mit witzigem Text ins Internet gesetzt wird. Weite Strecken übernimmt Andreas Hülsen mit dem Auto. Wer keinen Plattenspieler besitzt, kommt trotzdem nicht zu kurz: Jede verkaufte Scheibe ist mit einem Download-Code versehen. „Nach 300 verkauften Scheiben ist Schluss“, beschränken die Musiker der Astronaut`s ihre ungewöhnliche Vertriebsidee. Beinharte Fans sollten sich also beeilen.