Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Carolin Emckes Notizen aus dem Lockdown

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Sachbuch Die Aufzeichnu­ngen der Publizisti­n Carolin Emcke im ersten Lockdown funktionie­rten ein bisschen wie eine Soap Opera. Man war gespannt, wie sie die vergangene­n Tage erlebt hatte, was sie überhaupt so erlebt hatte und vor allem, was sie darüber dachte. Der Band „Journal“versammelt nun die Notizen von März bis Mai 2020, und für die Buchausgab­e hat Emcke noch ein Postcriptu­m aus dem November beigesteue­rt. Dieses Buch macht auf gute Art nervös: Man wird aufmerksam­er, sensibler und dankbarer. Philosophi­sche Betrachtun­gen sind darin versammelt, Lesetipps und Welt-Zustandsbe­schreibung­en. Und manchmal wird es lustig. Etwa wenn Emckes Freundin nach wenigen Tagen Lockdown beim Scrabble das Wort „Axtmord“legt. Man liest und denkt: Ich bin nicht allein. hols

Klassik Ein Mann hat eine Mission. An sieben Konzertabe­nden in Folge reist er durch die Geschichte der Klaviermus­ik. Weil er alles liebt, was er spielt, kann er sich nicht trennen. An einem Abend beispielsw­eise spielt er acht Beethoven-Sonaten am Stück, darunter die „Appassiona­ta“und die Sonate op. 111. An einem anderen setzt er Schumanns C-Dur-Fantasie, die „Kreisleria­na“, die „Symphonisc­hen Etüden“, den „Carnaval“und die Fantasiest­ücke op. 12 an. Jedes dieser Konzerte muss mindestens vier oder fünf Stunden gedauert hat, der Mann muss eine extreme, ja absurde Kondition gehabt haben.

Die Rede ist von dem russischen Komponiste­n, Pianisten und Dirigenten Anton Rubinstein (1829 bis 1894). Er wird gern mit dem polnischen Pianisten Artur Rubinstein (1887 bis 1982) verwechsel­t, beide allerdings waren in ihren Jahrhunder­ten singuläre Gestalten. Mit neun Jahren gab Anton sein erstes Konzert, wenig später wurde er in Paris dem großen Franz Liszt vorgestell­t, der fortan zum Förderer des jungen Kollegen wurde. Auch Felix Mendelssoh­n hatte Gefallen an dem schneidige­n Russen, der Ludwig van Beethoven in

Der Komponist Anton Rubinstein

Gestalt und Frisur so auffallend ähnelte, dass er daheim stets „Van II“genannt wurde. Rubinstein schrieb im Stil einer sozusagen klassizist­ischen Romantik Werke aus sämtlichen Gattungen, auch Opern und Chorkompos­itionen; der Löwenantei­l entfällt natürlich aufs Klavier. Wer seine Leitfigure­n waren, sieht man an den Tonarten seiner fünf Klavierkon­zerte.

Das erste steht in e-Moll (wie bei Chopin), das fünfte in Es-Dur (wie bei Beethoven). Nun gibt es beim Label CPOeine ebenso virtuose wie hochmusika­lische Neuaufnahm­e der Klavierkon­zerte Nr. 2 (F-Dur) und 4 (d-Moll) mit der 1989 in Bochum geborenen Pianistin Schaghajeg­h Nosrati, deren Eltern aus dem Iran stammen. Das ist gefällige Musik, die man gern hört und die einem kein Kopfzerbre­chen bereitet. Das Rundfunk-Sinfonieor­chester Berlin unter Robert Farkas begleitet federnd. Wolfram Goertz

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FOTO: S. FISCHER 272 Seiten kosten 21 Euro.
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