Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Mein Haus, mein Garten, mein Frauchen

In diesem Frühjahr wird James vier Jahre alt, ein selbstbewu­sster, erwachsene­r Corgi. Das sah im Welpenalte­r noch etwas anders aus.

- VON SUSANNE JORDANS Unsere Autorin Susanne Jordans schreibt in dieser Kolumne aus Sicht ihres Hundes.

MÖNCHENGLA­DBACH Juni 2017. Verdutzt hocke ich in einem fremden Auto, neben mir eine Frau, die ich nicht kenne. Die andere Frau vorne am Steuer war vor einigen Wochen schon mal bei uns, hat meine Geschwiste­r und mich besucht, war dann aber wieder weg. Über Alleen und Landstraße­n fahren wir auf die Autobahn. Auf der werden wir die nächsten sechs Stunden verbringen, nur unterbroch­en von einer Mini-Pieselrund­e für mich.

Ich gewöhne mich schnell an die Frau neben mir. Sie lässt mich in Ruhe, weiß, dass alles fremd, neu, mit lauter Fragezeich­en versehen für mich ist. Ab und an suche ich ihre Nähe, rücke an sie heran, dann streichelt sie mich und redet sanft auf mich ein. Die beiden Frauen im Auto sind ganz entspannt, der Wagen rollt ruhig geradeaus. Aus dem Autofenste­r kann ich noch nicht schauen, dazu bin ich mit meinen zehn Wochen zu klein.

Irgendwann an diesem sonnigen Frühsommer­tag kommen wir an dem Ort an, der nun mein neues Zuhause ist. Im Garten darf ich erst einmal machen, was ich will. Endlich Dampf ablassen nach der langen Fahrt! Ich rase durch Beete, die meine beiden Vorgänger-Corgis schon kahl getobt haben. Danke dafür: Keine lästigen Pflanzen im Weg, die meinen Bauch piksen könnten. Ich tolle durch Efeu als Bodendecke­r, umrunde acht Mal sämtliche Rhododendr­en, dann geht es im Zickzack um die beiden Hochbeete. Ich halte mich länger am Ende des Gartens auf. Das wird mein neuer Lieblingsp­latz, denn hier ist alles dicht bewachsen und keiner kann mich sehen.

Ich bin brav, kooperativ, aber auch eigensinni­g. Deswegen bin ich gegen den Welpenknas­t, den die Frau am Steuer, meine neue Besitzerin, in unserer Wohnung für mich aufgebaut hat. Ein Metallkäfi­g mit verschließ­barer Tür. Ruheort und Trainingsb­ox für die Erziehung zur Stubenrein­heit. Nicht mit mir. Sobald sich die Tür schließt, lege ich lautstark Protest ein. Die Tür bleibt offen, ich beobachte interessie­rt, wie meine Besitzerin weitere Inkontinen­ztücher an verschiede­nen Stellen auffaltet. Auch Treppengit­ter und ein Welpenausl­auf stoßen bei mir auf massiven Widerstand. Keine Chance. Da muss ich die nächsten Monate durch.

Offenbar wurden in Vorbereitu­ng auf mein nach hause kommen weitere lustige Maßnahmen ergriffen. So sind sämtliche Steckdosen in Corgi-Höhe mit Kindersich­erungen versehen, die Teppiche zusammenge­rollt, das Spielzeug meiner Vorgänger

riecht nach geschrubbt, die Ruheplätze wie dreimal durch die Waschmasch­ine gejagt. Ich piesele mehrfach auf die Ruheplätze und ignoriere bis auf wenige Ausnahmen das alte Spielzeug. Am nächsten Tag zieht meine Besitzerin los, um alles neu zu kaufen.

Die nächsten Monate erleben alle Beteiligte­n als intensiv. Mein Zahnwechse­l setzt ein, ich lenke mich vom Juckreiz ab, den die ausfallend­en Milchzähne verursache­n. Ich knabbere alles Mögliche an: Rinderhufe, Papier, ein Stuhlbein. Ich hadere mit meinem Futter, übergebe mich auf meinen Ruheplätze­n. Die Waschmasch­ine läuft öfters. Mit acht Monaten bin ich zuverlässi­g sauber, die neuen Zähne stehen seit einigen Wochen. Zuvor erlaubte ich mir immer wieder den Spaß, dem Wischmopp hinterherz­ujagen. Damit ich stubenrein wurde, gingen wir sechs-, dann fünf- und später dreimal am Tag nach draußen in die Welt. Ein paar Minuten Gassi gehen waren es am Anfang, von

Monat zu Monat wurden es mehr.

Während der Welpenzeit müssen wir auch einige Male zu meiner Tierärztin, dann gibt es immer eine Impfung. Schnell fange ich an, gegenüber dieser Frau eine milde Form von Misstrauen zu kultiviere­n. Und sonst so als Welpe? Ich schlafe mich groß. Ich spiele gerne, schmuse, lerne zu gehorchen. Ich entdecke voller Neugier meine Umwelt, auch wenn die mir manchmal Angst einjagt. Ich orientiere mich am alltäglich­en Geschehen, kann aber nicht alles einsortier­en, will begleitet und ein Stück weit beschützt werden. Ich brauche Ruhe und Zeit. Mit den Monaten entdecke ich Muster, die für Struktur sorgen: Wann die Fresszeite­n sind, wann es rausgeht, wann Nachtruhe ist.

Und dann, etwa mit sauber werden und Zahnwechse­labschluss, dufte ich nicht mehr nach Zimt und Marzipan. Ich rieche immer stärker nach Hund. Mein Fell ist fester und rötlich geworden, ich hebe beim Pipimachen das Bein, fange an, die Duftmarken anderer Hunde zu unterschei­den. Ich beschließe, mich ab sofort nicht mehr ohne weiteres bürsten zu lassen. Ich bin jetzt ein Junghund, steige ein in die Pubertät. Wie ich diese Phase und mein anschließe­ndes Erwachsenw­erden erlebte, habt ihr in meinem vorherigen Kolumnenbe­itrag ja schon lesen.

Es grüßt euch der charmantes­te Corgi vom linken Niederrhei­n, euer James

 ?? FOTO: SUSANNE JORDANS ?? Corgi James als Welpe mit elf Wochen in seinem Garten.
FOTO: SUSANNE JORDANS Corgi James als Welpe mit elf Wochen in seinem Garten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany