Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Mein Haus, mein Garten, mein Frauchen
In diesem Frühjahr wird James vier Jahre alt, ein selbstbewusster, erwachsener Corgi. Das sah im Welpenalter noch etwas anders aus.
MÖNCHENGLADBACH Juni 2017. Verdutzt hocke ich in einem fremden Auto, neben mir eine Frau, die ich nicht kenne. Die andere Frau vorne am Steuer war vor einigen Wochen schon mal bei uns, hat meine Geschwister und mich besucht, war dann aber wieder weg. Über Alleen und Landstraßen fahren wir auf die Autobahn. Auf der werden wir die nächsten sechs Stunden verbringen, nur unterbrochen von einer Mini-Pieselrunde für mich.
Ich gewöhne mich schnell an die Frau neben mir. Sie lässt mich in Ruhe, weiß, dass alles fremd, neu, mit lauter Fragezeichen versehen für mich ist. Ab und an suche ich ihre Nähe, rücke an sie heran, dann streichelt sie mich und redet sanft auf mich ein. Die beiden Frauen im Auto sind ganz entspannt, der Wagen rollt ruhig geradeaus. Aus dem Autofenster kann ich noch nicht schauen, dazu bin ich mit meinen zehn Wochen zu klein.
Irgendwann an diesem sonnigen Frühsommertag kommen wir an dem Ort an, der nun mein neues Zuhause ist. Im Garten darf ich erst einmal machen, was ich will. Endlich Dampf ablassen nach der langen Fahrt! Ich rase durch Beete, die meine beiden Vorgänger-Corgis schon kahl getobt haben. Danke dafür: Keine lästigen Pflanzen im Weg, die meinen Bauch piksen könnten. Ich tolle durch Efeu als Bodendecker, umrunde acht Mal sämtliche Rhododendren, dann geht es im Zickzack um die beiden Hochbeete. Ich halte mich länger am Ende des Gartens auf. Das wird mein neuer Lieblingsplatz, denn hier ist alles dicht bewachsen und keiner kann mich sehen.
Ich bin brav, kooperativ, aber auch eigensinnig. Deswegen bin ich gegen den Welpenknast, den die Frau am Steuer, meine neue Besitzerin, in unserer Wohnung für mich aufgebaut hat. Ein Metallkäfig mit verschließbarer Tür. Ruheort und Trainingsbox für die Erziehung zur Stubenreinheit. Nicht mit mir. Sobald sich die Tür schließt, lege ich lautstark Protest ein. Die Tür bleibt offen, ich beobachte interessiert, wie meine Besitzerin weitere Inkontinenztücher an verschiedenen Stellen auffaltet. Auch Treppengitter und ein Welpenauslauf stoßen bei mir auf massiven Widerstand. Keine Chance. Da muss ich die nächsten Monate durch.
Offenbar wurden in Vorbereitung auf mein nach hause kommen weitere lustige Maßnahmen ergriffen. So sind sämtliche Steckdosen in Corgi-Höhe mit Kindersicherungen versehen, die Teppiche zusammengerollt, das Spielzeug meiner Vorgänger
riecht nach geschrubbt, die Ruheplätze wie dreimal durch die Waschmaschine gejagt. Ich piesele mehrfach auf die Ruheplätze und ignoriere bis auf wenige Ausnahmen das alte Spielzeug. Am nächsten Tag zieht meine Besitzerin los, um alles neu zu kaufen.
Die nächsten Monate erleben alle Beteiligten als intensiv. Mein Zahnwechsel setzt ein, ich lenke mich vom Juckreiz ab, den die ausfallenden Milchzähne verursachen. Ich knabbere alles Mögliche an: Rinderhufe, Papier, ein Stuhlbein. Ich hadere mit meinem Futter, übergebe mich auf meinen Ruheplätzen. Die Waschmaschine läuft öfters. Mit acht Monaten bin ich zuverlässig sauber, die neuen Zähne stehen seit einigen Wochen. Zuvor erlaubte ich mir immer wieder den Spaß, dem Wischmopp hinterherzujagen. Damit ich stubenrein wurde, gingen wir sechs-, dann fünf- und später dreimal am Tag nach draußen in die Welt. Ein paar Minuten Gassi gehen waren es am Anfang, von
Monat zu Monat wurden es mehr.
Während der Welpenzeit müssen wir auch einige Male zu meiner Tierärztin, dann gibt es immer eine Impfung. Schnell fange ich an, gegenüber dieser Frau eine milde Form von Misstrauen zu kultivieren. Und sonst so als Welpe? Ich schlafe mich groß. Ich spiele gerne, schmuse, lerne zu gehorchen. Ich entdecke voller Neugier meine Umwelt, auch wenn die mir manchmal Angst einjagt. Ich orientiere mich am alltäglichen Geschehen, kann aber nicht alles einsortieren, will begleitet und ein Stück weit beschützt werden. Ich brauche Ruhe und Zeit. Mit den Monaten entdecke ich Muster, die für Struktur sorgen: Wann die Fresszeiten sind, wann es rausgeht, wann Nachtruhe ist.
Und dann, etwa mit sauber werden und Zahnwechselabschluss, dufte ich nicht mehr nach Zimt und Marzipan. Ich rieche immer stärker nach Hund. Mein Fell ist fester und rötlich geworden, ich hebe beim Pipimachen das Bein, fange an, die Duftmarken anderer Hunde zu unterscheiden. Ich beschließe, mich ab sofort nicht mehr ohne weiteres bürsten zu lassen. Ich bin jetzt ein Junghund, steige ein in die Pubertät. Wie ich diese Phase und mein anschließendes Erwachsenwerden erlebte, habt ihr in meinem vorherigen Kolumnenbeitrag ja schon lesen.
Es grüßt euch der charmanteste Corgi vom linken Niederrhein, euer James