Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
In der K-Frage bleibt nicht mehr viel Zeit
Die Union steckt tief in der Krise. Ausgerechnet jetzt müssen Laschet und Söder die wichtigste Entscheidung im Wahljahr angehen.
BERLIN Es war tief in der Nacht zu Dienstag, mehr als elf Stunden Beratungen zwischen Bund und Ländern waren vergangen, als der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einen bemerkenswerten Satz sagte: „Ungeduld darf nicht zu unserer Schwäche werden.“Söder meinte damit die rollende dritte Corona-Welle, die das pandemiemüde Land zu einem verlängerten Lockdown zwingt, weitere Verschärfungen nicht ausgeschlossen. Der CSU-Chef klang dabei wie ein strenger Vater, der seinen Sohn in einem Moment der Schwäche ermahnt: „Sei ein Mann!“Je verheerender die Pandemielage, desto mehr kehrt Söder den unbeirrbaren Krisenmanager heraus. Einerseits.
Doch andererseits lassen Söders Worte auch in Bezug auf seine eigene Person tief blicken. Schließlich steht die Kür des Kanzlerkandidaten der Union kurz bevor. Die Frage, wer es nun macht – der bayerische Regierungschef oder sein NRW-Amtskollege und CDU-Vorsitzender Armin Laschet –, begleitet die zwei potenziellen Anwärter auf Schritt und Tritt. Zwischen Ostern und Pfingsten soll die Personalie endgültig feststehen. Söder will die Entscheidung hinauszögern, solange es geht. Denn da sind nicht nur die steigenden Infektionszahlen, sondern da ist auch die Korruptionsaffäre, die die CSU besonders hart trifft. Söder spielt in der K-Frage nun auf Zeit: Ungeduld soll nicht zu seinem eigenen Nachteil werden.
Ganz anders Armin Laschet, der zuletzt deutlich durchblicken ließ, dass er die wichtige Entscheidung lieber früher als später herbeiführen will. Zwar verwies Laschet wiederholt auf den Zeitraum bis Pfingsten.
Doch kürzlich sagte er: „Es kann auch sehr schnell nach Ostern sein.“In CDU-Kreisen hält man eine Bekanntgabe bereits Mitte April für denkbar. Im Gegensatz zu Söder erhofft Laschet sich von einer früheren Entscheidung einen Vorteil.Blickt man auf Umfragen, dann stehen die Aussichten für den CDU-Chef schlecht. Auf die Frage, wer sich als Kanzler eigne, sagen laut ZDF-„Politbarometer“nur 23 Prozent der Befragten bei Laschet Ja, satte 65 Prozent Nein. Söder halten 56 Prozent für einen geeigneten Kanzler, nur 36 Prozent sind anderer Meinung.
Dennoch lässt Laschet keinen Zweifel daran, dass er Anspruch auf die Kanzlerkandidatur erhebt. Als
Vorsitzender der großen Schwester CDU hat er den Erstzugriff auf die Kandidatur. Die Stimmung in Laschets Umfeld ist derzeit am ehesten mit dem Auge des Orkans vergleichbar: Drumherum tobt der Sturm an schlechten Umfragen, Corona-Missmanagement-Kater, Söder-Spitzen – doch der CDU-Vorsitzende zieht unbeirrt seine Runden. In der vergangenen Woche traf er sich virtuell mit rund 200 Kreisvorsitzenden der Mittelstands- und Wirtschaftsunion – einst eine Festung seines Mitkonkurrenten um den Parteivorsitz, Friedrich Merz. Man debattierte kontrovers, doch die Stimmung richtete sich nie gegen den Parteichef.
Einen Tag später kam Laschet virtuell mit den CDU-Kreisvorsitzenden zusammen, vor allem die Maskenaffäre bewegte die Mitglieder. Zu den Verfehlungen einiger Parlamentarier sagte Laschet: „Wir wollen auch Menschen im Parlament mit viel Berufserfahrung, aber keine Parlamentarier, die erst geschäftlich tätig werden, wenn sie ins Parlament kommen.“Nach dem Treffen bekam Laschet ersten öffentlichen Rückhalt für seine Kanzlerkandidatur, unter anderem von den Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz und Roderich Kiesewetter. Unterstützung auch aus einer ungeahnten Ecke: Der baden-württembergische CDU-Vorsitzende Thomas
Strobl, nicht unbedingt ein Freund des Aacheners, sagte in einem Interview: „Die CDU Deutschlands möchte, dass unser Bundesvorsitzender Armin Laschet Kanzlerkandidat der Union wird.“Eine klare Ansage von Strobl, der im Südwesten nach der Schlappe bei der Landtagswahl um eine Regierungsbeteiligung im Ländle bangt.
Der CDU-Vorsitzende selbst will ab dieser Woche in die Offensive gehen. Präsidiumsschalte, Besprechung mit den Ost-Ländern, am Dienstag eine „Deutschlandrede“in der Parteizentrale, quasi der Start für eine Beteiligung am Wahlprogramm der Union. Die schlechten Umfragen irritieren ihn zumindest äußerlich nicht – er habe schon öfter aus der Defensive einen Coup gelandet, heißt es.
Söder hingegen kann als CSUChef nicht von sich aus die Kanzlerkandidatur beanspruchen. Dennoch ist unübersehbar, dass er sich in Stellung bringt. Nach einer Krisenschalte des CSU-Parteivorstandes am Freitag sagte Söder, es sei wichtig, „dass wir aus dem Kamillentee-Modus rauskommen“– und rein in den Modus „Red Bull oder Cola light“. Dazu muss man wissen, dass Söder kaum etwas anderes trinkt als Cola light. Die Botschaft dahinter: Sein Modus ist es, den das Land jetzt braucht. Offensive, Kampfeslust und Entschlossenheit – das ist Söders Linie, um sich in der K-Frage zu positionieren. Dabei lässt er weiterhin nicht offen erkennen, ob er Anspruch auf die Kandidatur erhebt.
Nun ist die Zeitspanne zwischen Ostern und Pfingsten lang, sieben Wochen, um genau zu sein. Gerade in Pandemiezeiten ist das eine halbe Ewigkeit, in der sich die Lage fundamental ändern kann. Für die beiden Aspiranten Laschet und Söder geht es nun auch darum, wer die Nerven behält und die Reihen trotz der Unruhen hinter sich schließen kann.