Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

In der K-Frage bleibt nicht mehr viel Zeit

Die Union steckt tief in der Krise. Ausgerechn­et jetzt müssen Laschet und Söder die wichtigste Entscheidu­ng im Wahljahr angehen.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND JANA WOLF FOTOS: DPA | MONTAGE: PODTSCHASK­E

BERLIN Es war tief in der Nacht zu Dienstag, mehr als elf Stunden Beratungen zwischen Bund und Ländern waren vergangen, als der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) einen bemerkensw­erten Satz sagte: „Ungeduld darf nicht zu unserer Schwäche werden.“Söder meinte damit die rollende dritte Corona-Welle, die das pandemiemü­de Land zu einem verlängert­en Lockdown zwingt, weitere Verschärfu­ngen nicht ausgeschlo­ssen. Der CSU-Chef klang dabei wie ein strenger Vater, der seinen Sohn in einem Moment der Schwäche ermahnt: „Sei ein Mann!“Je verheerend­er die Pandemiela­ge, desto mehr kehrt Söder den unbeirrbar­en Krisenmana­ger heraus. Einerseits.

Doch anderersei­ts lassen Söders Worte auch in Bezug auf seine eigene Person tief blicken. Schließlic­h steht die Kür des Kanzlerkan­didaten der Union kurz bevor. Die Frage, wer es nun macht – der bayerische Regierungs­chef oder sein NRW-Amtskolleg­e und CDU-Vorsitzend­er Armin Laschet –, begleitet die zwei potenziell­en Anwärter auf Schritt und Tritt. Zwischen Ostern und Pfingsten soll die Personalie endgültig feststehen. Söder will die Entscheidu­ng hinauszöge­rn, solange es geht. Denn da sind nicht nur die steigenden Infektions­zahlen, sondern da ist auch die Korruption­saffäre, die die CSU besonders hart trifft. Söder spielt in der K-Frage nun auf Zeit: Ungeduld soll nicht zu seinem eigenen Nachteil werden.

Ganz anders Armin Laschet, der zuletzt deutlich durchblick­en ließ, dass er die wichtige Entscheidu­ng lieber früher als später herbeiführ­en will. Zwar verwies Laschet wiederholt auf den Zeitraum bis Pfingsten.

Doch kürzlich sagte er: „Es kann auch sehr schnell nach Ostern sein.“In CDU-Kreisen hält man eine Bekanntgab­e bereits Mitte April für denkbar. Im Gegensatz zu Söder erhofft Laschet sich von einer früheren Entscheidu­ng einen Vorteil.Blickt man auf Umfragen, dann stehen die Aussichten für den CDU-Chef schlecht. Auf die Frage, wer sich als Kanzler eigne, sagen laut ZDF-„Politbarom­eter“nur 23 Prozent der Befragten bei Laschet Ja, satte 65 Prozent Nein. Söder halten 56 Prozent für einen geeigneten Kanzler, nur 36 Prozent sind anderer Meinung.

Dennoch lässt Laschet keinen Zweifel daran, dass er Anspruch auf die Kanzlerkan­didatur erhebt. Als

Vorsitzend­er der großen Schwester CDU hat er den Erstzugrif­f auf die Kandidatur. Die Stimmung in Laschets Umfeld ist derzeit am ehesten mit dem Auge des Orkans vergleichb­ar: Drumherum tobt der Sturm an schlechten Umfragen, Corona-Missmanage­ment-Kater, Söder-Spitzen – doch der CDU-Vorsitzend­e zieht unbeirrt seine Runden. In der vergangene­n Woche traf er sich virtuell mit rund 200 Kreisvorsi­tzenden der Mittelstan­ds- und Wirtschaft­sunion – einst eine Festung seines Mitkonkurr­enten um den Parteivors­itz, Friedrich Merz. Man debattiert­e kontrovers, doch die Stimmung richtete sich nie gegen den Parteichef.

Einen Tag später kam Laschet virtuell mit den CDU-Kreisvorsi­tzenden zusammen, vor allem die Maskenaffä­re bewegte die Mitglieder. Zu den Verfehlung­en einiger Parlamenta­rier sagte Laschet: „Wir wollen auch Menschen im Parlament mit viel Berufserfa­hrung, aber keine Parlamenta­rier, die erst geschäftli­ch tätig werden, wenn sie ins Parlament kommen.“Nach dem Treffen bekam Laschet ersten öffentlich­en Rückhalt für seine Kanzlerkan­didatur, unter anderem von den Bundestags­abgeordnet­en Marco Wanderwitz und Roderich Kiesewette­r. Unterstütz­ung auch aus einer ungeahnten Ecke: Der baden-württember­gische CDU-Vorsitzend­e Thomas

Strobl, nicht unbedingt ein Freund des Aacheners, sagte in einem Interview: „Die CDU Deutschlan­ds möchte, dass unser Bundesvors­itzender Armin Laschet Kanzlerkan­didat der Union wird.“Eine klare Ansage von Strobl, der im Südwesten nach der Schlappe bei der Landtagswa­hl um eine Regierungs­beteiligun­g im Ländle bangt.

Der CDU-Vorsitzend­e selbst will ab dieser Woche in die Offensive gehen. Präsidiums­schalte, Besprechun­g mit den Ost-Ländern, am Dienstag eine „Deutschlan­drede“in der Parteizent­rale, quasi der Start für eine Beteiligun­g am Wahlprogra­mm der Union. Die schlechten Umfragen irritieren ihn zumindest äußerlich nicht – er habe schon öfter aus der Defensive einen Coup gelandet, heißt es.

Söder hingegen kann als CSUChef nicht von sich aus die Kanzlerkan­didatur beanspruch­en. Dennoch ist unübersehb­ar, dass er sich in Stellung bringt. Nach einer Krisenscha­lte des CSU-Parteivors­tandes am Freitag sagte Söder, es sei wichtig, „dass wir aus dem Kamillente­e-Modus rauskommen“– und rein in den Modus „Red Bull oder Cola light“. Dazu muss man wissen, dass Söder kaum etwas anderes trinkt als Cola light. Die Botschaft dahinter: Sein Modus ist es, den das Land jetzt braucht. Offensive, Kampfeslus­t und Entschloss­enheit – das ist Söders Linie, um sich in der K-Frage zu positionie­ren. Dabei lässt er weiterhin nicht offen erkennen, ob er Anspruch auf die Kandidatur erhebt.

Nun ist die Zeitspanne zwischen Ostern und Pfingsten lang, sieben Wochen, um genau zu sein. Gerade in Pandemieze­iten ist das eine halbe Ewigkeit, in der sich die Lage fundamenta­l ändern kann. Für die beiden Aspiranten Laschet und Söder geht es nun auch darum, wer die Nerven behält und die Reihen trotz der Unruhen hinter sich schließen kann.

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Zwischen Ostern und Pfingsten wollen Markus Söder und Armin Laschet klären, wer die Union in die Bundestags­wahl führt.

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