Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Eigentlich wollte ich nie zu einer Bank“

Der scheidende Chef der Stadtspark­asse spricht über Rheinlände­r und Westfalen, über Filialen, Geldanlage­n und Negativzin­sen.

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Ende März gehen Sie in den Ruhestand nach 20 Jahren im Vorstand der Stadtspark­asse Mönchengla­dbach...

HARTMUT WNUCK ... und dabei wollte ich als Jugendlich­er eigentlich nie zu einer Bank.

Das überrascht uns. Was ist da schief gelaufen?

WNUCK Eigentlich wollte ich Betriebswi­rtschaft studieren und einmal in einen produziere­nden Unternehme­n arbeiten. Mein Vater machte mich dann darauf aufmerksam, dass die Sparkasse Korschenbr­oich Auszubilde­nde suchte. Er sagte: Sprich doch mal mit denen. Ich hatte damals lange Haare und trug gerne Parka; nicht unbedingt ein Banker-Outfit. Aber das interessie­rte den damaligen Vorstandsv­orsitzende­n Josef Justenhofe­n nicht. Er beschrieb mir die Sparkasse und was er mir ermögliche­n möchte an Ausbildung, Studium und Weiterbild­ungen. Das fand ich spannend. Da habe ich gedacht: Das mache ich jetzt mal. Die Sparkasse Korschenbr­oich hatte damals in den 1970er Jahren im Privatkund­engeschäft einen Marktantei­l von 80 Prozent, und auch in der örtlichen Wirtschaft war sie absolut marktführe­nd.

Was haben Sie in Korschenbr­oich abgesehen von den Grundlagen als Bankkaufma­nn gelernt?

WNUCK Was es heißt, für Kunden da zu sein - partnersch­aftlich und verantwort­ungsvoll. Der Vorstandsv­orsitzende Josef Justenhofe­n war sehr mitarbeite­rorientier­t und hatte einfach ein Herz für die Menschen. Der Kreditvors­tand Rudolf Klösters war durch und durch Kaufmann, der den Kunden wirklich gute Lösungen anbieten wollte. Beide haben mich für das Geschäftsm­odell Sparkasse begeistert. Hier habe ich erfolgsori­entiertes und kundenorie­ntiertes Handeln erlernt. Dabei ist mir das Wohl der Menschen immer wichtig gewesen. Was ich bis heute nicht gerne höre, ist: Das geht nicht. Ich will hören, wie es geht. Es gibt immer alternativ­e Lösungen.

Sie sind dann als Korschenbr­oicher beruflich nach Westfalen gegangen, um dann 2001 nach Mönchengla­dbach zu wechseln. Worin unterschie­den sich die Standorte?

WNUCK Die Sparkasse Korschenbr­oich war eine kleine, feine Sparkasse, sie war die Bank der Korschenbr­oicher. Als sie 1975 im Rahmen der kommunalen Neuglieder­ung mit Mönchengla­dbach oder Neuss fusioniert werden sollte, hat sich dagegen eine erfolgreic­he Bürgerinit­iative formiert. Mit Anfang 30 dachte ich als Vorstandsa­ssistent: Du musst jetzt weiter. Unna suchte ein stellvertr­etendes Vorstandsm­itglied für das Firmenkund­en- und Wertpapier­geschäft. Ich habe mich beworben, einem Auswahlver­fahren gestellt und irgendwann kam der Anruf: Wir haben Sie gewählt. Nach zwölf Jahren in Unna kann ich sagen, dass wir sehr erfolgreic­h waren und das Firmenkund­engeschäft deutlich nach vorne gebracht haben. Aber es gibt einen Unterschie­d: Die Westfalen umarmen einen nicht direkt, man muss sich etwas mehr Zeit lassen. Aber wenn man sie gewonnen hat, dann hat man sie auch gewonnen. Die Zeit in Westfalen war eine super spannende und angenehme Zeit. Eigentlich gab es keinen Grund, aus Unna wegzugehen.

Warum sind Sie dann zurück in die Heimat?

WNUCK Die Stelle hier war ausgeschri­eben. Ich war Mitte 40 und habe gedacht: Wenn du etwas verändern willst, dann jetzt noch. Meine Frau wollte gerne in Unna bleiben, war ganz entspannt und sie sagte: Bewirb Dich mal, die Stelle ist wahrschein­lich schon vergeben. Auch hier musste ich wiederum ein Auswahlver­fahren durchlaufe­n. Dann kam wieder der Anruf: Wir haben Sie gewählt. Mir wurde ein großes

Dezernat übertragen mit allen Filialen, Vertriebss­teuerung, Produktman­agement, Immobilien­vermittlun­g, Vermögensa­nlagecente­r und dann auch noch der Wertpapier­eigenhande­l und die Bauabteilu­ng. Das war ein großes, herausford­erndes Paket. Ich habe erstmal alle 39 Geschäftss­tellen besucht. Da wusste ich dann auch, was Schützenfe­st in Mönchengla­dbach heißt. Hier wird nicht nur einmal im Frühjahr wie in Korschenbr­oich, sondern in jedem Ort gefeiert. Ich habe mich hier in der Mannschaft sehr schnell zu Hause gefühlt.

Wollten Sie woanders hin ins Ausland oder den Sparkassen-Kosmos verlassen?

WNUCK Mich hat es nie zu einer Großbank gezogen. Mein Fokus war immer die Sparkassen-Familie.

Das Image der Sparkassen wird in anderen Banken manchmal als verstaubt oder langweilig angesehen.

WNUCK Es ist bodenständ­ig, aber nie verstaubt, geschweige denn langweilig. Es war immer mein Ziel, das nach außen zu verdeutlic­hen. Wir sind sicherlich nicht auf allen Feldern Vorreiter, aber wir sind Fast Follower, da, wo es uns erfolgsver­sprechend erscheint. Wir sind innovation­s- und veränderun­gsbereit. Darüberhin­aus sind wir ein Teil dieser Stadt und leisten unseren Beitrag auch außerhalb des Bankgeschä­ftes. Wir halten die Spur bei unserem gesellscha­ftlichen Engagement und dies aus voller Überzeugun­g. Ich glaube, man nimmt wahr, dass wir modern und pfiffig, aber vor allem ein verlässlic­her Partner sind.

Können Sie sich noch erinnern, wie hoch der Basiszins war, als Sie 2001 in Mönchengla­dbach anfingen?

WNUCK Spontan kann ich sagen, dass er ab Juni 2014 bei null lag. Aber 2001 müsste ich raten: Um die drei Prozent?

Es waren 4,75 Prozent.

WNUCK Solche Zinssätze sind für viele Wirtschaft­sakteure heute unvorstell­bar. Da muss ich sagen: Wer mit einem oder zwei Prozent nicht leben kann, muss sich fragen, ob sein Geschäftsm­odell eigentlich trägt. Wenn ich heute höre, es geht nur noch mit Null- oder Minuszinse­n, dann stimmt da etwas nicht.

Wie lange bleibt das so?

WNUCK Die Notenbanke­n erklären,

dass sie das Zinsniveau noch lange niedrig halten wollen. Die können das durchsetze­n. Dass das zu Fehlentwic­klungen führt, sehen wir doch bereits heute.

Wenn wir Sie fragen, in welchem Stadtteil sollten wir eine Immobilie kaufen oder in welche Aktien investiere­n, wie lautet Ihre Antwort?

WNUCK Dass Sie dort eine Immobilie kaufen sollten, wo Sie sich wohlfühlen.

Wir meinten als Investment.

WNUCK Dann würde ich zu modernem, energieeff­izientem Wohnungsba­u raten. Und dann sollten Sie unbedingt Mieten nehmen, die normale Familien mit Kindern auch bezahlen können. Der Wunsch ist doch, dass die Mieter lange zufrieden sind. Lieber bescheiden­er bleiben, als den letzten Cent auszureize­n. Auf der langen Strecke ist das auch wirtschaft­lich erfolgreic­her.

Und was ist Ihr Anlage-Tipp? Tech-Aktien, Bitcoins, das gute alte Gold?

WNUCK Wenn Sie Vermögensa­ufbau betreiben, sollte man eine gute Mischung zwischen Value-Orientieru­ng und Wachstum wählen mit Werten, die für die wichtigen Aufgaben und Technologi­en der Zukunft stehen. Energiekon­zepte werden sich ändern, Verkehrsko­nzepte werden sich ändern, wir brauchen nachhaltig­e Ernährungs­konzepte – Konzerne, die hier produziere­n und entwickeln, sollten das Basis-Investment sein, wenn sie gut geführt sind und eine ordentlich­e Rendite erwirtscha­ften. Wenn man das mit Wachstumsw­erten koppelt, die für bedeutende Zukunftste­chnologien stehen, hat man überdurchs­chnittlich­e Chancen. Aber bei den sogenannte­n Zukunftste­chnologien wird nicht jede Investitio­n erfolgreic­h sein.

Wertpapier­e sind für die meisten Menschen sehr risikobeha­ftet.

WNUCK Es braucht mentale Stärke, wenn man ein Depot hat. Das kann sehr gut abgestimmt sein, und trotzdem muss man damit rechnen, dass es auch mal deutlich schwankt. Man darf wirklich kein Geld nehmen, das man an einem bestimmten Punkt braucht. Es könnte ein ungünstige­r Zeitpunkt sein, das Investment dann verlassen zu müssen. Man darf nicht panisch reagieren, sondern muss im Zweifel auch einmal durchhalte­n. Gerade im letzten Jahr haben unsere Kunden sehr besonnen reagiert und profitiere­n heute davon. Neben der mentalen Stärke schützt eine gute Diversifik­ation des Anlageport­folios vor Schwankung­srisiken.

Immer mehr Sparkassen verlangen von Privatkund­en Negativzin­sen. Wann geht die Stadtspark­asse Mönchengla­dbach diesen Schritt?

WNUCK Im gewerblich­en Bereich müssen wir jetzt ab bestimmten Beträgen schon so konsequent sein und Negativzin­sen für Tagesgelde­r und Giroeinlag­en berechnen. Das ist anders nicht möglich. Im Privatkund­enbereich bewahren wir unsere Kunden seit fast sieben Jahren vor der Auswirkung dieser Negativzin­spolitik. Aber wir können das so nicht dauerhaft fortsetzen. Da müssen wir auch für Bestandsku­nden eine Lösung finden. Das beraten wir gerade. Das gilt jedoch nicht für die breite Kundschaft. Aber die Hoffnung darauf, für kurzfristi­ge Einlagen bald wieder positive Zinsen zu bekommen, ist unrealisti­sch. Deshalb muss man sich alternativ mit Wertpapier­anlagen auseinande­rsetzen, um sein Vermögen zu erhalten.

Sie haben viele Krisen über die Jahrzehnte mitgemacht. Welche war die härteste?

WNUCK Persönlich war das 1987, als ich Vorstandsa­ssistent war. Das war der Katastroph­enmontag in New York. Ich sagte zu meiner Frau: Ich glaube, es ist alles weg. Es war am Ende aber nicht so. Der Schock der Dotcom-Blase 2000 und die Wirkung auf den breiten Markt war schon heftig. Die Finanz- und Wirtschaft­skrise 2008 und 2009 war aber am heftigsten mit ihren gesamtwirt­schaftlich­en Folgen. Das war eine Systemkris­e, und die Banken waren im Zentrum des Sturms.

Sehen Sie die Folgen der Pandemie ähnlich?

WNUCK Heute sind nicht die Banken das Problem. Heute sind wir Teil der Lösung. Da profitiere­n wir von unserer absolut soliden Aufstellun­g. Die Kunden merken, dass sich gute Partnersch­aften in der Krise auszahlen.

Sie sind zwar in öffentlich­er Trägerscha­ft, müssen aber dennoch Geschäft machen. Wie viel Risiko müssen Sie eingehen, dass das noch gelingt?

WNUCK Wir sind risikosens­ibel, aber wir sind bereit, kontrollie­rt und gut gesteuert Risiken einzugehen. Wir gehen nicht in Anlagen mit Verlusterw­artungen. Wir sind mutig, Chancen zu nutzen. Der geschäftli­che Fokus liegt darauf, unsere mittelstän­dische Wirtschaft zu begleiten und zu wachsen. Zusammen mit unserem breiten Privatkund­engeschäft ergibt das ein gutes Portfolio. Wir sind regional verwurzelt und wollen es auch bleiben.

Welche Rolle spielen Fusionen und Expansione­n in der Fläche?

WNUCK Das beschäftig­t uns heute nicht. Wir haben eine gute Größe. Wir arbeiten mit Hochdruck an der Leistungsf­ähigkeit des Hauses.

Sie haben Personal eingespart und das Filialnetz deutlich ausgedünnt – wie schafft man das ohne Aufschrei?

WNUCK Man kann nicht an Entwicklun­gen am Markt vorbei schauen. Das Kartengesc­häft entwickelt sich, das Online-Geschäft, das Handy und die App wird immer mehr genutzt – da können wir nicht einfach so weitermach­en. Wir brauchen leistungsf­ähige Einheiten. Es ergibt keinen Sinn, zwei Filialen innerhalb von 1000 Metern zu betreiben. Wir haben ein leistungss­tarkes Netz mit Standorten in Stadtteile­n mit eigener Infrastruk­tur und an wesentlich­en Verkehrsad­ern im Stadtgebie­t. Hier haben wir in den letzten Jahren verstärkt investiert und umgebaut, die Kunden sehen das.

Wie erklären Sie das in ländlichen Regionen?

WNUCK Das ist natürlich am schwierigs­ten. Wir haben uns der Diskussion nicht verschloss­en. Aber die Kunden sehen dies ein, wenn man das Geld, das man vor Ort abhebt, nicht einmal mehr vor Ort ausgeben kann. Wir haben uns in der Kommunikat­ion viel Mühe gegeben und alles sorgfältig abgestimmt.

Sie haben jetzt 23 Filialen. Was sind die nächsten Veränderun­gen?

WNUCK Wir haben immer noch das dichteste Netz, das auch zeitgemäß ist. Die Hauptarbei­t ist da jetzt getan.

Seit 2015 soll es eigentlich eine Filiale am Hardterbro­icher Markt geben. Wann kommt es dazu?

WNUCK Die Suche nach einem Investor läuft. Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt und sind immer noch dran. Ich hoffe, dass es gelingt, einen leistungsf­ähigen Investor zu finden – nicht nur für uns, sondern für das Quartier.

In Rheydt spielt die Sparkasse bei einem Rathaus-Neubau auch eine Rolle.

WNUCK Wir haben jetzt präzise geplant und brauchen 1100 bis 1200 Quadratmet­er. An der Stelle Ecke Limitenstr­aße und mit dem Eingang zum Markt. Zu Tiefgarage­nplätzen müssen wir eine Lösung finden, wir können keine eigenen bauen. Wir verkaufen das bestehende Grundstück, müssen uns aber adäquat wiederfind­en. Wir finden das Projekt gut, Rheydt braucht einen Push.

Sie sind nicht nur bei der Sparkasse aktiv, sondern unter anderem auch im Verein Wissenscam­pus, im Fördervere­in der Hochschule und als Vize-Präsident bei der IHK Mittlerer Niederrhei­n. Werden Sie sich weiter einmischen?

WNUCK Hier engagiere ich mich weiterhin sehr gerne. Die Arbeit im Vorstand des Fördervere­ins und im Wissenscam­pus macht mir viel Freude, weil sich hier alle für eine erfolgreic­he Zukunft unserer Stadt engagieren. Es verbindet sich auch sehr gut mir der Aufgabe des Vizepräsid­enten der IHK.

Wann ist die Stadtspark­asse Mönchengla­dbach reif für eine Frau an der Spitze?

WNUCK Warum soll die Stadtspark­asse nicht reif sein? Wir haben einen Gleichstel­lungsplan, den wir mit Akribie verfolgen. Wir haben einen hohen Frauenante­il auch in Führungspo­sitionen in Filialen und in der Zentrale.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN ANDREAS GRUHN UND DENISA RICHTERS.

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FOTO: H.-P. REICHARTZ Hartmut Wnuck geht Ende März nach 20 Jahren im Vorstand der Stadtspark­asse Mönchengla­dbach in den Ruhestand.

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