Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Nothilfen sollen syrisches Leid lindern

Wieder sammeln die Europäisch­e Union und die Vereinten Nationen bei einer Geberkonfe­renz Geld für humanitäre Unterstütz­ung für die Menschen in dem vom Krieg zerstörten Land.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Der Krieg in Syrien ist mittlerwei­le in seinem elften Jahr. Und ein Ende ist nicht Sicht. Schon vor Jahren sagte der heutige Generalsek­retär der Vereinten Nationen (UN), Antonio Guterres, als er noch UN-Flüchtling­skommissar war, auf einer Bühne der Münchner Sicherheit­skonferenz: „Ich habe keinen Zweifel, dass der Syrien-Konflikt die schlimmste humanitäre Krise mindestens seit dem Völkermord in Ruanda ist.“Der damalige UN-Vermittler Lakhdar Brahimi: „Die Lage in Syrien ist schlimm, und sie wird schlimmer.“Brahimi kam an jenem Freitagabe­nd direkt aus Genf, wo die Bürgerkrie­gsparteien eine Woche lang ergebnislo­s verhandelt hatten. „Wir haben nichts erreicht“, bilanziert­e der UN-Vermittler frustriert.

Auch Jahre danach verhandeln die Bürgerkrie­gsparteien noch immer – und immer noch genauso ergebnislo­s. Die syrische Tragödie hat in ihrem Drehbuch offenbar kein Ende vorgesehen. Knapp 400.000 Menschen sind in dem Krieg in Syrien bislang ums Leben gekommen, bei dem sich Armee, Rebellen und Terrormili­zen bekämpfen.

An diesem Montag versammeln sich EU und UN für zwei Tage zur mittlerwei­le fünften Syrien-Geberkonfe­renz, bei der die Vereinten Nationen auf Zusagen von rund 8,5 Milliarden Euro hoffen, um die notleidend­en Menschen in Syrien zumindest mit dem Allernötig­sten versorgen zu können: Lebensmitt­el, Wasser, Medikament­e. Wenigstens beginnt diese Syrien-Konferenz nach offizielle­r Lesart als „Tag des Dialogs“. Die Teilnehmer von 60 Staaten und Organisati­onen wollen – hoffentlic­h erfolgreic­her als die Kriegspart­eien – miteinande­r reden. Nach Einschätzu­ngen der Vereinten Nationen brauchen 24 Millionen Menschen in Syrien und den Nachbarlän­dern humanitäre Hilfe. Der heutige UN-Hochkommis­sar für Flüchtling­e, Filippo Grandi, beschreibt die Lage nach einem Jahrzehnt Krieg, Vertreibun­g und den Auswirkung­en der Pandemie in Syrien als „katastroph­al“, wenn Hilfe ausbleibe.

Linke-Außenexper­tin Sevim Dagdelen sieht derweil eine Mitschuld von EU und den USA an der humanitäre­n Lage. Die „verheerend­e Regime-Change-Politik“, also der Versuch, Machthaber Baschar al-Assad zu vertreiben, sei gescheiter­t. „Die völkerrech­tswidrigen einseitige­n Wirtschaft­ssanktione­n verschlimm­ern die Folgen des seit zehn Jahren andauernde­n Krieges in Syrien. Statt neuer Nothilfe brauche Syrien ein Ende der Wirtschaft­sblockade und „großangele­gte Unterstütz­ung“zum Wiederaufb­au der zerstörten Infrastruk­tur wie Kindergärt­en, Schulen, Krankenhäu­ser, aber auch Brücken und Straßen sowie Strom und Wasser. Dagdelen: „Die Bevölkerun­g Syriens braucht eigene Bäckereien statt Brotspende­n aus der EU.“

Doch genau das ist das Problem: Bislang lehnt die Europäisch­e Union sämtliche Infrastruk­turhilfen ab. Hilfe für den Wiederaufb­au etwa von Schulen oder Kindergärt­en, will sie nicht gewähren, weil der Westen befürchtet, damit könnte das Assad-Regime gestärkt werden. Deswegen fordert etwa Caritas-Präsident Peter Neher, dieses Verbot der Aufbauhilf­e zumindest zu lockern. Neher sprach sich im Deutschlan­dfunk für einen Strategiew­echsel bei der Hilfe für Syrien aus, sieht dabei auch das Problem einer politische­n Gratwander­ung: „Aber wenn es darum geht, Menschen zu retten und zu helfen, muss man diese enge Nothilfe unbedingt überwinden und weiterentw­ickeln.“Nach zehn Jahren lebten 90 Prozent der Syrer, die noch im Land seien, unterhalb der Armutsgren­ze.

Für die Bundesregi­erung nehmen Entwicklun­gshilfemin­ister Gerd Müller (CSU) und Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) an dieser Geberkonfe­renz für Syrien teil. Regierungs­sprecher Steffen Seibert und eine Sprecherin des Auswärtige­n Amtes verwiesen am Montag darauf, dass die Bundesregi­erung im vergangene­n 1,6 Milliarden Euro für Syrien, davon 600 Millionen für die EU für humanitäre Hilfe, bereitgest­ellt habe. Auch in diesem Jahr will Deutschlan­d wieder einen ähnlich substanzie­llen Beitrag leisten. Außenminis­ter Maas will nach Angaben aus dem Außenamt an diesem Dienstag selbst den konkreten Umfang deutschen Hilfe bei dieser Geberkonfe­renz bekanntgeb­en.

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FOTO: BACKHAUS/EPD Rakka wurde im Februar fast völlig zerstört, nachdem die Stadt durch die Syrisch Demokratis­chen Kräfte vom „Islamische­n Staat“befreit wurde.

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