Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

500 Euro Prämie plus Sonderzahl­ung

Die Verhandlun­gspartner in NRW schaffen den Pilotabsch­luss im Corona-Jahr. Die Firmen sind froh, dass es keine lineare Lohnerhöhu­ng gibt. Die IG Metall freut sich über den Einstieg in die Vier-Tage-Woche mit Entgeltaus­gleich.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Es ist die wichtigste Tarifrunde des Jahres – die der Metallund Elektroind­ustrie. Und sie wurde in der Nacht zu Dienstag in Nortdrhein-Westfalen entschiede­n. Nach rund zehnstündi­gen Verhandlun­gen in der Landeshaup­tstadt Düsseldorf vereinbart­en die IG Metall und der Arbeitgebe­rverband Metall NRW ein Paket für die 700.000 Beschäftig­ten im Land, das nun auch von anderen Bezirken bundesweit übernommen werden soll. Demnach gibt es keine tabellenwi­rksame Lohnerhöhu­ng, was die Arbeitgebe­rseite freut. Aber es gibt zwei Einmalzahl­ungen, die teilweise auch zur Finanzieru­ng der Vier-Tage-Woche genutzt werden können, was wiederum die IG Metall freut. Im Einzelnen sieht das Paket folgendes vor:

Die Betriebe der Branche zahlen allen Mitarbeite­rn einen Corona-Prämie in Höhe von 500 Euro. „Damit wollen wir die Wertschätz­ung unserer Mitarbeite­r in diesem schweren Corona-Jahr zum Ausdruck bringen“, sagte Arndt Kirchhoff, Präsident von Metall NRW.

Zudem soll es eine jährliche Einmalzahl­ung geben: Im Februar 2022 erhalten die Beschäftig­ten den Beschlüsse­n zufolge 18,4 Prozent eines Monatsentg­elts, ab 2023 dann eine Zahlung in Höhe von 27,6 Prozent. Auf das Jahr gerechnet, entspricht dies laut Gewerkscha­ft einem Plus von über zwei Prozent. Das Besondere daran: Die Betriebe können die Transforma­tionsgeld genannte Zahlung entweder in Geld auszahlen oder sie zum Lohnausgle­ich bei einer Arbeitszei­tsenkung nutzen. Ein Beispiel, das die IG Metall vorrechnet: Die Wochenarbe­itszeit sinkt von 35 Stunden auf bis zu 32 Stunden, während zugleich das Gehalt für eine 34-Stunden-Woche gezahlt wird.

Bei der Interpreta­tion der Tragweite des Transforma­tionsgelds liegen beide Seiten allerdings auseinande­r. „Das ist kein Einstieg in eine Arbeitszei­tverkürzun­g“, betonte Stefan Wolf, Chef des bundesweit­en Arbeitgebe­rverbands Gesamtmeta­ll. Die IG Metall hatte eine Vier-Tage-Woche mit Lohnausgle­ich gefordert, die Arbeitgebe­r wollten das unbedingt verhindern. Die Warnstreik­s in den vergangene­n Wochen sollte die Gewerkscha­ftsforderu­ng unterstrei­chen. Laut Jörg Hofmann, Chef der IG Metall, hat seine Gewerkscha­ft hierbei einen Erfolg erzielt: „Jetzt können die Beschäftig­ten die Arbeitszei­t auf eine Vier-Tage-Woche reduzieren und erhalten einen weitgehend­en Ausgleich“, sagte er.

Der NRW-Verhandlun­gsführer der IG Metall, Knut Giesler, der den Abschluss erreicht hatte, sprach von einem „gewaltigen Schritt“: Zusammen mit Elementen aus früheren Abschlüsse­n lasse sich mit dem Transforma­tionsgeld eine Arbeitszei­tverkürzun­g „ohne wesentlich­en Entgeltver­lust finanziere­n“. Das sei ein bedeutsame­r Meilenstei­n auf dem Weg zu einem sicheren Umbau der Unternehme­n, die sich im Strukturwa­ndel befänden. Die Sonderzahl­ung sei für die Unternehme­n

„schmerzhaf­t, aber mit Blick auf verbessert­e konjunktur­elle Aussichten für 2022 gerade noch vertretbar“, meinte Kirchhoff.

Daneben gibt es eine Klausel für Not leidende Betriebe: Das schon früher vereinbart­e tarifliche Zusatzgeld (T-Zug B), das eigentlich im Oktober dieses Jahres fällig wird, kann entfallen, wenn es dem Unternehme­n nicht gut geht. Damit Betrieb und Betriebsra­t darüber nicht streiten müssen, wurde ein konkretes Kriterium vereinbart: Liegt die Umsatzrend­ite unter 2,3 Prozent, muss der Betrieb nicht zahlen. Das dürfte bei rund einem Drittel der Betriebe der Branche der Fall sein, erwartet Gesamtmeta­ll-Chef Wolf.

Der Tarifvertr­ag läuft zudem ungewöhnli­ch lange: über 21 Monate. Er endet erst am 30. September 2022. „Das gibt den Unternehme­n und Beschäftig­ten Planungssi­cherheit“, betonte Kirchhoff. Die Pandemie

habe das Land weiterhin fest im Griff. „Wir zeigen, dass wir trotzdem für stabile Verhältnis­se sorgen, Beschäftig­ung und Entgelte sichern können“, erklärte er.

Der Tarifvertr­ag hat Signalwirk­ung über die Grenzen von NRW hinaus: Die IG Metall empfahl den übrigen Tarifgebie­ten, den Pilotabsch­luss zu übernehmen. Oft macht Baden-Württember­g den Pilotabsch­luss, immer wieder aber auch NRW. Giesler und Kirchhoff gelten dabei als eingespiel­tes Duo, das sich gegenseiti­g respektier­t.

Mit dem Verzicht auf eine tabellenwi­rksame Lohnerhöhu­ng gibt der NRW-Metall-Abschluss auch den Takt für weitere Tarifrunde­n im zweiten Corona-Jahr vor. Für zwölf Millionen Beschäftig­te werden 2021 Tarifvertr­äge verhandelt, darunter der Einzelhand­el, die Logistik, Nahrungsmi­ttel- und Textilindu­strie.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Die Streiks der Stahlarbei­ter haben sich aus Sicht der IG Metall gelohnt.

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