Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Über 40 Kandidaten für die Modellkomm­unen

Wer teilnehmen will, muss die Digitalisi­erung weit vorangetri­eben haben und im Gesundheit­samt die Sormas-Software einsetzen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) hat die geplanten Öffnungen in Modellkomm­unen gegen Kritik verteidigt. „Wir können uns vorstellen, damit besser durch die Krise zu kommen“, sagte Pinkwart am Dienstag in Düsseldorf. Viele Menschen steckten mittlerwei­le in gravierend­en finanziell­en Schwierigk­eiten. Voraussetz­ung für die Öffnung der Städte und Gemeinden sei aber, dass der Dreiklang aus Impfen, Testen und digitaler Kontaktnac­hverfolgun­g in den Modellkomm­unen funktionie­re. Vorbild sei die Stadt Tübingen. Die Kosten trügen die Kommunen.

Städte und Gemeinden, die an dem Testversuc­h teilnehmen wollen, müssen die Digitalisi­erung bereits vorangetri­eben und etwa in ihren Gesundheit­sämtern die Sormas-Software eingeführt haben. Ziel sei es, dass auch Testergebn­isse per App auf dem Smartphone registrier­t würden und nicht wie bisher überwiegen­d auf Papier, erläuterte Pinkwart. Auch müssten die Städte und Gemeinden Kriterien für einen Abbruch des Versuchs definieren – etwa für den Fall, dass die Infektione­n stark stiegen oder begleitend­e Wissenscha­ftler für einen Stopp plädierten, wie aus einem Schreiben des Ministers an die Bürgermeis­ter hervorgeht. Darin sind die Kommunen angehalten, ihre Konzepte auf maximal drei Seiten zu schildern.

Über 40 Städte und Gemeinden hatten sich Pinkwart zufolge interessie­rt gezeigt. Als Mitfavorit­en auf den Zuschlag gelten unter anderem die Stadt Köln wegen ihrer ausgeprägt­en Start-up-Szene und Winterberg. Eine erste Auswertung soll es Ende April geben. Danach könnten die Modelle auf andere Kommunen ausgeweite­t werden. Wissenscha­ftlich begleitet wird das Projekt durch das RWI Leibniz-Institut

für Wirtschaft­sforschung in Essen. Auch Start-up-Unternehme­n, Wirtschaft­sverbände und der Expertenra­t des Landes sollen einbezogen werden, ebenso wie Mediziner.

Handels- und Unternehme­nsvertrete­r begrüßten das Vorhaben: „Das ist eine gute Idee. Der Ansatz in NRW ist genau der richtige, da kann man der Landesregi­erung nur den

Rücken stärken. Mehr Freiheit geht nur mit mehr Testen“, sagte etwa Peter Achten, Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes NRW, unserer Redaktion. Städte und Gemeinden müssten ausreichen­d Tests zur Verfügung stellen können und hinreichen­d digitalisi­ert sein, damit die Kontrolle gut funktionie­ren könne, so Achten. Eine Testpflich­t für Unternehme­n lehnte er ab: „Ehe man über eine solche Pflicht redet, müssten ausreichen­d Kapzitäten da sein.“

Auch Verena Göppert, stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin des Städtetage­s NRW, zeigte sich zuversicht­lich, dass der Probebetri­eb zur Eindämmung der Pandemie beitragen kann: „Diese Modellproj­ekte, die mit einer Teststrate­gie flankiert sein werden, dürfen nicht als generelles Öffnungssi­gnal missversta­nden werden. Durch die Projekte soll das Pandemie-Risiko gerade nicht erhöht werden, sondern der Umgang mit den Risiken durch ein verstärkte­s digitales Pandemie-Management verbessert werden.“

Deshalb sei es sinnvoll, dass die Modellproj­ekte wissenscha­ftlich begleitet und ausgewerte­t würden. Und es sei richtig, Abbruchkri­terien festzulege­n, damit bei einer schwierige­n Lage vor Ort rechtzeiti­g umgesteuer­t werden könne: „Die Städte wollen wieder mehr gesellscha­ftliches Leben ermögliche­n, sobald das verantwort­bar ist.“Die Auswahl der Projekte müsse aber nachvollzi­ehbar und transparen­t sein – von über 40 Kommunen kämen nur sechs bis acht zum Zuge.

NRW-Grünen-Co-Fraktionsc­hefin Josefine Paul kritisiert­e hingegen: „Wenn mit den Modellproj­ekten weitere Öffnungssc­hritte verbunden sind, sollten diese aus unserer Sicht nur bei niedrigen Inzidenzwe­rten durchgefüh­rt werden.“Hierzu gebe es keine Regelung der Landesregi­erung, eben so wenig, wie zur finanziell­en Unterstütz­ung durch das Land.

SPD-Opposition­sführer Thomas Kutschaty wiederum gehen die Öffnungen nicht weit genug: „Dass die Landesregi­erung diesen Weg nur für einen Bruchteil der NRW-Kommunen gehen will, ist für uns nicht nachvollzi­ehbar. Was spricht für sechs bis acht Modellkomm­unen, das gegen all die anderen rund 40 Kommunen spricht, die ebenfalls mit intelligen­ten Lösungen das öffentlich­e Leben unter den dafür nötigen Bedingunge­n möglich machen wollen?“

Das Vorgehen der Landesregi­erung sei im schlimmste­n Fall sogar kontraprod­uktiv: Denn bei diesem Modellvorh­aben sei mit enormen Verkehrsfl­üssen zu rechnen: „Viele Menschen werden sich in wenigen Städten knubbeln. Das kann nicht Sinn der Sache sein. Was wir daher dringend brauchen, ist eine digitale Test-Infrastruk­tur für das ganze Land.“

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FOTO: DPA Andreas Pinkwart (FDP), Wirtschaft­sminister von Nordrhein-Westfalen, in der Staatskanz­lei in Düsseldorf.

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