Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Bauern ziehen gegen Vorurteile ins Feld
Familie Hütten betreibt seit 1840 Landwirtschaft in Schelsen. Vater und Sohn erklären, warum sie sich als Bauern heutzutage oft zu Unrecht als Umweltsünder an den Pranger gestellt sehen.
SCHELSEN Für Henrik Hütten wäre manches leichter, hätte er nicht beschlossen, die seit 1840 bestehende Familientradition fortzusetzen. So lange wirtschaften Hüttens auf dem Birkshof in Schelsen. Doch weder Großvater noch der Urgroßvater dürften das Problem gekannt haben, vor dem Henrik Hütten immer wieder steht. „Jedes Mal, wenn ich neue Leute kennenlerne und sage, ,Ich bin Landwirt', geht es mit los mit Vorwürfen wie ,Landwirte zerstören doch die Natur'. Diese Diskussionen immer wieder führen zu müssen, geht an die Substanz“, sagt der 23-Jährige.
Auch Vater Heinz-Josef Hütten (50), der den Birkshof seit 2000 leitet, sieht sich als Landwirt ständig zu unrecht an den Pranger gestellt – manchmal unter geradezu absurd anmutenden Umständen. „Aufgrund einer Bestimmung der EU musste ich neulich einem Düngemittellieferanten unterschreiben, dass ich mit dem Material keine Bombe bauen will“, sagt der 50-Jährige. „Es tut weh, nicht mehr als Nahrungsmittelproduzent angesehen zu werden.“
Im Dorf, wo man die Hüttens und ihren Hof kennt und auch unter den Kunden, die im Hofladen einkaufen, ist das anders. Denn wer den Hof kennt, weiß auch von den Blühstreifen, die Hütten und sein Sohn auf einem Teil ihrer Äcker angelegt haben. Flächen, auf denen sie Wildblumen gepflanzt haben. Los ging es vor drei Jahren mit Hilfe von Kunden des Hofladens, denen Hütten ein Angebot machte: Für fünf Euro konnten sie Pate eines sechs Quadratmeter großen Blühstreifens werden, auf dem bis zu 20 verschiedene Blumenarten unbehelligt sprießen dürfen. 70 Paten gibt es inzwischen, die Hüttens haben selber noch Land dazugegeben, auf 1,2 Hektar blühen in der Saison Ramtillkraut, Sonnenblume, Kornblume und Co..
Das sieht nicht nur schön aus, es bietet auch Insekten eine Heimat, die wiederum Nützliches für die Umwelt leisten – etwa als Bestäuber auf einer Obstwiese bei Haus Horst, die nahe bei einem der Blühstreifen der Hüttens liegt. Mit Obst und Bienen kennen sich die beiden Männer vom Birkshof auch selbst aus. Als Heinz-Josef Hütten den Hof übernahm, entschied er sich, einen Teil des Betriebs auf Obstbau umzustellen. Die Hüttens bauen zwar immer noch etwas Weizen, Zuckerrüben, Raps, Gerste und Kartoffeln an. Doch Obst – Süßkirschen, Äpfel und Birnen – ist ein Bereich, der expandiert. Schon jetzt werden die Früchte nicht nur über den Hofladen vertrieben, sondern auch im örtlichen Supermarkt – mit entsprechend kurzen Transportwegen und daher niedrigem CO2-Ausstoß.
Ein Geschäft, das sich offenbar
lohnt. Hütten ist gerade dabei, auf weiteren Flächen Apfel- und Birnenplantagen anzulegen. Beim Schutz der Früchte vor Schädlingen bemüht sich Hütten, allenfalls mit Biopräparate zu sprühen. Vor allem aber setzt er auf Netze, die über die Bäume geworfen werden und die Früchte schützen sollen. Glückliche Fügung: Ein Nachbar ist Hobbyimker, dessen Bienen haben in Hüttens Obstbäumen also einiges zu tun. In den vergangenen beiden Jahren war zudem ein Imker aus
Rheydt mit Völkern zu Gast. Immer wider mal kauft der Landwirt zum Bestäuben auch Hummelvölker zu.
Die drei bis vier Rinder und zwei Schweine, auf die Heinz-Josef-Hütten die Haltung reduziert hat, werden in Kaldenkirchen in der Region geschlachtet. Transporte von größeren Gruppen von Tieren über weite Strecke mag Hütten nicht. „Früher gab es in Rheydt einen Schlachthof und einen in Gladbach. Die sind geschlossen worden“, sagt er. Will heißen: Für konsequent regional orientierte Landwirtschaft fehlt es an dieser Stelle an den nötigen regionalen Strukturen.
Trotz allem als rücksichtlose Naturausbeuter angesehen zu werden, empfinden die Hüttens als ungerecht. Zumal solche Urteile ihrer Meinung nach auf Unkenntnis beruhen. Weiter machen sie trotzdem noch. Aber für Henrik Hütten ist auch klar: „Wenn wir nicht den Obstbau hätten, hätte ich nicht Bauer werden wollen. Dafür ist mir der öffentliche Druck zu groß.“