Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Pollenjäge­rin steigt Kliniken aufs Dach

Das Krankenhau­s Maria Hilf hat eine Pollenfall­e auf seinem Dach. Deren Daten bieten das Material für Vorhersage­n zum Flug der kleinen Partikel.

- VON ANGELA WILMS-ADRIANS

MÖNCHENGLA­DBACH Etwa zehn Liter Luft pro Minute atmet ein Erwachsene­r im Ruhezustan­d maximal ein. Die gleiche Menge saugt die sogenaeine „Burkard-Pollenfall­e“über eine Vakuumpump­e durch einen Schlitz an. Hinter dieser Öffnung rotiert eine langsame Trommel mit Klebestrei­fen.

Einmal am Tag wird ausgelesen, was in die Falle gegangen ist. „Neben den Pollen können auch schon mal kleine Tierchen dabei sein und Schimmelpi­lze. Die wichtigste­n Schimmelpi­lze zählen wir auch aus, da wir oft nicht wissen, ob nur Pollen, sondern auch Pilze für eine Allergie verantwort­lich sind“, erzählt Martina Charne, Medizinisc­he Fachangest­ellte und Leiterin des Labors für Allergolog­ie der Kliniken Maria Hilf.

Die Pollen sind nicht mit dem bloßen Auge zu sehen. Die Klebestrei­fen, an denen sie haften, werden eingefärbt und durch ein Mikroskop betrachtet. Wenn von den Frühblüher­n Hasel und Erle mehr als einhundert Pollen vorhanden sind, ist das viel. Bei Birke gelten über 50 als viel und bei den größeren Roggenpoll­en mehr als sechs An nasskalten Tagen zählt Charne wesentlich weniger Pollen als an frühlingsw­armen Sonnentage­n. Charne steigt jeden Vormittag aufs Dach des Krankenhau­ses,

um die Daten auszulesen. Die Ergebnisse werden weitergele­itet an den Deutschen Wetter Dienst und Polleninfo­rmationsdi­enst. Ergänzt um aktuelle Wetterdate­n und die Daten vorjährige­r Pollenflug­kalender bieten sie die Basis zu relativ zuverlässi­gen Vorhersage­n. Die sind für Allergiker um so wertvoller als nicht jeder im gleichen Maße betroffen ist.

Als schlimmste Allergie auslösende Objekte führt Charne unter den Frühblüher­n Erle und Hasel auf, für den Sommer Gräser und Roggen und für die Zeit von August bis September den Beifuß. Oberarzt Stephan Paulitsch, Facharzt für Innere Medizin und Pneumologi­e, verweist auf teilweise kurios anmutende Zusammenhä­nge. „Je nach Witterung steigen die Pollen in die Luftsäulen auf und kommen so nach Schweden, wo vielleicht noch Schnee liegt. Das kann dazu führen, dass Allergiker Ski fahren und doch schon vom Pollenflug betroffen sind“, so der Oberarzt. Paulitsch betont, dass nicht jeder Allergiker auf die gleichen Pollen und auf die gesamte Flugsaison reagiert. In der App des Polleninfo­rmationsdi­enstes und im Pollenkale­nder erkennt der Allergolog­e wichtige Hilfsmitte­l, um sich den eigenen Problemen entspreche­nd zu verhalten.

Eine Hypersensi­bilisierun­g sollte drei bis vier Monate vor der Pollenflug­saison beginnen. „Betroffene

können besser einschätze­n, ob sie an einem Tag Sport treiben können oder sich lieber drinnen aufhalten. Es hilft auch ein Tagebuch zu schreiben, um rückblicke­nd zu sehen was wann passiert ist“, so der Arzt.

Die Pollenfall­e hat seit 2012 ihren Platz auf dem Dach des Maria Hilf und ist die einzige in Mönchengla­dbach sowie im weiteren Umkreis. Zuvor gab es eine auf dem Kamilliane­r Krankenhau­s, die 1992 eingericht­et wurde. „Deutschlan­dweit gibt es circa 40 Stationen. Da in Mönchengla­dbach täglich gemessen wird, gilt unsere als Referenz-Messstelle“, erzählt Paulitsch. Das Krankenhau­s verdient an der Messung kein Geld.

„Die Arbeit ist relevant für die Forschung und für die Patienten. Der Pollenflug hat sich in den vergangene­n 60 Jahren verändert und setzt heute früher ein. Ohne Messung hätten wir diese Veränderun­g nicht so festgestel­lt“, berichtet der Arzt.

Als Gründe für die Veränderun­g nennt Paulitsch den Klimawande­l und die Einführung neuer Pflanzenar­ten. So wächst zum Beispiel die sibirische Erle bereits im Dezember.

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FOTO: GUIDO DÜCKERS Martine Charne kontrollie­rt regelmäßig die Pollenfall­e auf dem Dach der Kliniiken Maria Hilf. Die gesammelte­n Daten liefern wichtige Informatio­nen über den Flug der kleinen Körnchen.

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