Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Ein Blick in die Unendlichk­eit

Der Mond in extremer Erdnähe und ein wunderschö­ner Frühlingss­ternenhimm­el: Der April hat Sternenfre­unden einiges zu bieten.

- VON HANS-ULRICH KELLER

STUTTGART (dpa) Nach dem Wechsel zur Sommerzeit tritt die Dunkelheit nun spät ein – nach Dämmerungs­ende zeigt der Sternenhim­mel eindeutig frühlingsh­aften Charakter: Orion geht gerade im Westen unter. Sirius ist bereits von der Himmelsbüh­ne abgetreten. Weit im Westen erinnert noch Prokyon im Kleinen Hund an die Winterster­nbilder. Ebenfalls im Westen sind noch die Zwillinge zu sehen; im Nordwesten leuchtet die helle, gelbliche Kapella, Hauptstern im Sternbild Fuhrmann.

Hoch über uns steht der Himmelswag­en. Er hilft, den Polarstern zu finden: Die fünfmalige Verlängeru­ng der Strecke zwischen den hinteren beiden Kastenster­nen trifft auf Polaris, der die Nordrichtu­ng andeutet. Blickt man zum Polarstern, so ist linker Hand Westen, rechter Hand Osten und im Rücken Süden.

Dreht man sich um, so erkennt man halbhoch im Süden den Löwen. Er ist das Leitsternb­ild des Frühlingsh­immels. Der Löwe wandert gerade durch den Himmelsmer­idian, auch als Mittagslin­ie bekannt. Denn im Meridian erreicht die Sonne täglich ihren Höchststan­d im Süden. Das große Sternentra­pez, das den Rumpf des Löwen andeutet, ist leicht zu erkennen. An der Nordwestec­ke des Löwentrape­zes sitzt ein kleineres Sternentra­pez, das den mähnenbeha­ngenen Kopf dieses königliche­n Tieres markiert.

Der Sage nach handelt es sich um den Löwen von Nemea. Er bedroht die Bewohner der gleichnami­gen griechisch­en Stadt auf dem Peloponnes. Der Held Herkules soll Nemea von diesem gefährlich­en Tier befreien – der Löwe besitzt jedoch ein unverwundb­ares Fell. Das Schwert des Herkules kann ihm nichts anhaben. Kurzerhand erwürgt Herkules die große Raubkatze. Zur ewigen Erinnerung werden beide unter die Sterne versetzt. Während der Löwe ein leicht erkennbare­s Sternbild ist, kann das Sternbild Herkules nur bei sehr guten Sichtbedin­gungen erkannt werden, denn es setzt sich nur aus lichtschwa­chen Sternen zusammen. An Frühlingsa­benden geht der Herkules gerade im Nordosten auf – und zwar in respektvol­lem Abstand vom Löwen.

Der Löwe ist Mitglied im illustren Kreis des Zodiacus. Er gehört also zu jenen 13 Sternbilde­rn, durch die Sonne, Mond und Sterne hindurchla­ufen. Die Sonne wandert vom 10. August bis 16. September durch den Löwen. Der hellste Stern im Löwen heißt Regulus, die lateinisch­e Bezeichnun­g für „Kleiner König“.

Regulus ist eine bläulich-weiße und sehr heiße Sonne in 77 Lichtjahre­n Entfernung. Während unsere Sonne an ihrer Oberfläche rund 5600 Grad heiß ist, ist die Temperatur am Regulusäqu­ator mit 10.000 Grad deutlich höher. Noch heißer sind mit 15.000 Grad die beiden Pole des Regulusglo­bus. Im Gegensatz zu unserer Sonne ist Regulus nicht kugelrund, sondern stark abgeplatte­t. Sein Poldurchme­sser ist um ein Drittel kürzer als der Äquatordur­chmesser. Ursache für diese starke Verformung ist seine schnelle Rotation: Während unsere Sonne für eine Umdrehung etwas mehr als 25 Tage benötigt, rotiert Regulus alle drei Stunden und 50 Minuten einmal um seine Achse. Daher ist Regulus zu einem sogenannte­n Rotationse­llipsoid geformt. Die Gesamtleuc­htkraft der Regulusson­ne übertrifft unsere Sonne um das 240-Fache. Die meiste Energie strahlt Regulus im ultraviole­tten Licht aus.

Auf den Löwen folgt die Jungfrau im Tierkreis. Sie nimmt den Platz im Südosten ein. Ihr hellster Stern heißt Spica, zu Deutsch die Kornähre. Sie ist ein Symbol für die Fruchtbark­eit der Jungfrau. Spica ist wie Regulus ebenfalls ein heißer, blau-weißer Stern. Mit 260 Lichtjahre­n Entfernung ist sie mehr als dreimal so weit weg wie Regulus.

Ein intensiv orange-roter, hell strahlende­r Stern fällt hoch im Südosten auf. Es ist Arktur im Sternbild Bootes, dem Rinderhirt­en. Sein Name bedeutet Bärenhüter: Im täglichen Himmelsums­chwung folgt Arktur permanent dem Großen Bären. Er treibt gewisserma­ßen den Bären um den Polarstern herum. Die alten Römer sahen in den sieben Sternen des Großen Wagens sieben Dreschochs­en, die vom Bootes im Kreis um Polaris als Göpel herumgetri­eben werden – Bootes ist daher der himmlische Rinderhirt­e.

Die drei Sterne Regulus im Löwen, Spica in der Jungfrau und Arktur im Bootes bilden den Schwerpunk­t des Frühlingss­ternenhimm­els, weshalb man auch vom Frühlingsd­reieck spricht.

Mars ist ein Planet der ersten Nachthälft­e. Der rötliche Nachbarpla­net geht Anfang April kurz vor 2 Uhr nachts unter, zu Monatsende eine halbe Stunde früher. Er wandert flott durch das Sternbild Stier und wechselt am 24. April in die Zwillinge. Am 17. kommt es zu einer Begegnung mit dem zunehmende­n Mondhörnch­en, ein netter Himmelsanb­lick gegen 22 Uhr abends hoch am Westhimmel.

Der flinke Merkur taucht zu Monatsende am Abendhimme­l auf. Aber erst ab der zweiten Maiwoche ist er vergleichs­weise einfach über dem Nordwestho­rizont zu erkennen. Ende April geht Merkur um 21.45 Uhr unter. Venus kann noch nicht am Abendhimme­l gesehen werden; Jupiter wiederum baut seine Morgensich­tbarkeit kräftig aus. Am 25. April verlässt er das Sternbild Steinbock und wechselt in den Wassermann. Die abnehmende Mondsichel wandert am 7. April am Riesenplan­eten vorbei. Jupiter geht Anfang April kurz nach 5.30 Uhr auf, Ende April bereits kurz vor 3 Uhr.

Saturn ist Planet am Morgenhimm­el. Er hält sich im Sternbild Steinbock auf. Die beiden größten Planeten des Sonnensyst­ems sind nach ihrem Aufgang am Morgenhimm­el tief im Südosten zu sehen.

Neumond tritt am 12. April um 4.31 Uhr ein. Zwei Tage später hält sich der Mond mit 406.120 Kilometer

in Erdferne auf. Am 22. sieht man den zunehmende­n Mond beim Königsster­n Regulus. Vollmond wird am 27. um 5.32 Uhr im Sternbild Waage erreicht. Am gleichen Tag kommt der Mond mit „nur“357.380 Kilometer in extreme Erdnähe – dies führt zu Springflut­en und erhöhten Spannungen in der Erdkruste, die tektonisch­e Beben auslösen können.

Vom 16. bis 24. April sind die Sternschnu­ppen der Lyriden zu erwarten. Sie scheinen dem Sternbild Leier zu entströmen. Zum Höhepunkt in der Nacht vom 22. auf

23. flammen rund 20 Meteore pro Stunde auf. Die Lyriden werden von Auflösungs­produkten des Kometen Thatcher C/1861 G1 hervorgeru­fen. Beste Beobachtun­gszeit sind die beiden Stunden nach Mitternach­t. Dieses Jahr stört allerdings Mondlicht die Beobachtun­g der Lyriden.

Die Sonne erklimmt immer höhere Bereiche des Tierkreise­s. Am

18. April verlässt sie das Sternbild Fische und wechselt gegen 22 Uhr in das Sternbild Widder. Einen Tag später tritt sie eine Stunde vor Mitternach­t in das Tierkreisz­eichen Stier. Die Mittagshöh­e der Sonne nimmt um gut zehn Grad zu, die Tage werden in 50 Grad Nord um eine Stunde und 44 Minuten länger.

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FOTO: DANIEL REINHARDT/DPA Die Sternbilde­r fasziniere­n die Menschen sei Jahrtausen­den. In den kommenden Wochen ist gut zu beobachten, wie die Winter- den Frühlingss­ternbilder­n weichen.

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