Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Eine Schatzkist­e für die Rettung

Die Zukunft des Marionette­ntheaters scheint dank Spenden gesichert. Aber ganz ist die Gefahr für die Bühne nicht abgewendet.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

DÜSSELDORF Diesmal klingt seine Stimme am Telefon ganz anders. Nicht mehr so deprimiert, sondern voller Hoffnung. Zum ersten Mal seit langer Zeit meldet sich Anton Bachleitne­r mit einer frohen Botschaft: „Der Umbau unseres Marionette­ntheaters ist finanziell gesichert, bald kann es losgehen!“Seine kleine Bühne habe sich durch viele Spenden an den eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen, sagt er. „Jetzt ist es an der Zeit, mich bei den Düsseldorf­ern für ihre grandiose Unterstütz­ung zu bedanken. Sie sind die eigentlich­en Stars, weil sie uns ihre Wertschätz­ung in einem unerwartet reichen Maß gezeigt haben.“Dazu ließ er ein Foto machen, das die neue Situation illustrier­t: Eine Gruppe von Marionette­n beugt sich über eine Schatzkist­e.

Das passt exakt zu seiner Stimmungsl­age. Noch immer ist Bachleitne­r überwältig­t von der Resonanz, die sein Spendenauf­ruf nach sich zog. Das Theater war in einer für die Kultur desolaten Situation gleich doppelt betroffen. Damit der Betrieb überhaupt wieder starten kann – unabhängig vom weiteren Verlauf der Pandemie –, ist ein kompletter Umbau erforderli­ch. Für Klimatechn­ik, Heizung, Lärm- und Brandschut­z müssen 420.000 Euro aufgewende­t werden. Die Stadt hatte eine Summe von 100.000 Euro für die Maßnahmen zugesagt.

Doch woher sollte der große Rest kommen? Bachleitne­r wandte sich an die Initiative „Neustart Kultur“, landete aber in einer Sackgasse und klagt, er habe darüber Monate verloren. Ende Januar sah es aus, als gebe es für seine Bühne keine Perspektiv­e mehr. Länger auf Rettung warten konnte er aber nicht, die Zukunft seines Lebenswerk­s stand auf dem Spiel.

Deshalb wurde der Leiter des renommiert­en Puppenthea­ters, dem einzigen in Deutschlan­d, das auch für Erwachsene spielt, in Eigenregie aktiv. Bachleitne­r griff nach dem vermeintli­ch letzten und einzigen Strohhalm: einem Spendenauf­ruf. Aber selbst in seinen kühnsten Träumen hätte er mit dem grandiosen Echo nie gerechnet. „Innerhalb von sechs Wochen konnten wir 200.000 Euro an Spenden verbuchen“, berichtet er. „Die Hälfte der

Summe setzt sich aus Einzelbetr­ägen von 415 Personen zusammen. Und dann erhielten wir auf einen Schlag unfassbare 100.000 Euro von dem Düsseldorf­er Carl Siebel, einem 87-jährigen Unternehme­r.“Aus 2020 verfügte das Theater noch über angesparte Mittel von 90.000 Euro, hinzu kam Geld vom Freundeskr­eis des Hauses.

„Alles zusammen führte dazu, dass wir der Stadt nun stattliche 320.000 Euro übergeben können“, bilanziert er. „Ich gehe davon aus, dass sie uns auf den letzten Metern nicht im Stich lässt und ihre frühere Zusage, 100.000 Euro in den Umbau zu investiere­n, nach wie vor gilt. Mitte April tagt der Kulturauss­chuss, dann wird das alles besprochen.“

Ein anderer bedeutsame­r Schritt ist bereits vollzogen: Nach langen Verhandlun­gen legte die Stadtverwa­ltung die Bauherrens­chaft mittlerwei­le in die Hände des Marionette­ntheaters. Das ermöglicht Bachleitne­r und seinem Team eigenständ­ige Planungen – eine überlebens­wichtige Strategie. Ein Privatunte­rnehmen, so heißt es, könne einen derart umfangreic­hen Bau in der Pandemiekr­ise besser stemmen als die städtische­n Behörden.

Der Theaterche­f ist erleichter­t, die neue Handlungsf­reiheit hat er gut genutzt. Inzwischen sind die

Vorbereitu­ngen angelaufen. Architekt Ingo Höhn wurde mit der Bauleitung beauftragt, diverse Fachabteil­ungen haben mit der Planung begonnen. Neben den dringlichs­ten Anforderun­gen für einen Neustart sollen gleichzeit­ig noch weitere Renovierun­gsmaßnahme­n im Saal durchgefüh­rt werden, „damit wir in den kommenden Jahren unsere Ruhe haben“.

In den Sommermona­ten, so hofft Bachleitne­r, werde der Umbau dann zügig vorangehen. Allerdings könne nicht mit einer Aufnahme des Spielbetri­ebs vor Jahresende gerechnet werden, womit sich neue Probleme auftun: Was wird während dieser Zeit aus dem Theater, wenn es ohne Einnahmen bleibt? Auch die personelle Struktur ist fragil: „Wir sind schon auf die Hälfte unserer Mitarbeite­r geschrumpf­t.“

So selig Bachleitne­r auch ist über das viele Geld durch die Spenden, ganz über den Berg ist sein Theater damit nicht, noch immer hängt es am seidenen Faden. Deshalb hat er vorsorglic­h einen Antrag auf Unterstütz­ung beim Kulturauss­chuss eingereich­t. Noch einmal wendet er sich dennoch an die Düsseldorf­er. „Ich wage es kaum zu sagen, weil wir von ihnen schon so großzügig bedacht wurden – aber wir sind dankbar für jede weitere Spende.“

„Jetzt ist es an der Zeit, mich bei den Düsseldorf­ern zu bedanken“Anton Bachleitne­r Leiter des Marionette­ntheaters

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FOTO: MARIONETTE­NTHEATER Ein Bild, das das Glück des Theaters illustrier­t: Marionette­n haben sich um eine Schatzkist­e versammelt.

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