Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Mit Nord Stream leben lernen

- VON ULRICH KRÖKEL

Vorab noch einmal dies: Die Entscheidu­ng zum Bau einer Ostseepipe­line zwischen Russland und Deutschlan­d war ein historisch­er Fehler. Im April 2005 setzte Kanzler Gerhard Schröder das Projekt mit Präsident Wladimir Putin politisch aufs Gleis. Das war knapp ein Jahr nach der EU-Osterweite­rung und wenige Monate nach der ukrainisch­en Revolution in Orange. Im Ursprung war Nord Stream deshalb nichts anderes als ein gezielter geopolitis­cher Schlag des Kreml gegen die abtrünnige­n Staaten des ehemaligen Sowjetbloc­ks. Schröder machte mit und stieg später bei Nord Stream ein.

All das hat das Bild von Deutschlan­d in Polen und der Ukraine auf Dauer schwer beschädigt. Angela Merkels späteres Ja zu Nord Stream 2 machte die Katastroph­e perfekt. Man kann sogar die Frage stellen, ob in Warschau heute eine nationalis­tische Partei wie die PiS regieren würde, hätte man in Berlin die polnischen Befindlich­keiten nicht so schamlos ignoriert. Und eine entschloss­ene Hinwendung zur Ukraine hätte die Krim-Krise von 2014 womöglich lange im Vorfeld verhindert.

Aber das ist verschütte­te Milch. Nord Stream 2 wird vollendet. Daran ändern auch die völkerrech­tswidrigen Sanktionen der USA nichts mehr, die ihr Herz für das östliche Europa auch erst viel zu spät entdeckt haben. Was wiederum die deutschen Fehler nicht besser macht. Großer Gewinner ist Putins Russland. Dennoch tun auch die schärfsten Nord-Stream-Kritiker gut daran, mit der Pipeline leben zu lernen. Sie gehört auf das Engste eingebunde­n in die Versorgung­snetze Europas. Die EU muss zudem endlich eine solidarisc­he Energiepol­itik verwirklic­hen. Das würde auch beim Klimaschut­z helfen und dazu beitragen, die nächsten Fehler zu vermeiden. Zum Beispiel den erneuten Ausbau der Atomindust­rie in Europa. BERICHT AUF DER ZIELGERADE­N, POLITIK

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