Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Käthe Kollwitz zeigt, wie die Hoffnung stirbt.
Die Arbeiten von Käthe Kollwitz wurden vom Kaiser als „Rinnsteinkunst“verachtet, aber vom Publikum geschätzt. Das Blatt „Das Ende“erzählt vom Weberaufstand.
MOENCHENGLADBACH Es ist zu Ende, aus und vorbei. Zwei Männer liegen tot am Boden der engen Kammer, neben ihnen hockt in sich zusammengesunken eine trauernde Frau. Mit der dunklen Kleidung und ihrer kauernden Haltung am unteren Rand des Bildes löst sie sich im Bildgeschehen beinahe auf. Soeben trägt ein Mann einen weiteren Leichnam in den dunklen Raum. Mit ihm dringt Qualm herein, Zeichen anhaltender Kämpfe, die draußen vor dem Haus toben müssen. Kraftlos, mit hängenden Schultern, in ihrer Trauer erstarrt, reagiert die Frau auf den Toten. Die Düsternis des erdrückend niedrigen Raumes, die nur durch das kleine Fenster und die geöffnete Tür aufgehellt wird, der schwere, den Raum dominierende
Der Zyklus „Ein Weberaufstand“mit sechs Radierungen entstand von 1893 bis 1897
Webstuhl betont die tragische Atmosphäre des Geschehens. Die Männer sind tot. Der Aufstand der Weber ist gescheitert. Das Militär hat ihn niedergeschlagen. Die Hoffnung ist gestorben.
Der Zyklus „Ein Weberaufstand“mit sechs Radierungen von Käthe Kollwitz entstand zwischen 1893 und 1897, das Blatt „Das Ende“ist das letzte der Reihe. Die 24 mal 30 Zentimeter große Radierung gehört zur Sammlung des Museums Schloss Rheydt und ist derzeit in der Online-Ausstellung zu sehen.
1893 besuchte Käthe Kollwitz die private Uraufführung des Dramas „Die Weber“von Gerhard Hauptmann im Deutschen Theater in Berlin. Davon angeregt, setzte sie die Handlung mal textgetreu, mal auf ihre eigene Weise um. Kollwitz` individuelle Sicht betrifft in besonderer Weise das Ende des Dramas, das bei Hauptmann offen bleibt. Bei Kollwitz dagegen endet die Geschichte mit dem „Ende“: der Niederschlagung des Aufstands.
Hauptmanns Gesellschaftsdrama war umstritten. Es gab zunächst sogar ein Aufführungsverbot, dann eine ausschließlich für die Mitglieder der Freien Bühne zugelassene Vorstellung, bevor das Verbot wieder aufgehoben und das Sozialdrama für die Öffentlichkeit zugelassen wurde.
Auch die Präsentation von Kollwitz`
Zyklus in der Großen Berliner Kunstausstellung 1898 wurde von der Politik abgelehnt: Kaiser Wilhelm II verbot eine hohe Auszeichnung,
die Max Liebermann der Künstlerin anerkennend zusprach. Ihm war das Ganze zu naturalistisch, zu unversöhnlich, zu sozialkritisch, zu hart. Er bezeichnete die Arbeiten von Käthe Kollwitz als „Rinnsteinkunst“.
Die Künstlerin selbst nimmt mit dem Zyklus „Ein Weberaufstand“ausgehend von Hauptmanns Drama die Weberrevolte von 1844 auf, schildert aber nicht das historische Ereignis, sondern nimmt die Blätter zum Anlass, um auf die prekäre soziale Situation der Arbeiter aufmerksam zu machen.
Kollwitz zählt zu den bekanntesten Frauen der Kunstgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts. In ihren Grafiken, Gemälden und Plastiken verarbeitete sie soziale Themen ihrer Zeit. Kollwitz wurde 1867 in Königsberg geboren. Da Frauen für das Kunststudium nicht zugelassen waren, erlernte sie ihr Handwerk privat sowie an der Damenakademie des Vereins Berliner Künstlerinnen, wo sie später selber unterrichtete. Sie heiratete Karl Kollwitz, der im Berliner Prenzlauer Berg als Armenarzt tätig war. So erlebte Kollwitz das
Leid der Arbeiter im ausgehenden 19. Jahrhundert hautnah mit. Ihr soziales und politisches Engagement mit den Mitteln der Kunst prägte ihr
gesamtes Leben. Einer Partei schloss sie sich nicht an, empfand sich aber als Sozialistin. 1945 starb Kollwitz in Moritzburg bei Dresden.