Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„Das Licht ist die Inkarnation des Lebens.“
Seit gut fünf Jahrzehnten hat Heinz Mack seinen Wohnsitz auf dem Huppertzhof. Er erzählt, wie er nach Gladbach gekommen ist und wie er zu Ostern steht.
MÖNCHENGLADBACH Er arbeitet mit Tusche, mit Acryl, mit Marmor, Stahl, Textil, Wasser, aber vor allen Dingen mit Licht. Dafür fuhr Heinz Mack in die Wüste und nach Grönland. Der Künstler reiste rund um den Globus, aber einen seiner beiden festen Wohnsitze fand er in Mönchengladbach. Hier erzählt er, wie er den Huppertzhof fand, warum er sich über die Stadt Mönchengladbach ärgert und wie ihn die Pandemie beschäftigt.
Am 8. März sind Sie 90 geworden. Hatten Sie einen schönen Tag?
HEINZ MACK Ja und nein. Mein sehnlicher Wunsch, den Tag mit meiner Frau und unserer Tochter in unserem zweiten Haus auf Ibiza zu verbringen, ist coronabedingt nicht in Erfüllung gegangen. Aber ich war an dem Tag bei der Online-Eröffnung meiner Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf. Das war sehr schön, die Ausstellung ist gut angekommen. Ich bin auch sonst sehr aufmerksam bedacht worden an diesem Tag von vielen Gratulanten. Ich kann mich also nicht beschweren. Ich war zweieinhalb Tage damit beschäftigt, die Glückwunschschreiben zu beantworten.
Wer hat alles gratuliert?
MACK Kulturschaffende aus der ganzen Welt, etwa aus Sao Paulo und Madrid, aber auch sehr hohe Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Das ehrt einen dann schon.
Sie leben seit gut fünf Jahrzehnten in Mönchengladbach. Über das Jahr findet man unterschiedliche Informationen. Wann genau sind Sie nach Gladbach gekommen und warum?
MACK Die Geschichte nahm 1958 oder 1959 ihren Anfang, als ich Busso Diekamp, ehemaliger Kulturdezernent der Stadt Mönchengladbach, in Düsseldorf kennenlernte. Damals ging das Gerücht um: „Der Mack braucht Platz.“Irgendwann kam Diekamp auf mich zu und sagte: „Wir hätten da einen alten Bauernhof.“Der Huppertzhof war damals eine Ruine. Es stellte sich heraus, dass das dokumentierte Alter der Gebäude bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurückreicht und der Hof unter Denkmalschutz stand. 1961 habe ich den Huppertzhof gepachtet, 1967 war er dann bewohnbar und wir sind eingezogen.
Licht spielt für Ihre Kunst eine immens wichtige Rolle. Sind Sie da am Niederrhein gut aufgehoben?
MACK Nein, eigentlich nicht. Das schönste Licht findet sich für mich auf der Insel Ibiza. Dort existiert ein unwahrscheinliches Licht von einer unglaublichen Klarheit, von poetischer Energie. Es ist hell, wirkt aber nie nüchtern. Ich habe dafür keine Erklärung.
Das Thema Licht verbindet sich in den Glasfenstern des ehemaligen Collegium Marianum in Neuss, die Sie gestaltet haben, mit christlichen Themen. Bezogen auf Ostern hat Licht eine besondere Bedeutung. Wie verbindet sich die Lichtthematik für Sie mit Ostern?
MACK Lassen Sie mich lakonisch vorwegsagen: Ich gehöre keiner Religionsgemeinschaft an. Der Grund: Im Dritten Reich hatte mein Vater meiner Schule gesagt, dass ich an keinem Religionsunterricht teilnehme. Daraufhin hatte ich nur noch einen Freund, und der verschwand – kurz gesagt – weil er der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehörte. Gleichwohl habe ich im Laufe der Jahre viele gute Gespräche mit Theologen geführt und bin einigen wie dem früheren Bischof von Würzburg, Friedhelm Hofmann, und dem verstorbenen Kardinal Lehmann eng verbunden. Für das Osterfest spielt Licht tatsächlich eine große Rolle. Das Licht hat aber darüber hinaus eine tiefe theologische Dimension. Es findet sich etwa im „illusem nasci“– das Licht der Welt erblicken. Es ist nicht an die christliche Religion gebunden. Auch in der muslimischen Religion findet sich eine Lichtmythologie.
An Ihrem Lichtkreuz im Collegium Marianum stellen Sie einen Bezug zu Tod – Dunkelheit, Licht – Auferstehung her ...
MACK Das Lichtkreuz ist aus einem einzigen Marmorblock entstanden, dahinter sind Lichtschlitze eingelassen, so erhält das Kreuz eine Lichtaura, die von großer Realität ist und den Marmor in den Hintergrund treten lässt. Das Licht ist die Inkarnation des Lebens, die höchste Form des Lebens.
Sie haben zu Ihrer Skulptur in Stuttgart, der Stele vor dem Konzerngebäude von Daimler/ Chrysler gesagt, da hätten Engel mitgearbeitet. Glauben Sie an Engel?
MACK Das habe ich so bestimmt nicht gesagt. Ich bin immer wieder erstaunt, was ich alles gesagt haben soll. Es gibt Arbeiten von mir, in denen Engel in einer poetischen Namensgebung auftauchen. Das Thema berührt mich schon. Ich glaube, dass virtuelle Geistwesen existieren, auch wenn sie wissenschaftlich nicht nachweisbar sind. Sie haben die hervorragende Eigenschaft, zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten sein zu können. Das hätte ich auch gern.
Betrachten wir Licht heutzutage zu materialistisch?
MACK Die Naturwissenschaft geht mit Licht sehr prosaisch um. Licht hat da die Dimension einer Materie, und sie ist ein ökonomischer Faktor.
Ihre Skulpturen prägen das Stadtbild – auch in Mönchengladbach, und Sie machen Ihre Kunst damit der Allgemeinheit zugänglich. Sie haben Ihre eigenen Arbeiten bereits aufwändig restaurieren lassen. Geht die Stadt gut mit Ihren Arbeiten um?
MACK Die Stadt hat zur Kultur immer eine gewisse kontroverse Haltung gehabt. Es gab Zeiten, da war sie vollkommen indifferent, und es gab Zeiten, das hat sie einiges in Bewegung gebracht. Vieles geht aber auf die Initiative von Privatleuten und Mäzenatentum zurück. Eine regelmäßige Betreuung und Pflege sind bei allen Werken im öffentlichen Raum besonders wichtig. Beispielsweise bei meiner Skulptur auf dem Kapuzinerplatz, die inzwischen abgebaut ist, hat es Vandalismus gegeben. Das ist leider ein bekanntes Problem bei Kunstwerken im öffentlichen Raum, das für den jeweiligen Besitzer – hier für die Stadt – Aufwand bedeutet.
Gibt es einen öffentlichen Platz, den Sie in Mönchengladbach gern gestalten möchten?
MACK Nein, aktuell nicht. Es gibt einige wenige sehenswerte Architekturen in der Stadt: das Münster, Schloss Myllendonk, Schloss Rheydt, Schloss Dyck zum Beispiel. Das Museum Abteiberg hat eine große Bedeutung für die Stadt. Während seiner Entstehung habe ich mit dem Architekten Hans Hollein oft darüber gestritten. Der Bau ist mutig, aber ich kenne schönere Museumsbauten.
Thema Pandemie: Sie haben das Virus für das Buch „Corona-Zeugnisse“als Stachelwesen gemalt und geschrieben „Sieht so ein Virus aus? Nein!“Wie sieht das Virus für Sie aus?
MACK Das ist wieder so ein Missverständnis. Die Tuschezeichnung gehört zu einem Werkkomplex von mir, der zum Teil schon während meiner Zeit in Japan entstanden ist. Die Frage nach dem Aussehen des Virus stelle ich nicht, aber wenn ich die Situation betrachte, komme ich zu der naheliegenden Frage: Wie geht ein Land mit sich selbst um? Es werden Unsummen an Beratergeldern ausgegeben von denen, die diesen Staat führen. Doch das Prinzip Verantwortung erscheint mir nicht ausreichend gegeben. Komischerweise habe ich einen Monat vor Beginn der Pandemie den Roman „Die Pest“von Albert Camus erneut gelesen, ein unwahrscheinliches beeindruckendes Buch. Gerade auch mit Blick auf die jetzige Situation. Es erzählt eine humane Odyssee. In dem Roman agieren der Arzt und der Pastor vollkommen selbstlos und schaffen eine moralische Energie. Das ist eine Causa humana.
Sorgen Sie sich um die Kultur?
MACK Ich bin des Themas Corona überdrüssig, wie so viele. Es gibt ernstzunehmende Stimmen, die mehr Spielraum und mehr Konzerte gefordert haben. Meine Haltung habe ich immer wieder klar ausgedrückt: „Kunst- und Kultur sind Lebensmittel.“Die bisherige Unterstützung der Kultur aus der Politik reicht nicht: Wenn Künstler ihre Miete nicht mehr bezahlen können, unterhalb der Armutsgrenze leben, dann ist das eine Blamage für ein Land, das sich für ein Kulturland hält.
SABINE JANSSEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.