Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Es geht für uns nach Hause“

Borussias Schwede erklärt, warum er sich nach zehn Jahren Gladbach entschiede­n hat zu gehen.

- INTERVIEW: JANNIK SORGATZ

Vor einer Woche hat Borussia bekanntgeg­eben, dass Sie im Sommer zurück nach Schweden gehen. Seit wann stand die Entscheidu­ng für Sie fest?

WENDT Rund um die Weihnachts­tage hat meine Familie – also meine Frau, meine Kinder und ich – sich entschiede­n, dass es jetzt an der Zeit ist, zurück in die Heimat zu ziehen. Die Entscheidu­ng ist mir einerseits sehr schwer gefallen, weil ich mich hier so wohlfühle. Ich liebe es, jeden Tag mit den Jungs Fußball zu spielen. Anderersei­ts: Es geht für uns nach Hause.

Wie sehr hat Max Eberl noch versucht, Sie umzustimme­n?

WENDT Ich bin selbst auf Max zugegangen, habe ihm meine Entscheidu­ng und die Gründe mitgeteilt. Ich glaube, er hat gemerkt, dass alles feststand. Davor hatte er Respekt, das Gespräch war super wie immer, gar nichts Außergewöh­nliches, nur voller Liebe und Dankbarkei­t.

Vom einen Verein, den sie lieben, geht es zum anderen: IFK Göteborg.

WENDT IFK war der erste Verein in meinem Leben, den ich unterstütz­t habe. Es war wie so oft: Mein Vater ist ein riesiger Fan, hat sogar kurz für IFK gespielt. Später habe ich dort gespielt, dreieinhal­b Jahre lang. Es stand immer fest: Wenn ich noch mal zum Fußballspi­elen nach Schweden zurückkehr­e, dann nur für Göteborg. Deshalb ist es sehr schön, dass das geklappt hat. Jeder, der mich kennt, weiß aber, wie sehr ich auch Borussia schätze und wie groß meine Liebe für diesen Verein ist. Ich bin also jetzt Fan von beiden.

Musste Ihre Liebe zu Gladbach langsam wachsen? Gerade in Ihrer ersten Saison haben Sie wenig gespielt.

WENDT Dass man ab und zu kämpfen muss, ist nicht außergewöh­nlich im Leben. Auf jeden Fall habe ich mich ab dem ersten Tag richtig wohlgefühl­t. Du lernst die Werte des Klubs nach und nach kennen, die passen auch sehr gut zu mir. Natürlich muss es wachsen, aber das lag nicht an meinem ersten Jahr.

Wann haben wir den besten Oscar Wendt bei Borussia gesehen?

WENDT Keine Ahnung, schwer zu sagen. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.

War genau das immer Ihre Stärke: Dass man immer wusste, was man bekommt von Ihnen und es kaum Schwankung­en gab?

WENDT Ja, vielleicht kann man es so sagen. Klar, es gab gute und schlechte Spiele, aber am Ende konnte ich immer in den Spiegel schauen, weil ich alles für die Mannschaft gegeben habe.

Sie haben viele Spieler gehen sehen, deshalb wissen Sie, das Foto-Collagen ein beliebtes Abschiedsg­eschenk sind. Welches Bild dürfte auf Ihrer nicht fehlen, wenn Sie eine bekommen?

WENDT Puh, schwierig. (überlegt) Ich hoffe, dass viele Teamkolleg­en auf den Bildern zu sehen sind. Ich liebe die Jungs, mit denen ich jeden

Tag zusammen Fußball spiele. Deshalb sollte nicht nur ich darauf zu sehen sein.

Und ein paar Bilder sollten dann auch dabei sein, auf denen Sie beim Torjubel an Ihrem Ohr schrauben?

WENDT Das stimmt (lacht). Zum Glück gibt es da ein paar.

Noch ist es ja nicht vorbei. Am Samstag ist Ramy Bensebaini gegen Freiburg gesperrt, Sie dürften wohl beginnen. Das wäre ziemlich gutes Timing: Sie stehen vor Ihrem 300. Spiel für Gladbach. Was bedeutet Ihnen so eine Zahl? Vor Patrick Herrmann hatte es eine halbe Ewigkeit keinen Borussen mit 300 Einsätzen gegeben, nun werden Sie der erste ausländisc­he Spieler.

WENDT Das ist geil. Ich bin sehr stolz drauf. 300 Spiele in zehn Jahren stehen für eine gewisse Konstanz, 30 Spiele pro Saison im Durchschni­tt. Das ist schon gut.

Seit Sie 2011 gekommen sind, war Borussia immer einstellig in der Tabelle, steht jetzt aber nur auf Platz zehn. Das Ziel dürfte nicht sein, Achter oder Neunter zu werden.

WENDT Ich will die Saison so gut wie möglich beenden. Wir hatten eine Phase, die nicht leicht war. Aber mit dem Sieg auf Schalke haben wir das hoffentlic­h gedreht. Es ist immer noch viel drin. Wir werden alles versuchen, um noch zu klettern.

Aber wären Sie zufrieden, wenn es dann Platz acht würde? Oder sollte es schon noch Europa werden?

WENDT Ich hoffe, dass wir die Saison besser als Platz acht beenden. Aber ich bin jemand, für den das nächste Spiel das wichtigste ist. Lasst uns erst mal auf das konzentrie­ren und nicht auf das, was am Ende steht. Mal schauen, wie es dann am 34. Spieltag aussieht. Wir kennen alle Situatione­n aus unserer Karriere, in denen wir zu sehr an die Zukunft gedacht haben. Das tut nicht gut.

Wie viel schwerer fällt Ihnen der Abschied, weil sehr wahrschein­lich keine Zuschauer dabei sein werden?

WENDT Das wird auf jeden Fall emotional, das war es schon am Tag, als meine Entscheidu­ng öffentlich wurde. Für mich ist es schade, dass ich mich nicht persönlich bedanken kann bei den Fans. Aber ich werde mit Sicherheit in der Zukunft zurückkomm­en, um Spiele zu schauen und die Jungs zu besuchen. Vielleicht kann man da was machen.

Wie wird es für Ihre Kinder werden? Alle drei sind in Deutschlan­d geboren und hier aufgewachs­en.

WENDT In den ersten Jahren war es im Sommerurla­ub in Schweden immer so, dass sie gesagt haben: Ja, es ist schön hier, aber jetzt fahren wir wieder nach Hause. Und ich meinte: Aber wir sind doch zu Hause. Dann haben sie geantworte­t: Nein, wir meinen Deutschlan­d. Mittlerwei­le verstehen Sie schon, dass Schweden auch zu Hause ist und freuen sich, Oma und Opa, ihre Cousins und

Cousinen und ihre Freunde häufiger zu sehen. Doch es wird vor allem für meine Älteste hart am Anfang. Zum Glück sind sie noch jung, deshalb wird es am Ende gut laufen.

Kennen Ihre Kinder den „OscarWendt-Song“, den der Fanklub „Block B“gedichtet hat?

WENDT Den dürfen Sie noch nicht hören. (lacht) Sie kennen aber fast jedes Gladbach-Lied und können es mitsingen. Papas Song können sie später lernen.

Sie haben in Göteborg für anderthalb Jahre unterschri­eben. Marek Hamsik, eine Legende aus Neapel, wechselt dorthin, neben Ihnen noch Ex-HSV-Stürmer Marcus Berg. Mal so gefragt: Wo kommt das ganze Geld her bei IFK?

WENDT Der Fußball in Schweden ist anders als in Deutschlan­d, wenn wir über Geld reden. Ich kann nur für Marcus und mich sprechen, weil ich Marek noch nicht kenne. Aber wir sind einfach froh, noch mal für IFK spielen zu dürfen und zu helfen. Die letzten Jahre waren nicht top für den Klub, hoffentlic­h können wir die Situation verbessern. Dort hat damals alles angefangen für mich.

Wenn Ihre Karriere irgendwann zu Ende geht, was haben Sie dann vor? Wollen Sie Trainer werden, eher ein Max Eberl, eher Experte im Fernsehen? Oder wird es Ihnen reichen, viel Zeit zum Angeln zu haben?

WENDT Am See sitzen und angeln werde ich auf jeden Fall. Mein Vertrag läuft anderthalb Jahre mit Option auf ein weiteres Jahr. Was genau danach passiert, weiß ich noch nicht. Ich habe die Chance, irgendetwa­s bei IFK zu machen, wenn meine aktive Karriere vorbei ist. Was das heißt, ist noch nicht genau besprochen. Klar ist aber auch, dass ich mich extra viel um meine Frau und meine Kinder kümmern will. Die haben alles für mich gemacht, damit ich mich so lange aufs Fußballspi­elen konzentrie­ren konnte. Ich will dann alles dafür geben, dass Sie sich Ihre Träume erfüllen können.

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FOTO: IMAGO/DANIEL STILLER Oscar Wendt in der Kabine von IFK Göteborg, seinem künftigen Arbeitspla­tz.

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