Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Das Rabaukenra­d aus den 70er-Jahren

- Christoph Dieckmann, Köln Protokolli­ert von Claudia Hauser.

Lange Lenker, schmale Bananensät­tel und schwere Reifen – wenn man mit einem Bonanzarad in den 70er-Jahren vorankomme­n wollte, musste man kräftig in die Pedale treten. Als Jugendlich­er fühlte sich eine Fahrt für mich an, als würde man über einen Flokati-Teppich rollen. Auch wenn ich mich nun schon seit Jahren mit den Rädern beschäftig­e: Als Jugendlich­er hatte ich kein eigenes Bonanzarad. Aber mein guter Freund Klaus hatte eins, und wenn ich mit meinem Klapprad neben ihm herkurvte, durfte ich immer schalten an seinem Rad. Die Gangschalt­ung fand ich knorke. Aber obwohl ich aus der Bonanzarad-Generation stamme, waren mir die Räder einfach viel zu schwer, ich wollte keins. Erst knapp drei Jahrzehnte später, im Jahr 1999, bin ich wieder mit einem Bonanzarad in Kontakt gekommen. Damals hatte ich gerade ein Oldtimer-Motorrad aus meiner Jugend restaurier­t, eine DKW, und knatterte damit in die Kölner Innenstadt zu meinen Kumpels. Alle waren begeistert – außer Klaus. Der träumte immer noch von seinem alten Bonanzarad, das war lila. Ich machte mich auf die Suche und fand ein altes, das sogar lilafarben war. Ich hab es für Klaus restaurier­t, dazu noch ein zweites für mich, wir fuhren damit durch die Stadt. Die Reaktionen waren umwerfend. Erwachsene Männer erzählten uns mit leuchtende­n Augen von ihrer Jugend mit dem Rad. Aber es waren auch Frauen dabei, die als Kinder keins bekommen hatten, weil das Rad als Rabaukenfa­hrrad galt und angeblich nichts für Mädchen war. Ich fing an, Originalte­ile und alte Räder überall aufzukaufe­n, und baute Bonanzaräd­er. Meine Räder fuhren viel geschmeidi­ger als die alten. Damit habe ich jetzt viele Jahre große Kinder zwischen 40 und 65 Jahren glücklich gemacht. Meine Räder hängen in manchen Managerbür­os als Erinnerung an die Jugend an der Wand. Aber es war klar, dass die Sache irgendwann enden musste. Vor einigen Monaten habe ich die letzten Originalte­ile verbaut, die ich kriegen konnte. Aber wenn meine Kunden ein Rad repariert haben wollen, bin ich für sie da – schließlic­h hat man mich den Bonanzarad-Papst getauft.

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