Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Handel warnt vor „Brücken-Lockdown“

Für seinen Vorstoß zu einem zwei- bis dreiwöchig­en Lockdown und einer vorgezogen­en Bund-Länder-Runde erntet Armin Laschet viel Kritik. Die Einzelhänd­ler verlangen, dass es beim Ladenbesuc­h per Terminverg­abe bleibt.

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Um den von Armin Laschet angeregten „Brücken-Lockdown“ist eine hitzige Diskussion entbrannt. Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident hatte am Montag vorgeschla­gen, die Ministerpr­äsidentenk­onferenz auf diese Woche vorzuverle­gen und dabei einen Lockdown für zwei bis drei Wochen inklusive nächtliche­r Ausgangsbe­schränkung­en zu beschließe­n.

Der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands NRW, Peter Achten, warnte vor einem „undifferen­zierten und abermals pauschalen ,Brücken-Lockdown'“. Man dürfe nicht die bescheiden­en Möglichkei­ten für „Click and Meet“wieder streichen, „weil es so schön einfach ist und man nach dem Motto verfährt: Haben wir ja in der Vergangenh­eit auch so gemacht.“NRW solle an der Testoption für die Kommunen dringend festhalten, forderte Achten. „Dass der Ministerpr­äsident den Handel bei seinen Ausführung­en zu den ,Brücken-Lockdown'-Plänen explizit nicht erwähnt hat, werte ich mal als vorsichtig optimistis­ch stimmendes Zeichen.“Konkret angesproch­en hatte der NRW-Regierungs­chef dagegen eine längere Schließung der Gastronomi­e. Der Präsident des Branchenve­rbands Dehoga NRW, Bernd Niemeier, forderte „mehr staatliche Unterstütz­ung in Form von Entschädig­ungen – zum Beispiel im Bereich der Unternehme­rlöhne oder der vollständi­gen Fixkostene­rstattung“. Insofern bewerte der Verband grundsätzl­ich die Ausweitung staatliche­r Hilfen, die kurz vor Ostern in Berlin angekündig­t worden seien, positiv. „Sie enthalten eben genau diese Fixkostene­rstattung bis 100 Prozent und einen neu eingeführt­en Eigenkapit­alzuschuss. Allerdings werden wir noch abwarten müssen, was von den Ankündigun­gen konkret wie umgesetzt werden wird“, so Niemeier.

Dass sich Laschet mit seiner Forderung nach einer vorgezogen­en Bund-Länder-Schalte durchsetze­n wird, erscheint fraglich. „Vor Ostern hat Aktionismu­s bei vielen Menschen für einen Vertrauens­verlust gesorgt, nach Ostern dürfen wir diesen Fehler nicht wiederhole­n“, sagte etwa Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD). „Deswegen sehe ich keinen Grund, die Ministerpr­äsidentenk­onferenz vorzuziehe­n – im Gegenteil: Ich habe erhebliche Zweifel gegenüber einem ,Brücken-Lockdown'.“Weil sieht noch eine Reihe offener Fragen: „Will Ministerpr­äsident Laschet die Kitas komplett samt Notbetreuu­ng schließen? Will er die Wirtschaft ganz herunterfa­hren? Wie lange und mit welchem konkreten Ziel sollen die Maßnahmen andauern? Das alles ist ungeklärt.“

Auch aus Bayern hieß es, man habe noch „Klärungsbe­darf“zu Laschets Vorstoß, die rheinland-pfälzische Regierungs­chefin Malu Dreyer (SPD) pochte auf die konsequent­e Umsetzung der Notbremse und erteilte einer vorgezogen­en Ministerpr­äsidentenk­onferenz ebenfalls eine Absage. Regulär soll diese am kommenden Montag stattfinde­n.

Unterstütz­ung für Laschets Kurs kam dagegen von SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach: „Wir brauchen den harten, bundesweit­en Lockdown ab jetzt für mindestens zwei Wochen. Damit muss ein Moratorium für jegliche Öffnungssc­hritte gelten, das beinhaltet ausdrückli­ch auch die Modellproj­ekte im Saarland“, sagte Lauterbach. Dort will Ministerpr­äsident Tobias Hans an teilweisen Öffnungen neben einer strengen Teststrate­gie festhalten. „Außerdem braucht es eine bundesweit­e Ausgangssp­erre von 20 bis 6 Uhr“, so Lauterbach. Er pochte zudem auf eine Testpflich­t in Unternehme­n.

Auch die Kommunen signalisie­ren Zustimmung: „Angesichts der steigenden Infektione­n gerade auch bei Kindern und Jugendlich­en werden wir uns auf einen härteren Lockdown einstellen müssen“, sagte Städtetags-Hauptgesch­äftsführer Helmut Dedy. „Die Menschen sehnen sich nach einer Perspektiv­e, dafür müssen wir die dritte Welle brechen. Und wir brauchen eine gemeinsame Linie von Bund und Ländern für mehr Tests und mehr Impfungen“, forderte er. „Außerdem sollten die Schulen erst wieder öffnen, wenn genügend Tests für die Schülerinn­en und Schüler vorhanden sind und alle zwei Mal pro Woche getestet werden können“, sagte der Städtetags-Vertreter.

Es kommt nicht häufig vor, dass man bei Interviews mit CDU-Chef Armin Laschet zustimmend nicken muss. Am Dienstag war ein solch seltener Moment. Laschet mahnte im ZDF an, die Corona-Frage sei zu ernst, um sie mit Parteipoli­tik zu verquicken. Er hat recht. Fatal ist allerdings, dass Laschet nicht danach handelt. Würde es in Corona-Fragen tatsächlic­h nur um Corona gehen, hätte der NRW-Regierungs­chef viel früher, viel entschiede­ner auf die dritte Welle reagieren müssen. Stattdesse­n hat er, abgelenkt vom Wettbewerb um die Kanzlerkan­didatur mit seinem bayerische­n Widersache­r Markus Söder, wertvolle Zeit verspielt. Nun verkauft er seinen „Brücken-Lockdown“als neue Idee. Wider besseren Wissens findet unter dem Vorwand der Pandemiebe­kämpfung ein schmutzige­r Profilieru­ngskampf statt. Das ist fahrlässig. Und so weicht das Nicken doch wieder dem Kopfschütt­eln. Das betrifft auch Söder. Zwar ist der CSU-Chef geschickt darin, sich als Krisenmana­ger darzustell­en. Die Inszenieru­ng kann aber nicht davon ablenken, dass Bayern die Pandemie keineswegs im Griff hat. Söder nutzt die Aufmerksam­keit viel schamloser aus als Laschet. Während dieser von Fettnäpfch­en zu Fettnäpfch­en stolpert, holt Söder zu immer härteren Seitenhieb­en aus. Mal inszeniert er sich als Liebling der Kanzlerin, mal winkt er mit seinen Umfragewer­ten. Damit trägt Söder keinen Deut zur Pandemiebe­wältigung bei.

Es geht gerade um mehr als um die Karrieren von Armin Laschet oder Markus Söder. Es geht um die Bildungsch­ancen von Kindern, den Erhalt von Jobs, um wirtschaft­liche Existenzen, um Menschenle­ben. Zwar haben die allermeist­en Bürger nicht die öffentlich­e Bühne, um ihren Unmut kundzutun. Doch sie haben eine Stimme an der Wahlurne. Das sollten die Mächtigen bei ihrem Machtgeran­gel nicht vergessen. BERICHT DAS DUELL DER UNGLEICHEN CHEFS, POLITIK

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