Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Wo das Alter keine Rolle spielt
Viele Menschen haben vor allem mit Gleichaltrigen Kontakt. Das Mehrgenerationenhaus will das ändern und zugleich Brücke und Anlaufpunkt sein.
RHEYDT Drei oder gar vier Generationen unter einem Dach? Das gibt es heute nicht mehr so oft. Ein Grund mehr für Nicole Peters und Dorothea Postel-Plum, Mönchengladbacher jeden Alters zusammenzubringen. Doch das Mehrgenerationenhaus in Rheydt ist kein Wohnmodell. Es ist ein Ort der Begegnung. „Wir sind ein Haus für verschiedene Menschen – jung und alt, mit und ohne Behinderung, Alleinstehende und Familien“, sagt Postel-Plum, die die Einrichtung gemeinsam mit Peters leitet.
Die Besucher des Mehrgenerationenhauses töpfern, basteln, malen, nähen, lesen, machen Tai Chi oder Qi Gong, messen sich in Gesellschaftsspielen. An den Wänden hängt noch eine Wanderausstellung, die wegen des Lockdowns bisher fast niemand betrachten konnte.
„Der Austausch zwischen verschiedenen Altersklassen kommt ganz automatisch zustande, da müssen wir gar nichts für tun“, sagt Postel-Plum. Zugleich gibt es auch Angebote auf dem Plan, die sich die gemischte Altersstruktur zunutze machen. „Gerade während der Pandemie merken wir, wie wichtig es ist, auch alleinstehenden oder älteren Menschen den Umgang mit dem Smartphone oder dem Computer beizubringen“, betont Postel-Plum. Es gebe zwar schon ein Computer-Treffen, doch das will die Einrichtung so bald wie möglich ausbauen. „Da können dann ältere von jüngeren Besuchern lernen.“Angedacht ist etwa eine Kooperation mit einer Schule. „Dann könnten wir den Handytreff mit einem Schulprojekt
begleiten, sodass die Schüler die Kursteilnehmer des Treffs ehrenamtlich betreuen und am Ende für ihren Einsatz ein Zertifikat erhalten“, sagt Peters.
Auch beim regelmäßigen Frühstück – während des Lockdowns natürlich ausgesetzt – kämen die Teilnehmenden automatisch ins Gespräch. „Da erzählen ältere Leute
von ihrer Jugend und die jüngeren hören gebannt zu.“Zuhören und daraus lernen – das wollen auch die Mitarbeitenden des Mehrgenerationenhauses. Mit einer Postkartenaktion hat das Team die Nachbarn befragt, welche Angebote sie sich für das Haus wünschen würden, wenn die Einrichtung wieder öffnen kann. „Da waren ganz unterschiedliche, auch neue Ideen bei“, sagt Postel-Plum. „Zum Beispiel ein Bücherclub, eine Schach-AG, ein Kickertreff.“
Nicht nur die direkten Nachbarn aus Rheydt sind dort willkommen. „Wir haben Besucher aus der ganzen Stadt, sogar aus Korschenbroich“, sagt Nicole Peters. Außerdem gebe es Kooperationen mit Vereinen, beispielsweise eine Hausaufgabenbetreuung, die der türkische Elternverein organisiert oder ein Generationentreff persisch sprechender Frauen, Kräuterwanderungen, eine Modenschau. Besonders beliebt sei das Repair-Café. „Dort reparieren die Teilnehmer mit Ehrenamtlern das, was sie mitbringen.“
Obwohl viele Angebote und Treffs aktuell nicht persönlich stattfinden können, versuchen die Engagierten, möglichst viel ins Internet zu verlagern. „Bei den Sportkursen funktioniert das ganz gut“, sagt Postel-Plum. Und auch der Kochtreff sei schon voll digital abgelaufen. „Wir waren über eine Videokonferenz zusammengeschaltet und die Teilnehmer haben zu Hause unter Anleitung gekocht“, sagt Peters. „Vorher hatten wir eine Einkaufsliste herumgeschickt.“Postel-Plum ergänzt: „Das hat super funktioniert.“So gut, dass die beiden Leiterinnen es bald noch einmal wiederholen wollen.
Eine Besonderheit des Mehrgenerationenhauses: Es sitzt in den gleichen Räumen wie einige andere Angebote – etwa eine Flüchtlingsberatung und eine Sprechstunde für Krebskranke. „Viele sind erst einmal aus einem ganz anderen Grund hier im Haus und werden dann dadurch auf uns aufmerksam“, sagt Peters. Sie und ihre Kollegin können es kaum erwarten, endlich wieder loslegen zu können. Das Programm – in etwas abgespeckter Variante – für dieses Jahr steht. Sobald die Pandemie es also zulässt, geht es wieder los. Und dann sehen die Leute auch die Wanderausstellung, die seit über einem Jahr an der Wand hängt.